Kein Weihnachten ohne Panettone

Das gilt vor allem in Italien und im Tessin, wo die Produktion dieses beliebten Kuchens jedes Jahr für Rekorde sorgt. Hier soll jetzt aber weniger von Rezepturen und Kommerz die Rede sein, sondern weit eher sollen ein paar Hintergrundlegenden erzählt werden, wie es denn überhaupt zu diesem luftig-süssen Gebäck gekommen ist.
Dieser Kuchen darf auf keinen Fall fehlen. (Bild: zVg)

Weihnachten – Wenn man sich Jahr für Jahr die Frage stellt, wann eigentlich die Weihnachtszeit beginnt, dann ist die Antwort in der Regel klar: mit dem ersten Advent, eigentlich dem «Adventus ­Domini» (Ankunft des Herrn), also das, was Christen den Erlöser nennen. Wesentlich früher beglückt uns hingegen offenbar die kommerzielle Phase, genauer gesagt, immer früher und noch früher. Wenn das so weitergeht, dann geschieht das zur Eröffnung der Schwimmbadsaison, wo bereits neben den Duschen ein neckisch geschmückter Tannenbaum das Fest der Feste andeutet.

Persönlich und konkret darf ich festhalten, dass am 18. September dieses Jahres folgende Verkündigung die Feier von Christi Geburt meinen Bildschirm zierte: «Die Zeit vergeht im Fluge, und schon bald kommt der Weihnachtsstress. Wir freuen uns, Ihnen bereits heute mitteilen zu können, dass wie jedes Jahr die Produktion der Panettoni bald startet.» Offenbar scheint hier schon einmal präventiv die Er­lösung vom Weihnachtsstress mittels Kuchenkonsums eingeplant zu sein, hier im Besonderen und prophy­laktisch mit dem Allheilmittel Panettone.

Nun ist es gut zu wissen, dass der originäre italienische Panettone eines der klassischen Winterdesserts schlechthin ist. Der Tradition nach wird er am Weihnachtstag nach dem äusserst üppigen 7-Gang-Pranzo im Kreise der Familie oder mit Freunden gegessen. Aber auch hier hat der Kommerz zugeschlagen. Das Gebäck wird nun den ganzen Winter über genossen, und das nicht nur in Norditalien. Unter den bekannteren Panettone-­Legenden wähle ich drei der liebevollsten aus. 

Die erste Legende erzählt vom Weihnachtsfest am Hofe des Herzogs Ludovico Sforza. Dort wurde ein Dessertkuchen im Ofen vergessen. Er ­verkohlte, und der Koch war am ­Boden zerstört. Ein Küchengehilfe namens Toni wusste Rat. Er holte ein paar Teigreste hervor, die er für sich als Menü nach der Arbeit zurückbehalten hatte, und reicherte sie mit kandierten Früchten, Eiern, Zucker und Sultaninen an und schuf so einen «Pane di Toni», den der adligen Gesellschaft bestens mundete. 

Die zweite erzählt von der Nonne Ughetta, die für Weihnachten alle Zutaten zusammensuchte, die ihre karge Klosterküche hergab, um ihren Mitschwestern wenigstens an diesem Festtag eine kleine süsse Freude zu bereiten: kandierte Früchte und Sultaninen. Die Schwestern waren so begeistert, dass sich die Kunde davon bald in ganz Mailand verbreitete. Die Menschen strömten zum Kloster, um gegen eine Spende ein Stück von diesem Brot nach Hause zu nehmen. Von diesem Tag an war das Kloster nicht mehr arm. Mit «ughett» bezeichnet man übrigens im Mailänder Dialekt auch getrocknete Weintrauben.

Und als dritte Legende hier jene vom jungen Ritter Ughetto (Hugolein). Wir schreiben das Jahr 1490. Der Adlige aus Mailand liebte die Bäckerstochter Adalgisa. Um den Standesunterschied zu umgehen, liess sich der über beide Ohren Verliebte bei ihrem Vater Antonio als Bäckergehilfe anstellen. Dessen Geschäfte liefen schlecht. So besorgte Ughetto seinem Meister heimlich kostbare Zutaten wie Butter, Zucker, gedörrte Trauben und kandierte Früchte. Mit diesen Beigaben und einem Sauerteig kreierte Antonio ein süsses, luftiges Brot. Das kam als «Pane di Toni» zu seinem Namen, Antonio kam zu Wohlstand, und Weihnachten und wir kamen zum weltberühmten Panettone.

Weniger legendär, dafür aber faktenbasiert ist folgender Hintergrund: Süsses Brot wird in Italien zu Weihnachten seit Jahrhunderten gebacken. So zum Beispiel der «Pandoro» (italienisch pan d’oro = goldenes Brot), ein traditioneller italienischer Weihnachtskuchen. 

Ein Panetone als Weihnachtsbaum. (Bild: zVg)

Historisch verbürgt für den Panettone ist der Mailänder Bäcker Angelo Motta, der im Jahr 1919 auf die Idee kam, dem in seiner Heimatstadt weitverbreiteten, flachen und kompakten Fladen namens Panettone (grosses Brot) mit Sauerteighefe zu mehr Volumen zu verhelfen und ihn mit kandierten Früchten anzureichern.

Eine typische Art und Weise, wie Italiener an Weihnachten Panettone servieren, wenn sie Gäste zu Hause haben, ist die Nachbildung eines Christbaums mit dem in Scheiben ­geschnittenen Kuchen. Zuerst schneidet man alles schichtweise waagerecht durch und legt dann die Scheiben versetzt übereinander, um die Form eines kleinen Baums zu erhalten. 

Nun sei aber nicht vergessen, dass auch in England zu Weihnachten eines auf gar keinen Fall fehlen darf: der Christmas-Pudding, eine Art Süssbrot, ähnlich unserem Birnenbrot, der mehrere Wochen im Voraus zubereitet wird. Wichtig: Jedes Familienmitglied muss den Teig einmal umgerührt haben. Im Christmas-Pudding wird zudem ein Geldstück versteckt, das dem Finder Glück bringen soll. 

Der meist dunkle Pudding wird oft mit Brandy oder anderem Alkohol getränkt. Christmas-Pudding wird aus-serdem Plumpudding genannt. Trotz diesem Namen enthielt das Gericht keine Pflaumen. Denn früher wurden Rosinen und andere Trockenfrüchte als Plum bezeichnet. 

Nochmal kurz zurück in die Lombardei. Wo es die besten Panettoni gibt, verrate ich nicht. Das ist erstens Geschmacksache, und zweitens besteht das Risiko, dass es dann keine mehr hat, wenn ich «la famiglia di ­natale» überraschen möchte. Nur eines ist sicher: Panettone mit Schokoladenglasur: Wie kann man nur?