Der Stundenplan ist auch ein Puzzlespiel

Beim Stundenplan müssen verschiedene Interessen berücksichtigt werden. Die Erstellung ist für viele Schulen eine echte Herausforderung.
Entschärft die angespannte Raumsituation in Obersiggenthal: der Schulhausneubau Goldiland (Bild vom 7. Mai). (Bild: mpm)

Der Stundenplan – oft wird er sehnlichst erwartet, manchmal mit Stirnrunzeln empfangen, auf jeden Fall ist er Grundlage für die Planung des Familienlebens im kommenden Schuljahr. Und in so manchen Fällen suchen die Eltern fieberhaft nach Möglichkeiten, ihren Alltag mit den Stundenplänen ihrer Kinder in Einklang zu bringen. Diese Planungsarbeit haben die Schulen bereits Wochen zuvor, denn die Gestaltung beginnt in den Frühlingsferien. «Die Stundenplangestaltung gleicht in manchen Fällen einem Puzzlespiel», erklärt Coni Gianola, Schulleiterin in Endingen. Grund hierfür sind die verschiedenen Interessen und Vorgaben, die zu berücksichtigen sind.

Wenige Vorgaben im Lehrplan 21
Der Aargauer Lehrplan 21 gibt nur wenige Leitplanken für den Stundenplan vor. Er definiert die Anzahl der Pflichtlektionen, welche die Kinder pro Jahr absolvieren müssen, abgestuft nach Alter. Im 1. und 2. Schuljahr sind es 24 Lektionen pro Woche, im 3. und 4. Schuljahr 27 Lektionen, danach bis in die 6. Klasse 30 Lektionen. Wie diese Stunden auf die Woche verteilt werden, steht den Schulen grundsätzlich frei. Die verfügbaren Spezialräume wie Werkräume, Turnhallen und Schwimmbad müssen jedoch berücksichtigt werden. Zudem gelten morgens die Blockzeiten von 8.20 bis 11.50 Uhr.

Üblicherweise beginnt der Prozess damit, dass die Lehrpersonen ihre Wünsche eingeben. Viele Lehrer und Lehrerinnen arbeiten Teilzeit, teilen sich Pensen und haben oft selbst familiäre Pflichten, die sie mit freien Halbtagen abdecken müssen.

Die Wünsche und Anliegen werden von der Schulleitung geprüft und, sofern vertretbar, auch berücksichtigt. Denn: In der Zeit des heutigen Lehrermangels möchten die Schulen ihre Lehrpersonen halten, und Kündigungen erschweren die weitere Planung zusätzlich. Ziel der anschliessenden Stundenplangestaltung, die bei einigen Schulen mittels einer spezialisierten Software erfolgt, ist grundsätzlich eine pädagogisch sinnvolle Verteilung der Lektionen über die Woche. Das sei sehr zeitintensiv und nervenaufreibend, ergänzt Coni Gianola. Und: «Man kann es leider nie allen recht machen.»

Frühstunden sind umstritten 
Frühstunden ab 7.30 Uhr geben immer wieder Anlass zu Diskussionen. Da die Blockzeiten von 8.20 bis 11.50 Uhr eingehalten werden müssen, führen solche frühen Schulstarts zu sehr langen Vormittagen. «Es ist bewiesen, dass in dieser frühen Stunde die Aufnahmefähigkeit der Kinder nicht gut ist», gibt Monika Müller, Co-Schulleiterin für Kindergarten und Primarschule Turgi, zu bedenken. «Deshalb versuchen wir, zumindest vor der 4. Klasse, auf diese Stunden zu verzichten.» Im nächsten Schuljahr soll in Turgi sogar gänzlich auf die Frühstunde verzichtet werden. Würenlingen versucht, vor der 4. Klasse keine Frühstunden vorzusehen, in Endingen sind diese ab der Mittelstufe (3. Klasse) selten möglich.

Insbesondere in Obersiggenthal sorgten und sorgen Frühstunden für Unmut: Regelmässig finden sie bereits ab der 3. Klasse statt, und es kommt vor, dass innerhalb der gleichen Klasse die eine Halbklasse dreimal pro Woche früh aus den Federn muss und dafür drei Nachmittage freihat, während die andere Halbklasse nur einmal eine Frühstunde hat, dafür vermehrt am Nachmittag Unterricht. Das bestätigt Bruno Glettig, Gesamtschulleiter der Schule Obersiggenthal: «Im laufenden Schuljahr waren die Stundenpläne diesbezüglich sehr unglücklich, und die Frühstundenverteilung war sogar Thema im Elternrat.»

Dort kam es aufgrund von Vorstössen von Eltern zu einer Umfrage zum Thema Frühstunden, deren Ergebnisse in einem umfangreichen Bericht nachzulesen sind. Für die Hälfte der Klassenvertretungen ist die Reduktion der frühen Schulstarts ein wichtiges Anliegen.

Die Begründungen dafür sind vielfältig. Zum einen führe ein früher Start vermehrt zu (teilweise langen) Schulwegen in der Dunkelheit, was den Schulweg gefährlicher machen könne. Zum anderen bekämen Kinder mit Einschlafproblemen bei frühen Morgenstunden nicht ausreichend Schlaf, was sich negativ auf den Tag und die schulischen Leistungen auswirke. Und schliesslich stelle es vor allem berufstätige Eltern vor Pro­bleme, wenn die Kinder zwar häufig frühmorgens in der Schule seien, im Gegenzug dafür aber oft nachmittags schulfrei hätten. Entweder müsse eine Betreuung organisiert werden oder die Kinder seien allein und nicht betreut zu Hause.

Handlungsbedarf erkannt
Die Schulleitung Obersiggenthal hat die Umfrage zur Kenntnis genommen und den Handlungsbedarf erkannt: «Die Vorgabe hinsichtlich Frühstunden lautet nun: möglichst wenige Lektionen um 7.30 Uhr, und wenn, dann möglichst gleichmässig im selben Jahrgang», erklärt Bruno Glettig. Das sei allerdings aufgrund der beschränkten Raumsituation, insbesondere was Turnhallen und Schwimmbad angehe, schwierig. «Für das Schuljahr 2023/24 haben wir aber besondere Anstrengungen unternommen, um Verbesserungen zu erreichen», stellt er in Aussicht. Umso gespannter dürften die Eltern dieses Jahr die Stundenpläne Anfang Juni erwarten.