Er setzt ihr Werk ins Bild um

In der Regel schaut niemand zu, wenn Anne Poland eine Geige baut. Seit Anfang Jahr aber begleitet Mathias Born die Fachfrau – mit der Kamera.
Fotografie meets Geigenbau: Fotograf Mathias Born und Geigenbauerin Anne Poland beim Shooting. (Bild: aru)

In der Werkstatt von Anne Poland ist es still. Ganz in ihre Arbeit vertieft, prüft die Geigenbauerin die Qualität des Rohbaus. Ab und zu macht es «Klick». Grund dafür ist die Kamera von Fotograf Mathias Born, der das Werk von Poland seit Januar dokumentiert. Kennengelernt haben sich die beiden auf dem Oederlin-Areal, wo sie ihre Ateliers haben. Schon länger hatte Anne Poland den Wunsch, die Entstehung einer Geige auf Bildern festzuhalten. «Es gibt so viele Arbeitsschritte, die nur ich sehe», sagt die 46-Jährige. «Ich hatte das Bedürfnis, diese aus dem intimen Rahmen der Werkstatt hinauszutragen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.» Am Ende soll ein Buch daraus entstehen.

Shooting in der Werkstatt: Fotograf Mathias Born dokumentiert die Arbeit von Geigenbauerin Anne Poland. (Bild: aru)

Gefesselt vom Spiel des Lichts
Ursprünglich war das Projekt von Anne Poland und Mathias Born als blosse Dokumentation gedacht, während des Prozesses ist aber eine Bildsprache entstanden, die weit darüber hinausgeht. «Zuerst haben wir uns zusammengesetzt und geschaut, welche Arbeitsschritte wir festhalten möchten», erinnert sich Born. Dieses Drehbuch sei der Taktgeber gewesen. «Dann kam die Dimension der Ästhetik hinzu.» Er habe mehr und mehr Feuer gefangen für «diese unglaublich schönen Formen» der Geige, für die Wirkung des Lichts, die speziellen Strukturen des geflammten Ahornholzes.

Im Alltag hat der 53-jährige Fotograf, der sich vor ein paar Jahren «als Quereinsteiger» selbständig gemacht hat, vor allem mit perfekt geschliffenen Oberflächen zu tun. In der Produktfotografie, die nebst Porträts den Schwerpunkt seiner Arbeit bildet, inszeniert er fixfertige Modelle. «In Annes Werkstatt hatte ich nun etwas vor mir, das noch in Entstehung ist», so Born. «Dieses intensive Dranbleiben an einem Objekt – über einen längeren Zeitraum hinweg – hat mich total fasziniert.» Auch für Anne Poland war die Zusammenarbeit sehr inspirierend. Sie habe ihre Auftragsarbeiten zugunsten des eigenen Werks an den Rand drängen müssen, erzählt sie lachend. «Dass jede Woche ein Fototermin anstand, hat mich motiviert, an dieser Geige wirklich dranzubleiben.» Das Instrument – ungefähr ihr zwanzigstes – baut sie nach einem Modell von Stradivari. «Ich nehme davon die Form, die sich seit vielen Jahrhunderten bewährt hat, und mache etwas ganz Eigenes daraus», erklärt sie. Beim Bauen entwickle sich eine Beziehung zwischen ihr und dem Instrument, eine tiefe Bindung. Trotzdem wird sie die Geige, die am 26. Oktober, rechtzeitig zu ihrem Vortrag im  Ennetraum, fertig sein soll, in andere Hände geben. «Ich freue mich, wenn sie gespielt wird.»

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(Bilder: Mathias Born)

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Klingende Bilder erzeugen
Anne Poland gehört schweizweit zu den Erfahrensten ihres Fachs. Obwohl sie zwischendrin studiert und einen Abschluss in Musik- und Kunstgeschichte hat, ist sie dem Geigenbau treu geblieben. Nebst der Arbeit in der eigenen Werkstatt, die sie nach vielen Lehr- und Wanderjahren, unter anderem in Japan, vor neun Jahren aufgebaut hat, engagiert sie sich als Prüfungsexpertin, Vortragende und Autorin verschiedener Publikationen. In ihrer Freizeit spielt die Mutter dreier Töchter als Zuzügerin «meist auf der Bratsche» in Orchestern und – gemeinsam mit ihrem Mann, der Cello spielt – in einem «Hausquartett». Dieses wird am kommenden Samstag im Rahmen des Tags der offenen Tür auf dem Oederlin-Areal zu hören sein. Zu sehen sind zudem einige der Bilder, die Mathias Born gemacht hat. «Und vielleicht präsentiere ich die Geige dann in meinem 3-D-Studio, das Rundumaufnahmen ermöglicht», freut sich der Fotograf.

Das Gemeinschaftsprojekt von Anne Poland und Mathias Born kommt nun in die nächste Etappe. Nach dem Trocknen der Lackschichten wird die Geige bald spielfertig gemacht, klanglich perfektioniert und eingespielt. Diese Schritte fotografisch festzuhalten, ist eine weitere Herausforderung für Born. «Mein Ziel ist, dass die Bilder am Ende klingen», schmunzelt der Fotograf – und versteckt sein Auge wieder hinter der Kamera, um konzentriert den nächsten Arbeitsschritt festzuhalten.