Schinznach-Dorf – Kurt Aeschbacher ist im Kuefertalk zu Gast
Kurt Aeschbacher, Sie waren im September auf einer Leserreise für Ihr Magazin «50 plus» in Gent und Brügge und sind in diesem Monat für zwei Wochen in Vietnam. Aus welchem Winkel der Erde beantworten Sie im Moment gerade unsere Fragen?
Im Moment aus Hanoi, auf dem Sprung in die Berge Nordvietnams.
Was hat Sie nach Vietnam gezogen?
Ich begleite eine Gruppe von Schweizer Reisenden und versuche, ihnen neben den Sehenswürdigkeiten des Landes die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe Vietnams näherzubringen.
Sie haben sich vor fast acht Jahren als Moderator vom Fernsehen verabschiedet, sind aber äusserst aktiv geblieben, zum Beispiel als Unicef-Botschafter für die Schweiz. Was genau tun Sie in dieser Funktion?
Ich helfe der Organisation aktiv bei der Spendensuche, bin bei der Organisation von Spendenanlässen involviert, besuche Krisengebiete, in denen Unicef Hilfe leistet und versuche damit, die Öffentlichkeit über die Möglichkeiten und Erfolge der Tätigkeit dieses Hilfswerks für Kinder zu sensibilisieren.
Was war für Sie als Unicef-Botschafter bisher das eindrücklichste Erlebnis?
Es gibt so viele berührende und oft auch erschütternde Begegnungen, die mich in den über 20 Jahren prägten, seit ich für diese humanitäre Organisation arbeite. Zum Beispiel in Bangladesch, als innert weniger Wochen über 500 000 Flüchtlinge aus Myanmar in einem kleinen Lager ohne Infrastruktur eintrafen. Wir besuchten das Lager, um abzuklären, welche Soforthilfen am dringendsten waren. Mitten im Strom neuer Flüchtlingsgruppen gebar eine junge Frau ihr Baby, und es galt, ihr in aller Eile die notwendige Hilfe zukommen zu lassen. Im Kongo, rund um die Stadt Goma, in der seit Jahren auf das Brutalste gekämpft wird, richtete Unicef Auffangstationen für Kindersoldaten ein, die «desertiert» waren. Dort erzählte mir ein vielleicht zwölfjähriger Junge, wie er zum Morden gedrillt worden sei. Es gäbe noch 100 andere Geschichten, die beweisen, wie wichtig es in einer immer gewalttätigeren Welt ist, Kinder zu schützen und zu unterstützen.
Wie hat sich Unicef in den 20 Jahren, seit Sie Botschafter sind, aus Ihrer Sicht entwickelt?
Mit der Zunahme all der Krisen und Kriege weltweit wird es immer schwieriger, die notwendigen Gelder für eine Hilfsorganisation zu finden, die in über 70 Ländern tätig ist. Dabei stellt die Streichung von Unterstützungsgeldern durch den amerikanischen Präsidenten Trump internationale Organisationen vor fast unlösbare Probleme.
Sie kommen viel in der Welt herum. Würden Sie sich als Kosmopolit bezeichnen?
Nein, ich bin einfach ein neugieriger Mensch, der im Reisen die beste Schule für eine tolerante Lebenseinstellung sieht.
Wie nehmen Sie die Schweiz heute wahr?
Als ein – in der Vergangenheit – bewundernswert erfolgreiches Land, dessen Bevölkerung heute zunehmend vergisst, dass Wohlstand auch mit Leistung und Arbeit zusammenhängt. Dass das System der direkten Demokratie erodiert, wenn Interessengruppen die Unabhängigkeit des Landes zunehmend opfern. Dass die Innovationskraft durch ein gutes Bildungssystem erlahmt, wenn die Gesellschaft bloss noch an eine optimierte sogenannte Work-Life-Balance denkt. Und dass Politikerinnen und Politiker sich aus Machtgründen zunehmend mit populistischen Begehren Stimmen kaufen, ohne die Finanzierung ihrer Forderungen zu hinterfragen. Und leider lassen sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger aus reinem Egoismus davon verführen. Wir sollten uns wieder vermehrt daran erinnern, dass unser Wohlstand nicht garantiert ist.
Fühlen Sie sich, da Sie in den letzten Jahren sehr viel im Ausland gewesen sind, noch wohl in der Heimat?
Ja, ich liebe die Schweiz. Sie ist und bleibt meine Heimat
Wenn Sie zu Hause sind, sehen Sie viel fern? Und falls ja, welche Sender und Sendungen?
Hier muss ich Sie enttäuschen. Gespräche mit Freunden, gemeinsame Abende mit einem feinen Essen, Konzerte, Opern und tolle Bücher sind mir wichtiger als ein Abend vor der Flimmerkiste.
Falls Sie nochmal eine Gelegenheit hätten, was für eine Show würden Sie am Fernsehen am liebsten präsentieren?
Ich darf im Kleintheater in Luzern eine kleine feine Sonntagsmatinee produzieren und kann in verschiedenen Podcasts mit grossartigen Gesprächspartnern Lebensfragen diskutieren, sodass mir das Fernsehen seit dem Ende meiner Talkshow keinen Moment gefehlt hat.
Was sonst, was Sie bis jetzt nie gemacht haben, würden Sie im Leben noch gern tun?
Ich versuche all das, was mich wirklich interessiert und im Bereich des Möglichen ist, umzusetzen und nicht auf die lange Bank zu schieben. Schliesslich wird die Zeit dafür kürzer.
Kurt Aeschbacher im Kuefertalk mit Judith Wernli
Freitag, 31. Oktober, 20 Uhr
Gasthof Bären, Schinznach-Dorf
kulturkueferei.ch