Mitbestimmung will gelernt sein

Am 3. November wählen die Mitarbeitenden und Bewohnenden der Stiftung Arwo in Wettingen die Mitglieder des neuen Selbstbestimmungsrats.
Die Kandidierenden für den Arwo-Selbstbestimmungsrat präsentierten sich letzte Woche ihrer Wählerschaft. (Bild: sim)

Baden – Am Mittwoch der letzten Woche fand im Wohnheim der Stiftung Arwo eine aussergewöhnliche Veranstaltung statt. Die erste von zwei Podiumsdiskussionen im Vorfeld der Wahlen für den neu zu schaffenden Selbstbestimmungsrat stand auf dem Programm.

Die Wahlen für den Selbstbestimmungsrat der Arwo markieren den Beginn der letzten Phase eines über dreijährigen Projekts. «Der ganze Prozess wurde angestossen, als eine Stiftung auf uns zukam und anbot, ein Projekt zu finanzieren, dass direkt den Menschen mit Beeinträchtigung zugutekommt. Wir haben uns dann ­einige Zeit innerhalb der Geschäftsleitung überlegt, was das für ein Projekt sein könnte», erläutert Arwo-Geschäftsführer Roland Meier. «Erst nach einiger Zeit ging uns auf, dass es nicht angehen kann, dass wir ein solches Vorhaben über die Köpfe unserer Bewohnenden und Mitarbeitenden hinweg ausarbeiten.»

Fragen statt bestimmen
Ergebnis dieser Erkenntnis war, dass eine neue Projektgruppe unter Einsitz von Mitarbeitenden und Bewohnenden der Arwo das Konzept des Selbstbestimmungsrats ausarbeitet, der künftig als Scharnier zwischen den Klientinnen und Klienten sowie der Geschäftsleitung fungieren soll. Der fünfköpfige Rat soll am 1. Januar offiziell seine Arbeit aufnehmen. Das repräsentative Gremium soll einerseits Begehren und Anliegen von Mitarbeitenden und Bewohnenden der Arwo aufnehmen und gegenüber der Geschäftsleitung vertreten. Andererseits kann über ihn die Geschäftsleitung mit den Klientinnen und Klienten in Kontakt treten und deren Meinung zu Vorhaben oder geplanten Änderungen einholen.

Laut Roland Meier geht der Trend beim betreuten Wohnen und Arbeiten in den letzten Jahren verstärkt in Richtung Selbst- und Mitbestimmung der Betroffenen. So ein Wandel lässt sich allerdings nicht von heute auf morgen vollziehen. «Drei Jahre Projektdauer kommen einem lang vor», meint Meier. «Rückblickend wundert es mich, wie schnell die Zeit verflog.» Auch entspricht das Vorhaben der ­gesetzgeberischen Entwicklung in
der Schweiz, wo das Erwachsenenschutzrecht 2013 angepasst wurde, und international, beispielsweise der UNO-Behindertenrechtskonvention.

«Für mich ist dieser Prozess eine logische Folge der Entwicklung, die mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht begann», bekräftigt John Green, der das Projekt Selbstbestimmungsrat ­gemeinsam mit Jan Baldi leitet.

Lernfeld für alle
Um zu Beginn ein Gefühl für das Projekt zu bekommen, wurden im ersten Schritt zahlreiche Institutionen besucht, die bereits einen Selbstbestimmungsrat oder ein ähnliches Gremium haben. Sodann wurde innerhalb der Projektgruppe ein Regelwerk für den eigenen Rat entwickelt, in dem Amtsdauer, Wahlverfahren und Zuständigkeiten definiert sind.

«Zudem hielten wir für die Pflegenden, für die Klientinnen und Klienten sowie gemeinsam zahlreiche Weiterbildungen ab», erläutert Roland Meier. Denn auf der einen Seite hätten die Pflegenden lernen müssen, wann im Sinne der Selbstbestimmung Zurückhaltung gefragt sei, auch wenn man meine, im besten Interesse des oder der Betroffenen zu handeln. Auf der anderen Seite hätten die Klientinnen und Klienten lernen müssen, sich proaktiv einzubringen sowie Wünsche und Bedürfnisse zu artikulieren. «Viele unserer Bewohnenden sind es gewohnt, dass für sie entschieden wird», gibt der Arwo-Geschäftsführer zu bedenken. «So eine Umstellung braucht Zeit.»

Zum Wohl der Gemeinschaft
Am 3. November finden nun die ersten Wahlen für den Selbstbestimmungsrat statt. Davor konnten und können sich die neun Kandidierenden in zwei Podiumsdiskussionen ihrer Wählerschaft präsentieren. «Ich möchte mich im Rat für alle Menschen in der Arwo einsetzen», erklärt Dominic Weiss. «Denn allein ist man schwach. Nur gemeinsam können wir für alle etwas erreichen.» Eine Haltung, die er mit den übrigen Kandidatinnen und Kandidaten teilt. Reihum versprachen diese, ein offenes Ohr für die Anliegen ihrer Kolleginnen und Kollegen zu haben und die Bedürfnisse der Gemeinschaft zum Wohl aller gegenüber der Geschäftsleitung zu vertreten.