Brugg – In Brugg werden am 30. November der Einwohnerrat und der Stadtrat gewählt. Zur städtischen Wählerschaft gehören erstmals auch 1130 Stimmberechtigte aus Villnachern. Weil Beschwerden die Bestätigung des Gemeindezusammenschlusses jedoch verzögert haben, werden die Wahlen spät durchgeführt.
Für den Einwohnerrat spielt das keine Rolle. Falls hingegen der Stadtrat mit zwei Vakanzen nicht auf Anhieb besetzt werden könnte, fände der zweite Wahlgang erst am 8. März 2026 statt. Ein vierteljähriges Interregnum wäre kein idealer Start in die neue Legislaturperiode.
Grosses Publikumsinteresse
Bis jetzt verläuft der Wahlkampf nach bewährtem Muster: Plakate, Flyer, Inserate, Standaktionen, Stellungnahmen, Kandidatenporträts in den Medien. Es fliegen keine Fetzen. Man kennt sich. Doch ein Wahlpodium, das der Gewerbeverein mit den im Einwohnerrat vertretenden Parteien und den acht Stadtratskandidaten organisierte, offenbarte ein waches politisches Interesse: Das 150-köpfige Publikum besetzte alle Sitzplätze im Salzhaus. Diesen Aufmarsch werteten Gewerbevereinspräsident Martin Gobeli sowie der Vorstandsverantwortliche für Kommunikation, Reto Wettstein, abtretender Vizestadtammann, als Erfolg.
Ob sich die Hoffnung des Moderators und Radio-Video-Journalisten Tobias Brunner erfüllte, dass der Name Salzhaus auch für würzige Diskussionen sorgen möge, blieb letztlich dem persönlichen Empfinden der altersmässig gemischten Zuhörerschaft anheimgestellt. Immerhin verfestigte sich der Eindruck, dass alle politischen Akteure das Beste für Brugg anstreben und die Stadt in jedem Fall voranbringen wollen – aber mit unterschiedlichen Akzenten und Rezepten. Die Vertreterinnen und Vertreter der Stadtparteien beziehungsweise die Einwohnerratsfraktionen legten ihre Haltungen in fünfminütigen Statements dar – kontrolliert durch eine Sanduhr.
Im 50-köpfigen Brugger Einwohnerrat sind die Parteien derzeit wie folgt vertreten: FDP 12 Sitze, SP 10, SVP 9, Grüne 7, die Mitte 5, GLP 4, EVP 3. Bei den Wahlen vor vier Jahren legten SP, Grüne und Grünliberale zu, FDP und EVP blieben stabil, SVP und die Mitte verloren Sitze. Den stärksten Zuwachs in der 60-jährigen Geschichte des Stadtparlaments verzeichnete die SVP von ursprünglich 2 auf bis zu 11 Mandate. Die momentane politische Grosswetterlage spielt am ehesten wieder der SVP in die Karten. Es kommt jedoch auch auf das lokalpolitische Mikroklima an. Hier stellt sich die Frage, ob und wie stark die erstmalige Teilnahme der Stimmberechtigten aus dem dörflichen Villnachern an den Einwohnerratswahlen die Gewichtsverteilung beeinflusst.
Besondere Werbebemühungen um das Wählerpotenzial aus dem neuen Stadtteil waren beim Podium nicht erkennbar. Aber die Parteien legten zumindest Wert darauf, ausdrücklich auf ihre Kandidierenden aus Villnachern hinzuweisen, sofern sie solche rekrutieren konnten. Im Vordergrund standen aber die politischen Sachanliegen. Hier waren – neben Worthülsen und Gemeinplätzen, die zu ideologischen Kontroversen gehören – unterschiedliche Gewichtungen nicht zu überhören.
Was bringt Brugg weiter?
Am Herzen liegen der FDP gesunde Finanzen durch Ausgabendisziplin statt Steuererhöhungen, die Stadtentwicklung mit guten Rahmenbedingungen für Gewerbe und Private, die Sicherheit, ein Bildungsangebot mit Tagesstrukturen sowie die Wertschätzung ehrenamtlicher Tätigkeiten in Vereinen und Gesellschaft. Für die SVP stehen Sicherheit, Ordnung und solide Finanzen zuoberst. Zudem fordert sie eine Infrastrukturpolitik ohne Prestigeobjekte, keinen weiteren Parkplatzabbau sowie die Bewahrung von Heimat- und Traditionswerten.
Die Mitte unterstützt die Anliegen Sicherheit, nachhaltige Stadtentwicklung, starker Wirtschafts- und Arbeitsstandort, gesunde Finanzen und attraktiver Bildungsplatz. Sie konzentriert sich ausserdem auf soziale Anliegen wie eine familienfreundliche Politik und betont ihre Haltung mit dem Slogan: «Mehr Wir, weniger Ich.» Die GLP probiert Gegensätze aufzulösen: Klimaschutz nicht gegen, sondern mit der Wirtschaft, Mobilität mit dem öffentlichen Verkehr und mit dem Auto, die Stadtverwaltung durch neue Technologien effizienter machen und «durchdachte» Gemeindefusionen unterstützen. Die EVP sieht ihren Platz zwischen den ideologischen Fronten mit einer Politik auf der Basis christlicher Werte, Gerechtigkeit, Nächstenliebe und Ehrlichkeit.
Im linken politischen Spektrum dominieren ökologische und gesellschaftliche Anliegen. Die SP erkennt Defizite beim Langsamverkehr und bei der Schulwegsicherheit, sie wünscht mehr Bäume im Stadtbild und überhaupt ein stärkeres Miteinander in der Klimapolitik sowie ein breites Engagement für eine lebenswerte Stadt, mit guten Bildungs- und Kulturangeboten. Ähnlich schildern die Grünen ihren Einsatz für eine menschenfreundliche Stadt und ein professionelles, nachhaltiges Kulturkonzept.
Auf die Wiederwahl verzichten Reto Wettstein, Vizestadtammann seit 2014 (FDP), und Jürg Baur, Stadtrat seit 2018 (Die Mitte). Gegenwärtig besteht der Stadtrat aus 2 FDP-Vertretern, 1 Grüne, 1 Die Mitte und 1 Parteiloser. FDP und Mitte versuchen, ihre Sitze zu halten, die SP will in die Exekutive zurück und die SVP erstmals hinein, was zu Sitzverschiebungen führen müsste. Von einem allfälligen Wechsel im Stadtpräsidium war nicht die Rede.
Die Kandidierenden konnten je eine Minute lang berichten, was sie bis anhin für die Stadt Gutes taten. Laut Barbara Horlacher hat der Stadtrat viel erreicht, zum Beispiel die Verlegung der Stadtbibliothek in den Effingerhof und den Erwerb des NAB/CS-Bankgebäudes für die Stadtverwaltung. Yvonne Buchwalder-Keller verwies auf ihre Rolle als stellvertretende Geschäftsleiterin des Medizinischen Zentrums, die Bemühungen um einen sicheren städtischen Finanzhaushalt und ein neues Kulturkonzept. Roger Brogli erwähnte seine vorherige 33-jährige Tätigkeit als Werkdienstleiter der Stadt und Vizekommandant der Zivilschutzorganisation sowie erste Einsparungen als verantwortlicher Stadtrat im Bauwesen und personelle Stabilisierungen im Bauamt.
Sicherheit, Parkplätze, Kultur
Erstes Diskussionsthema war die Sicherheit. Daniel Zrnic sprach von groben Defiziten. Barbara Horlacher konterte mit getroffenen und vorgesehenen Massnahmen. Patrick von Niederhäusern meinte, der Stadtrat habe auf dem Neumarktplatz zu lang gewartet, und der vorgesehene Drogenkonsumraum werde erst recht ein Anziehungspunkt. Alexandra Dahinden befand hingegen, es brauche niederschwellige Angebote für Suchtkranke, die Umsetzung erfolge jedoch zu langsam.
Nächster Punkt: die Abschaffung von Parkplätzen im Altstadtbereich. Das sei falsch und schädlich für das Gewerbe, betonten Patrick von Niederhäusern und Daniel Zrnic. Alexandra Dahinden schwächte ab: Im Moment sei das nur eine Vision, es gelte, Prioritäten zu setzen. Michel Indrizzi empfahl zudem, immer das Ganze zu sehen. Barbara Horlacher kündigte ein Parkplatzbewirtschaftungskonzept an. Dann war die Kultur an der Reihe. Sie sei ein wichtiger Teil der Standortförderung, tönte es auch aus dem Publikum. Patrick von Niederhäusern wurde wegen der von der SVP vorgeschlagenen massiven Kürzung der Kulturunterstützung kritisiert. Roger Brogli empfahl, das Engagement der Brugger Vereine mehr wertzuschätzen.
Eine Publikumsstimme reklamierte Störungen auf einer Baustelle, das Stadtbauamt sei seit Februar eine Antwort schuldig. Bauvorsteher Roger Brogli antwortete, von diesem Anliegen habe er bis anhin nichts gehört. Die Kandidierenden wurden ausserdem gefragt, was für Aufgaben ihrer Meinung nach besondere Bedeutung hätten. Alexandra Dahinden erwähnte die Schulräume, Daniel Zrnic und Jacqueline van de Meeberg-Meichtry die Neugestaltung von Neumarktplatz und Bahnhofsquartier, Yvonne Buchwalder-Keller gab die Stadtfinanzen und Michel Indrizzi die Beziehungen zu Windisch an
Die Beziehungen mit Windisch
Auf die Bemerkung, ein guter Draht zu Windisch sei essenziell, bekam Vizestadtammannkandidat Michel Indrizzi Publikumsapplaus. Stadträtin Yvonne Buchwalder-Keller bestätigte, die Verstärkung der Zusammenarbeit sei ein Dauerauftrag. Jacqueline van de Meeberg-Meichtry empfahl, «step by step» vorzugehen, denn Brugg müsse nun zuerst den Zusammenschluss mit Villnachern verkraften. Daniel Zrnic fand, die Stadt sei lebensfähig genug, sie solle sich Zusammenschlüsse gut überlegen.
Die am meisten knisternde Frage des Abends von Moderator Tobias Brunner betraf die Zusammenarbeit im Stadtrat und das Gerücht, dass es um das Kollegialitätsprinzip nicht zum Besten stehe. Die drei erneut kandidierenden Mitglieder Barbara Horlacher, Roger Brogli und Yvonne Buchwalder-Keller bestätigten, dass es manchmal unterschiedliche Auffassungen gebe, aber das liege in der Natur der Sache, denn schliesslich würden bewusst unterschiedliche politische Richtungen in die Exekutive gewählt. Von einem Zerwürfnis könne nicht die Rede sein.
Der Klimapflege über Parteigrenzen und Meinungen hinweg diente
ein abschliessender Apéro, den der Remiger Weinbauer Bruno Hartmann ausschenkte. Er produziert mit seiner Rebfläche Sommerhalde in Villnachern sozusagen bereits einen künftigen Brugger Stadtwein.