«Freude und Möglichkeiten schenken»

Seit 50 Jahren gibt es das Kerzenziehen in Baden. Über 60 freiwillige Helfende stehen jedes Jahr im vorweihnacht­lichen Einsatz.
Kerzenziehen gehört für viele Familien zur Vorweihnachtszeit. (Bild: zVg)

Baden – Ein angenehmer süsslicher Duft strömt aus der Jurte am unteren Bahnhofplatz in Baden. In der Jurte beugen sich Erwachsene und Kinder über Töpfe mit geschmolzenem Wachs und ziehen Kerzen. Für sich oder als Geschenk für andere. Daneben verkaufen Anita Brunner und Corinne Wiedemeier an ihrem Stand bereits fertige und schön geformte Kerzen.

Bewegtes halbes Jahrhundert
Der Verein Kerzenziehen Baden wurde vor 50 Jahren gegründet. Eltern von Kindern mit einer Beeinträchtigung schlossen sich zusammen und erwirtschafteten mit dem Kerzenziehen 700 000 Franken. Damit legten sie den Grundstein für den Bau des heutigen Wohnhauses der Stiftung Zeka in Dättwil.

Mit den Jahren wurde der alte Stahlrahmenpavillon durch die Jurte ersetzt, die heute das Kerzenziehen beherbergt. Die ursprüngliche Fläche wurde halbiert, und auf das Bistro wurde verzichtet, um den Fokus auf das Kerzenziehen zu legen.

Daniela Vögele, im Verein für die Finanzen zuständig, sieht beim Kerzenziehen immer wieder neue Gesichter. Ausserdem wird diese Tradition in den Familien weitergegeben, wie Corinne Wiedemeier feststellt: «Es kommen Grosseltern, die mit ihren Kindern und Enkeln Kerzen ziehen.»

Laut Anita Brunner kommen über 100 Kinder pro Tag zum Kerzen­ziehen. Jayden ist eines von ihnen an diesem Samstagnachmittag in Baden. Die Zehnjährige mit ihrer rosafarbenen Mütze steht mit ihrer Kerze in der Hand strahlend auf dem Bahnhofplatz.

Corinne Wiedemeier weiss: «Es braucht Geduld, bis eine Kerze entsteht. Das beruhigt.» Auch für Philipp Ryffel, freiwilliger Helfer aus Wettingen, ist das Kerzenziehen wie eine Meditation: «Ich arbeite in einem fordernden Job in der Finanzbranche. Hier weiss man am Abend, was man gemacht hat, aber es ist ein anderer Stress. Nur schon den Geruch finde ich super. Und die Leute haben gute Laune.»

Der Vereinsvorstand des Kerzenziehens Baden (von links): Daniela Vögele, ­Corinne Wiedemeier und Anita Brunner.

Spenden machen Freude
Was viele, die in Baden am Kerzen­ziehen teilnehmen, eint, ist das Ziel, benachteiligten Menschen mit Spenden zu helfen. So mit 250 000 Franken für die Sanierung des Wohnhauses Arwo in Wettingen. Kleine Spenden machen ebenfalls Freude. 2025 waren es beispielsweise 4500 Franken für das Sponsoring des Sternschnuppencups der Zeka-Rollers (ein internationales Rollstuhlhockey-Juniorenturnier in Windisch) oder 4000 Franken an das Sommerlager der Stiftung ­Insieme für Kinder mit Beeinträchtigung.

Vorstandsmitglied Anita Brunner möchte später in den Hintergrund ­treten. «Wenn ich merke, dass jemand Freude am Kerzenziehen hat, spreche ich ihn oder sie an und frage, ob er oder sie sich als freiwilliger Helfer ­engagieren möchte», sagt sie.

Der Verein habe dieses Jahr aktiv an der Basis im Zeka Dättwil und an der Heilpädagogischen Schule Wettingen geworben, um Eltern von Kindern mit Beeinträchtigung zu gewinnen. «Dass vieles heute generell kurzfristig und unverbindlich ist, stellt uns in der Planung vor grosse Herausforderungen», betont sie. Es benötige eine gesunde Portion Optimismus, Engagement und Zuversicht, trotzdem loszulegen.

Das Kerzenziehen in Baden – genau wie andernorts – erfreut sich in der Vorweihnachtszeit besonders bei den Kindern grosser Beliebtheit. (Bilder: vr)

Das schönste Kerzenziehen
Vor 25 Jahren wäre das Kerzenziehen um ein Haar verschwunden. Die jetzige Generation ist nun seit mehr als 20 Jahren aktiv. Als Roman Zwicker vor knapp vier Jahren die Funktion als Präsident übernahm, tat er das mit einem klaren Ziel: «Ich möchte das Kerzenziehen attraktiv und fit machen, damit eine neue Generation übernehmen und das Kerzenziehen in eine erfolgreiche Zukunft führen kann.»

Sein grösster Wunsch ist es, dass die Tradition lebendig bleibt und das Kerzenziehen auch in 20 Jahren noch besteht, damit «Menschen mit Beeinträchtigung unterstützt, Dinge bewegt, Freude und Möglichkeiten geschenkt werden, die ohne diese zusätzliche Unterstützung nicht möglich wären». Nicht nur für Roman Zwicker gehört das Badener Kerzenziehen zu den schönsten in der Schweiz.