Pferdekutscher aus Leidenschaft

Daniel Meier vom Stall Vogelsang hat die Kutscherei zu seinem Beruf gemacht und betreibt sie auch auf sportlichem Höchstniveau.
Ausfahrten mit Flocke und Sambo: Daniel Meier vom Stall Vogelsang. (Bild: cd)

Das rhythmische Hufgetrappel ist schon lange zu hören, bevor der Gesellschaftswagen mit den beiden vorgespannten Pferden ins Blickfeld ­gelangt. Flocke und Sambo sind No­riker, österreichische Kaltblutpferde, die auch in der Forst- und Landwirtschaft eingesetzt sowie als Reitpferd geschätzt wird. Auf dem Kutschbock sitzt Daniel Meier (49). Ein sachtes Zupfen an den Leinen, ein ruhiges Kommando, und die Pferde stehen geduldig still, bis alle auf den Wagen aufgestiegen sind. In den nächsten anderthalb Stunden erlebt man Entschleunigung pur. In gemüt­lichem Tempo gehts durch Wald und Wiesen, mit den runden Hinterteilen der Pferde, deren glänzenden Rücken und aufmerksam aufgestellten Ohren vor sich und der Landschaft, die vorbeizieht, Bild für Bild.

Erstes Pferd mit vierzehn
Pferde haben in Meiers Leben früh eine tragende Rolle gespielt. Seinen Eltern lag er so lange in den Ohren, bis er mit vierzehn sein erstes eigenes Pferd bekam. Unter der Anleitung seines Onkels lernte er reiten und fahren. Nach einer Landwirtschaftslehre übernahm der Vogelsanger mit 21 den Milchwirtschaftsbetrieb. Erst als er seine Frau Manuela, eine begeisterte Military-Reiterin, kennenlernte, ­begannen sie mit der Pferdezucht. Heute führen sie den Hof zusammen auf verschiedenen Standbeinen. Der Landwirtschaftsbetrieb vermag nicht nur den Eigenbedarf an Pferdefutter zu decken, der Hafer wirft auch Gewinn ab. Daneben bestehen ein Lohnunternehmen, eine Reitschule und die Pferdezucht. Ausserdem arbeitet Meier als Kutscherfahrlehrer.

Vorbei an Maisfeldern und abgemähten Feldern geht die Ausfahrt an Bauernhöfen vorbei, wo neugierige Rinder ihre Köpfe drehen, durch verträumte Weiler und malerische Dörfer. Pferde und Wagen, das ruft eine zeit- und alterslose Nostalgie wach. «Man muss das einfach geniessen», findet selbst Meier, für den Geburtstags-, Hochzeits-, Mondschein- und Gesellschaftsfahrten oder Ausflüge im Landauer sowie Fondue-Fahrten Berufsalltag sind. «Es ist schön zu erleben, wie die Leute entspannen können, und dieser Wirkung kann man sich gar nicht entziehen», sagt der Kutscher.

Die Pferde aus seiner Zucht bildet der ausgebildete Gespannfahrer selbst aus. Das alte Handwerk möchte er erhalten. Der Beruf des Kutschers wurde vor einigen Jahren wiederbelebt. Beim Gespannfahren wird ausserdem der Einsatz von Pferden in der Forst- und Landwirtschaft vermittelt, beispielsweise beim Pflügen und Holzrücken. «Mit dem zunehmenden Verkehr ist es generell sehr schwierig geworden, Strecken zu finden, die sich zum Fahren eignen, aber für die Ausbildung muss ich ja auch auf die Strassen», erzählt der Pferdezüchter.

Rücksichtslose Autofahrer
Autofahrer und -fahrerinnen seien oft extrem rücksichtslos, hupen oder überholen so nah, dass schon mal ein Aussenspiegel das Geschirr streife, erzählt Meier. Seine Pferde seien aber stresserprobt, und er nehme mit ihnen auch an Umzügen wie dem Zürcher Sechseläuten teil. Vor zehn Jahren erwarb Meier die Turnierlizenz. Kürzlich haben er und sein Team mit den Grooms Gabriela Meier und Claudia Frischknecht die dritte Silbermedaille an der Schweizer Meisterschaft in der Königsdisziplin Vierspänner geholt.

Daniel Meier holt Silber an den Schweizermeisterschaften in Bern. (Bild: zVg | Brigitte Gfeller)

Meier ist stolz darauf, schweizweit und international der einzige Turnierfahrer zu sein, der ausschliesslich mit Schweizer Warmblutpferden aus seiner eigenen Zucht teilnimmt. «An den Turnieren geht es vor allem darum, den Ausbildungsstand von Ross und Fahrer zu ermitteln», sagt er. Von den drei Teildisziplinen Dressur, Marathon und Hindernisfahren sei ihm die Dressur am liebsten. «Dabei werden, ähnlich dem Dressurreiten, mit dem Vierspänner Figuren gefahren», erklärt der Fachmann. In jeder freien Minute, welche die Arbeit auf dem Hof und mit den Fahrten erlaubt, trainiert er für seinen Sport.

Er arbeitet an der Ästhetik, der Präzision, dem Takt und an den geschmeidigen Bewegungen seiner Pferde. Ihm gefalle diese Komplexität. «Die Leichtigkeit der Bewegung zu zeigen und ausserdem die Exaktheit einzuhalten, das fasziniert mich. Man muss auf Punkt fahren können, Harmonie und Geschick mit den Pferden beweisen», bekennt er. Alle vier Pferde sollten die gleiche Haltung haben. «Es kommt mir vor wie bei einem Konzert, wo der Dirigent eins mit seinem Orchester wird», beschreibt es Meier. Aber auch in seinem Sport gehe es nicht ohne Mentaltraining: «Wenn ich nur einen Augenblick nicht bei der Sache bin, reagieren die Pferde sofort, sie spiegeln alles.»

Der Gewinn der Silbermedaille hat für Aufmerksamkeit gesorgt «Es ist schön, diese Wertschätzung und Anerkennung zu bekommen», so Meier, der auch im Schweizer Förderkader des Fahrsports einsitzt. Doch der finanzielle Aufwand, um an Turnieren teilzunehmen, stehe in keinem Verhältnis mit dem Preisgeld, gibt er offen zu. «Der Stellenwert des Fahrsports hat sich verändert», gibt er zu bedenken.

Stalldrang vor Feierabend
Die Pferde verspüren Stalldrang, als sie in die erste Steigung der hügeligen Umgebung ihres Hofes kommen. Merklich legen sie sich tüchtiger ins Geschirr. Nach einem Arbeitstag vor dem Wagen freuen sie sich auf das wohlverdiente Abendfutter und ihren Stall. Als sie abgeschirrt sind, werden sie mit Wasser abgespritzt, und danach wird ihnen mit einem Schweissmesser die Nässe abgezogen. Für Flocke und Sambo beginnt der Feierabend. Für Daniel Meier und seine Frau noch lange nicht: Nach dem Turnier ist vor dem Turnier. Am nächsten Tag ist wieder ein Wettkampf. Dort werden Meier und sein eingespieltes Team aus Zwei- und Vierbeinern abermals zeigen, was das ist: Musik, sichtbar gemacht auf vier Rädern und im Takt von sechzehn Hufen.