Grosse Projekte der Gemeinde AG

Ennetbaden ist ein beliebter Wohnort – bisher vor allem für Gutverdiener. Das will die ­Gemeinde mit dem Neubau von Mietwohnungen ändern.
Sie gehören der Gemeinde und werden neu überbaut: Das ehemalige Restaurant Schützenhaus (oben) und das Areal Grendeltor mit der Kita Sonnenberg. (Bilder: ish)

Dank seiner Hanglage mit wunder­barer Aussicht und der Nähe zu Baden ist Ennetbaden seit jeher ein beliebter Wohnort. Die grosse Mehrheit der rund 1800 Haushaltungen ist Wohneigentum, Mietwohnungen hingegen sind Mangelware – bezahlbare erst recht. «Junge Familien, ältere Ehepaare, Studenten oder Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen sollen hier auch bezahlbareren Wohnraum finden», sagt Gemeindeammann Pius Graf. In den Legislaturzielen 2022/25 hat der Gemeinderat deshalb eine aktive Immobilienstrategie und Arealentwicklung aufgenommen. «Dem Gemeinderat ist es ein wichtiges Anliegen, gezielt Einfluss zu nehmen und für eine ausgleichende Entwicklung in der Bevölkerungsstruktur zu sorgen», so Graf.

Kein Land mehr verkaufen
Durch das 2014 eingeführte Raumplanungsgesetz des Kantons Aargau sind die Möglichkeiten jedoch begrenzt: Dieses verlangt eine innere Verdichtung, und bis 2040 darf kein neues Bauland eingezont werden. Die Gemeinde wolle aber auch kein Land mehr verkaufen, so Graf, sondern gemeindeeigene Grundstücke im Baurecht verpachten. Um dies realisieren zu können, hat sich die Gemeinde Ennetbaden entschieden, eine Aktien­gesellschaft zu gründen, welche zu 100 Prozent im Besitz der Einwohnergemeinde ist. Die Gemeinde gibt das Land im Baurecht – erlaubt ist eine Dauer zwischen 40 und 99 Jahren – an die AG ab, welche dafür Baurechts­zinsen an die Gemeinde zahlt und so jährliche Einnahmen garantiert. Das finanzielle Risiko sei gering, «und die Immobilien werden weiterhin an Wert zulegen, nicht verlieren».

Graf betont jedoch: «Wir geben ausschliesslich Parzellen aus dem Finanzvermögen ab, nicht aber aus dem Verwaltungsvermögen», das heisst, öffentliche Gebäude wie Schulen oder Gemeindebauten werden nicht angetastet. «Das Ganze soll auch kein Renditegeschäft sein, sondern dem Wohnförderungsmodell mit Kostenmieten für gemeinnützigen Wohnungsbau folgen», ergänzt der Ennetbadener Gemeindeammann.

Areal Grendeltor mit der Kita Sonnenberg. (Bilder: ish)

Traktandum am 10. November
An einer öffentlichen Versammlung orientierte die Gemeinde gestern Mittwochabend (nach Redaktionsschluss) die Bevölkerung über die Immobilienstrategie sowie die geplante Gründung einer «Gemeinde AG». Das Geschäft ist auch für die Einwohnergemeindeversammlung vom 10. November traktandiert.

Die Idee sieht vor, dass die Einwohnergemeinde Schritt für Schritt Land und Liegenschaften an die AG abgibt. Die Gemeinde verfügt noch über einige unüberbaute Flächen, etwa beim 2015 geschlossenen Restaurant Schützenhaus, wo aktuell Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht sind. Bereits 2019 wurde ein Studienauftrag über das Areal bewilligt.

Mättelisteg kein Thema mehr
Das Siegerprojekt der BEM Architekten AG, Baden, mit bis zu sechs Wohneinheiten, soll als erstes Bauprojekt durch die neue Gemeinde AG realisiert werden. Auch das Haus an der Badstrasse 7, am Eingang des Ent­lastungstunnels von Rieden herkommend, soll im Baurecht an die AG übergeben werden, ebenso das Gebäude an der Sonnenbergstrasse 3 mit dem Restaurant Taj Mahal.

Nicht nur Gebäude, auch ganze Areale sollen neu gestaltet werden. So das Grendeltor, auf dem sich die Kita Sonnenberg befindet. Dort ist eine Sondernutzungsplanung mit rund dreissig Wohnungen vorgesehen. Weitere Überbauungsstudien sind geplant für die Areale Postweg/Hertensteinstrasse, Gärtnerweg 7 und hintere Schlierenstrasse. Auch die Limmatauwiese, wo während der Badenfahrt eine der grossen Festbühnen stehen wird, ist Teil der Immobilienstrategie – allerdings mit einem Horizont von mehr als zehn Jahren.

Nicht weiter verfolgen will der Gemeinderat hingegen das Projekt Mättelisteg. Dieser sollte gemeinsam mit der Stadt Baden als neuer Flussübergang den Rundweg vervollständigen und die Bäder beidseits der Limmat verbinden. «Wir sehen bei diesem Projekt jedoch keine Perspektive und brechen die Planung deshalb ab», so Pius Graf. Dadurch wird der für die Realisierung vorgesehene Kredit von 3,4 Millionen Franken hinfällig.

Post-Automat ab Frühling
Rund 100 bis 150 Mietwohnungen ­sollen sich dereinst im Besitz der Gemeinde AG befinden – oder 5 bis 10 Prozent aller Wohnungen in der Gemeinde, so der Gemeindeammann. Die Gemeinde­infrastruktur wird derzeit mit dem Neubau des Schulhauses Bachtal für den Bevölkerungszuwachs vorbereitet. Zudem soll es im Dorf bald wieder die Möglichkeit geben, Post und Pakete aufzugeben und abzuholen: Bei der Werkstoffsammelstelle im Bachteli will die Post ab dem Frühjahr 2023 einen «MyPost24»-Automaten aufstellen. Das Baugesuch soll demnächst eingereicht werden. Mit dem Fahrplanwechsel gegen Ende des Jahres soll auch der Viertelstundentakt der RVBW am Samstag definitiv eingeführt werden.

Kein Lebensmittelgeschäft
Einkaufen müssen die Ennetbadenerinnen und Ennetbadener aber auch in Zukunft in den umliegenden Gemeinden Ehrendingen, Nussbaumen, Wettingen und Baden oder beim «Milchexpress», der mehrmals pro Woche durch Ennetbaden fährt, sowie in Online-Shops. «Wir haben mit zahlreichen Grossverteilern bis hin zum Chrättli auf der Allmend Gespräche geführt. Aber alle kamen zum gleichen Schluss: Es lohnt sich für sie nicht», sagt Graf.

Ein möglicher Standort für einen grösseren Detaillisten wäre ebenfalls das Areal Bachteli. Doch für die Gemeinde ist das Thema Einkaufsmöglichkeiten momentan beendet: «Wir werden von der Gemeinde aus nicht mehr aktiv. Das Bedürfnis muss aus der Bevölkerung kommen.»