«Zu Beginn eines Seminars sage ich: ‹Heute werden Sie auf ganz viele Fragen eine Antwort bekommen. Aber Sie werden mit ebenso vielen neuen Fragen nach Hause gehen›», sagt Patrick Liebi. Der 63-Jährige schult in Kursen für Angestellte der Stadt Zürich und an Seminaren von Pro Senectute regelmässig Menschen, die auf die Pensionierung zugehen. Patrick Liebi ist eidg. dipl. Finanzexperte mit eigener Firma in Wettingen – und kennt sich im Vorsorgedschungel bestens aus.
Bei der Vorbereitung auf die Pensionierung führen wichtige Pfade zu Themen wie Steuern, Wohneigentum, Anlegen und Erbrecht. «All das muss vernetzt betrachtet werden», sagt Patrick Liebi, der 35 Jahre Beratungserfahrung mitbringt. Und dabei treten die oben erwähnten neuen Fragen auf, die Entscheidungen erfordern. Im Idealfall beginnt man schon drei bis fünf Jahre vor dem ordentlichen Pensionsalter 65 mit Abklärungen, damit einem alle Möglichkeiten offenstehen.
Die erste Säule der Altersvorsorge ist die AHV, die Alters- und Hinterlassenenversicherung. Die AHV-Rente wird nicht automatisch ausbezahlt, man muss sie mit einem Anmeldeformular anfordern, am besten ein halbes Jahr vor dem Bezug. Hier stellt sich die erste Frage: Frühpensionierung, ordentliches Pensionsalter oder Rentenaufschub? Zwischen 63 und 70 Jahren kann man den Zeitpunkt des Ruhestands (fast) frei wählen. Eine Frühpensionierung senkt die monatliche AHV-Rente, ein Aufschub erhöht sie, wobei man weiterhin Beiträge einzahlt, sofern man mehr als 1400 Franken im Monat verdient. «Mit einem Rentenaufschub kann man auch Einzahlungslücken ein Stück weit schliessen», sagt Patrick Liebi, «zum Beispiel wenn jemand erst mit 35 in die Schweiz gekommen ist und entsprechend weniger Beitragsjahre aufweist.» Als weitere Variante ist ein Teilbezug möglich, also 20 bis 80 Prozent der AHV-Rente beziehen und den Rest maximal fünf Jahre aufschieben.
Risikoabwägung
Die zweite Säule der Altersvorsorge ist die Pensionskasse (PK). Hier stellt sich eine andere gewichtige Frage: eine Rente beziehen oder sich das PK-Vermögen teilweise oder ganz auszahlen lassen? Für die PK-Rente muss man sich nicht selbst anmelden, die Institution kommt auf die Betroffenen zu. Bevorzugt jemand jedoch eine (Teil-)Kapitalauszahlung, muss man diese laut Gesetz drei Jahre im Voraus beantragen. »Allerdings kennen viele Pensionskassen davon abweichende kürzere Fristen», weiss Patrick Liebi, «das gilt es individuell abzuklären.»
Die Entscheidung zwischen PK-Rente und PK-Kapitalbezug führt zu komplexen Abwägungen, da es diverse Pro und Kontra gibt. Für die Rente spricht, dass sie auf Lebenszeit ein gesichertes Einkommen bietet. Für eine Person mit tiefem Alterskapital und wenig Erspartem, die bei guter Gesundheit ist, ist sie deshalb die beste Option. Eine gute Pensionskasse, die den Inflationsausgleich garantiert, spricht ebenso für eine Rente. Steuertechnisch fährt man hingegen mit dem Kapitalbezug besser, weil die Rente als Einkommen versteuert werden muss. Und auch der Todesfall ist zu bedenken: Stirbt die versicherte Person, ist deren PK-Rente «verloren»: Der oder die Hinterbliebene erhält noch 60 Prozent davon ausbezahlt, der Rest verbleibt im Pensionskassenvermögen. Ausgezahltes PK-Kapital bleibt dem Partner dagegen als Erbe erhalten (und später allenfalls den Nachkommen).
Manche scheuen allerdings einen Kapitalbezug, weil das Geld, um Wertverlust zu vermeiden, angelegt werden muss, was mit Aufwand und dem Risiko von Fehlinvestitionen verbunden ist. Um den Ehepartner mit der kleineren oder gar keiner Pensionskasse abzusichern, könnte ein Teilbezug des PK-Geldes der richtige Mittelweg sein, erklärt Patrick Liebi: «Fällt die errechnete Rente des Mannes zum Beispiel deutlich höher aus, kann er einen Teil des Kapitals beziehen, sodass seine Restrente so niedrig ist wie jene der Frau. Stirbt einer von beiden, fällt nur eine geringe Rente weg, das ausgezahlte Kapital bleibt als Polster erhalten.»
Für alle, die sich einen fundierten Überblick verschaffen möchten, bietet Pro Senectute Seminare rund um die Pensionierung an, die neben den finanziellen Aspekten soziale Themen beinhalten: avantage.ch.