Die Freiheit zwischen den Feldern

Die Freienwiler­innen und Freienwiler feierten die Vernissage ihrer überarbeiteten und ergänzten Dorfchronik anlässlich des «Seenachtsfests».
Vizeammann und Chronikverfasser Urs Rey hat von Gemeindeammann Othmar Suter (mit einem Exemplar der Dorfgeschichte in der Hand) zum Dank ein Präsent erhalten. (Bild: bkr)

Wie viel Damals steckt im Heute? Diese Frage hat Vizeammann Urs Rey bei der Abfassung der neuen Freienwiler Dorfchronik speziell interessiert. Unter dem Titel «Geschichte einer ländlichen Gemeinde» ist er auf Fakten- und Spurensuche gegangen. Rey, der vor 25 Jahren bereits eine inzwischen vergriffene Chronik verfasst hat, baut auf dieser auf – hat die Kapitel überarbeitet, mit zusätzlichen Fotos versehen, vor allem aber um zwei Kapitel zur neueren Zeit ergänzt.

Zeitzeugen standen denn auch im Zentrum des Rahmenprogramms der Vernissage. Einer von ihnen ist Gemeindeammann Othmar Suter mit Jahrgang 1963, der stolz ist, seine Wurzeln in Freienwil zu haben. Zusammen mit sieben Geschwistern hat er im Dorf an der Flanke des Siggenbergs seine Kindheit und Jugend verbracht. In Erinnerung bleibt ihm beispielsweise das wöchentliche Anzünden und Abbrennen der dorfeigenen Abfallgrube – oder die Schulsituation: 1970 unterrichteten eine Lehrerin und zwei Lehrer die Schülerinnen und Schüler der Primar- und Realstufe.

In der Verwaltung der Gemeinde wurde vieles mit Nebenämtern gelöst. «Das war vielleicht weniger professionell als heute, aber nahe am Volk», erinnert er sich. Suter ist einer der häufigsten Namen im Freienwil von gestern wie im Dorf von heute. Besonders Josef Suter gab es in grösserer Zahl, weshalb Zunamen nötig waren. Blöd aber, wenn man einen Suter oder Burger nicht mit Zu- sondern Übernahmen ansprach.

Futuristisches Konzept
Hanspeter Heri, von Beruf (Bezirks-)Geometer, ist ein Zuzüger und war von 1994 bis 2004 Mitglied des Gemeinderats. Ihm ist ins Auge gestochen, wie nachhaltig Freienwil bereits damals unterwegs war. So hat die seinerzeitige Ortsplanung dreissig Jahre lang ihren Zweck versehen und muss erst jetzt von einer neuen Bau- und Nutzungsordnung (BNO) abgelöst werden. Oder ein damals erlassener Ortsbildschutz, der dafür gesorgt hat, dass nicht jedes Haus eine Vorfahrt mit Parkplätzen bekommen hat – womit die Basis für das heutige Dorfbild gelegt werden konnte. Futuristisch war der Entwurf eines Landschaftsentwicklungskonzepts, «an dem nicht alle Freude hatten», wie Heri sagt. So wollte man den im Bereich des Dorfes noch heute ein­gedolten «Maasbach» befreien, was im Rahmen des Hochwasserschutzes südlich des Ortseingangs inzwischen geschehen ist.

1987 geboren und in Freienwil auf­gewachsen ist Noëmi Lerch, Bergbäuerin im Tessiner Dorf Aquila und Schriftstellerin. In einem sehr intimen Essay schilderte sie, die 2020 den eidgenössischen Literaturpreis erhalten hat, ihre Beziehungen zu Freienwil. «Ich mochte Baden sehr, im Dorf Freienwil, wo ich aufgewachsen bin, war diese Kleinstadt für mich als Kind ein Sehnsuchtsort.»

Heute ein begehrter Wohnort
Für sie ist Freienwil ein Fortgehen und Zurückkommen. Als Studentin in Bern, Basel und Lausanne habe sie nach ihrer Herkunft Fragenden geantwortet, sie komme aus einem ganz kleinen Dorf, «das kannst du gar nicht kennen». Heute komme sie immer gerne zurück nach Freienwil, das für sie inzwischen Freiheit zwischen den Feldern und in den Wäldern ist.

Nach diesen mit musikalischen Klängen von Ruedi Ruesch mit seinem Langnauerli umrahmten Gedankengängen führte Urs Rey durch die neue Chronik – zeigte unter anderem auf, dass der Name Freienwil tatsächlich auf dem Wort Freiheit beruht. Aus seiner Sicht ist die Nähe zu Baden sehr wichtig für die historische und heutige Entwicklung des Dorfs. So fanden viele Nebenerwerbsbauern mit dem Beginn der Industrialisierung zusätzlichen Verdienst in der zu Fuss erreichbaren Limmatstadt. Das Freienwiler Wachstum fand mit der ein­setzenden Motorisierung ein jähes Ende – die Gemeinde war nur schlecht ins Strassennetz eingebunden. Das hat sich geändert, und heute ist Freienwil ein begehrter Wohnort mitten in Feldern und nahe von Wäldern.