Zwitschern unter dem Solardach

Dank der Nachfrage nach erneuerbarer Energie boomt die Photovoltaikbranche. Auch einige Vogelarten nutzen die Vorteile von Solardächern.
Das Hausrotschwanz-Weibchen füttert einen Jungvogel unter dem Rand der Solarpanels. (Bild: bhe)

In der zweiten Augustwoche hat «unser» Hausrotschwanzpaar bereits die dritte Jahresbrut beendet. Die Jungvögel sind ausgeflogen, werden aber von den Altvögeln noch ausserhalb des Nests gefüttert. Hierbei halten sie sich auffallend oft auf und unter den Solarpanels auf dem Dach des Nachbarhauses auf. Dieses «Habitat» teilen sie sich mit Haussperlingen, die dort ebenfalls ihre Jungmannschaft betreuen. Die Fütterung läuft immer etwa nach demselben Muster ab: Der Altvogel landet mit einer Insektenlarve oder anderer Beute im Schnabel unter dem Rand der Solarpanels. Die auf dem Dach wartenden Jungvögel fliegen eiligst herbei, wobei der schnellste das Futter kriegt. Der Zwischenraum zwischen Dachziegeln und Solarpanels bietet – nebst Schatten – auch Schutz bei Wind und Regen und vor Greif­vögeln. So konnten wir schon be­obachten, dass beim Anflug eines Sperbers alle Vögel unter den Solarpanels verschwanden. Wir konnten nicht feststellen, dass die Haussperlinge dort auch nisten. Die Hausrotschwänze haben das bisher mit Sicherheit nicht getan.

Vogelarten mit starkem Bezug zum Menschen
Hausrotschwanz und Haussperling gehören zu den Vogelarten, die schon in frühen Zeiten in die Siedlungsgebiete vordrangen und den Lebensraum mit den Menschen teilen. Im Gegensatz zu anderen Siedlungsvögeln, die vor allem Gärten und Parks schätzen, brüten sie an Gebäuden und benützen hierfür jegliche Nischen und Hohlräume. Durch das enge Zusammenleben gehören beide zu den Vogelarten, welche die meisten Menschen gut kennen. Die Sympathien sind allerdings unterschiedlich verteilt: Während die meisten Leute den Hausrotschwanz ins Herz geschlossen haben, betrachten sie «Spatzen» – zu Unrecht – oft als lästige, unordentliche und freche Mit­bewohner.

Auch Haussperlinge betreuen ihre Jungmannschaft auf und unter dem Solardach. (Bild: bhe)

Ein Bewohner des Hochgebirges
Es gibt einen weiteren Unterschied. Der Haussperling, der übrigens südlich der Alpen durch den verwandten Italiensperling abgelöst wird, lebt ausschliesslich in der Nähe des Menschen. Der Hausrotschwanz war früher ein Bewohner von Geröllhalden und Felslandschaften, bevor er die Stein- und Holzfassaden der Häuser als neuen Lebensraum entdeckte und zum Kulturfolger wurde. Er besiedelt aber nach wie vor seine früheren Felslebensräume im Gebirge bis in Höhen über 3000 m ü. M. – er ist dadurch der Vogel mit dem grössten Verbreitungsgebiet in der Schweiz. Laut dem Brutvogelatlas 2013 bis 2016 der Vogelwarte wird der Hausrotschwanz (als einzige Vogelart) in jedem der 467 10×10-Kilometer-Quadrate – sogenannte Atlasquadrate – der Schweiz nachgewiesen. Daher kann man ihm sowohl im eigenen Garten wie auf einer Wanderung im Hochgebirge, fernab jeder menschlichen Siedlung, begegnen.

Nebenfunktion von Photovoltaikanlagen
Während Lebensraum- und Nahrungsspezialisten unter den Vögeln mit den sich ändernden Umweltbedingungen und dem Verlust ihrer Lebensräume kämpfen und mit rückgängigen Beständen reagieren, sind die weniger anspruchsvollen und anpassungsfähigen Arten, zu denen Haussperling und Hausrotschwanz gehören, auf der besseren Seite. Dass sich die beiden Arten nun auch die derzeit stark expandierende Photovoltaik zunutze machen, ist eigentlich eine logische Entwicklung. Da wir im Oktober dieses Jahres selber ein Solardach installieren lassen, interessierte die Frage: Gibt es Beeinträchtigungen durch die unter den Solarpanels lebenden Vögel respektive stellt das stromführende Solardach eine Gefahr für die Vögel dar? «Weder – noch», meint dazu ein Solartechnik-Experte. «Alle stromführenden Leitungen und Kontakte sind gut isoliert, und die Kleinvögel können diese Isolation nicht beschädigen. Grössere Vögel wie Krähen und Elstern kommen gar nicht unter die Solarpanels. Eine Gefährdung geht eher von einem anderen Mitbewohner aus, dem Hausmarder. Hier sind in der Branche einige wenige Marder-Schäden an Solarstromanlagen und thermischen Solaranlagen bekannt.» Seit uns diese unerwartete «Nebenfunktion» von Photovoltaikanlagen bewusst ist, freuen wir uns umso mehr auf das neue Solardach.