«Ich kenne längst nicht alle Sorten!»

Geht Pilzkontrolleur Hans Peter Hartmann durch den Wald, schaut er nicht nur auf den Boden. Oft zeigen ihm die Bäume an, wo gute Pilze wachsen.
Hans Peter Hartmann (66) ist seit 1989 Pilzkontrolleur und für vierzehn Gemeinden tätig. (Bild: aru)

«Immer, wenn es regnet, juckt es mich. Dann nehme ich meinen Korb, mein Messer und meinen Pinsel und gehe in den Wald. Die Leidenschaft für Pilze habe ich von meinem Vater geerbt. Wir wohnten in der Hofstatt, und schon als Bub bin ich stundenlang mit ihm durch den Wald gepirscht. Heute wohne ich in Riniken – aber in der Hofstatt bin ich trotzdem noch oft. In der Militärküche arbeite ich als einer von drei gewählten Pilzkontrolleuren für die Gemeinden Birr, Birrhard, Bözberg, Brugg, Habsburg, Hausen, Lupfig, Mönthal, Mülligen, Remigen, Riniken, Rüfenach, Villnachern und Windisch.

Kaum spriessen im Herbst die Pilze, kommen die Leute mit ihren Körben bei uns vorbei. Ich schaue ihre Ernte durch und sortiere die ungeniessbaren und giftigen Stücke aus. Dabei lasse ich keinen Pilz durchgehen, bei dem ich nicht sicher bin. Der höchste Leitsatz unter den Kontrolleuren heisst: Im Zweifelsfalle nie! Diese Konsequenz bei Entscheidungen braucht es in unserem Amt, schliesslich tragen wir viel Verantwortung. Gerade jetzt, wo die Klimaerwärmung zum Wachstum anderer, südlicherer Arten führt, nehme ich oft einen Pilz aus der Kontrolle mit nach Hause, um ihn zu bestimmen. Ich kenne längst nicht alle Sorten! So lerne ich laufend dazu. Wenn Leute einfach den ganzen Wald abgrasen und uns ihre prallen Körbe vor die Nase halten, ohne einen einzigen Pilz zu kennen, macht mich das wütend. Kommt es öfter vor, können wir die Kontrolle auch verweigern.

Ich behandle die Pilze mit Wertschätzung und Sorgfalt. Viele von ihnen sind Symbioten, leben also in Gemeinschaft mit einem Baum. Die Steinpilze wachsen in der Nähe von Tannen, die Sommersteinpilze bei Laubbäumen. Wenn man Pilze finden will, muss man die Bäume kennen. Ich bin das ganze Jahr über im Wald, denn auch im Winter wachsen Pilze. Ganz früh im Jahr sind etwa Morcheln und Samtfussrüblinge zu finden. Hochsaison ist dann von September bis Ende Oktober. Aktuell findet man zum Beispiel den Flockenstieligen Hexenröhrling – er ist ein feiner Speisepilz. Aber man muss ihn gut kochen, wie übrigens alle Pilze. Auch vom Rotfussröhrling hat es derzeit viele. Oder das hier, das ist ein Rotstieliger Ledertäubling. Die Täublinge kennt man schnell – sie sind sogenannte Sprödblättler. In meinen Kursen vergleiche ich sie jeweils mit Sagex. Das brüchige Fleisch ist ein sicheres Indiz für diese Art.

Am besten, man dreht die Pilze beim Ernten aus dem Boden. Wenn man sie in die Kontrolle bringt, ist ganz wichtig, dass der Fuss dran bleibt. Gerade dieser ist oft – zum Beispiel beim Champignon – ein wichtiges Erkennungsmerkmal. Das hier ist übrigens ein falscher Eierschwamm, den verwechseln viele mit dem essbaren. Wenn sie jung sind, gleichen sie sich sehr. Aber: Der echte hat Leisten, der falsche, der zu Magenbeschwerden führen kann, hat Lamellen. Beim Bestimmen helfen mir meine Sinne. Eine Nebelkappe erkenne ich allein an ihrem Geruch. Oft probiere ich auch ein kleines Stück. So erkenne ich bittere Pilze sofort.

Dass giftige Pilze leuchten wie der Fliegenblätterpilz, ist ein Märchen. Ebenso falsch ist, dass man Pilze, an denen es Schnecken hat, immer essen kann. Schnecken sind Kaltblüter, die können bedenkenlos einen Knollenblätterpilz verspeisen. Für uns Menschen aber ist dieser hochgiftig!

Ich selbst esse nicht so häufig Pilze, ich suche sie lieber. Am besten schmecken mir Eierschwämme. Von denen habe ich dieses Jahr noch keinen gesehen – es ist einfach zu trocken. Die klimabedingten Veränderungen stimmen mich traurig. Ich schaue auf die dörren Buchen – und sehe schwarz. Zum Glück hat es jetzt so viel geregnet.

Als Pilzkontrolleur darf ich nur in Gemeinden tätig sein, die mich gewählt haben. Die Prüfung ist streng, und jedes Jahr gibts Weiterbildungen vom Kanton. Dort wird man über neue Regelungen informiert, und man kann sich austauschen. Ich mag es, mit Kolleginnen und Kollegen zu fachsimpeln. Aber fanatisch wie in jungen Jahren bin ich nicht mehr. Pilzesammeln ist mein Hobby. Ich liebe es, in der Natur zu sein – und immer wieder Neues zu entdecken. Das hier ist übrigens ein Wurzelnder Bitterröhrling. Ist er nicht schön?»