Der Blick in die Kristallkugel

Die Bezirke Baden und Zurzach – speziell das Surbtal – sind Boom-Regionen. Das freut die Politik, macht aber auch Sorgen – etwa in Turgi.
Eine Boom-Region dürfte das Surbtal werden – hier Lengnau. (Bild: bkr)

Das Verbreitungsgebiet der «Rundschau Nord» ist eine dynamische, wirtschaftlich starke Region, die als attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort wahrgenommen wird – und sie soll laut Prognose überdurchschnittlich wachsen. Wachsen heisst, dass hier in Zukunft mehr Menschen leben, Energie, und Wohnraum benötigen, aber auch transportiert werden wollen – dies gerne im eigenen Auto. Ein Problem, das vor drei Wochen eine regionale Mobilitätskonferenz in Baden klar gemacht («Rundschau» vom 29. September) und auch eine wichtige Einsicht geliefert hat: Das Verkehrsaufkommen in der Region ist primär selbst produziert. Der regionale Durchgangsverkehr durch den gesamten Raum – also ohne Start oder Ziel in einer der Gemeinden – wird zum grossen Teil auf der Bahn oder der Nationalstrasse abgewickelt.

Alle Gemeinden wachsen
Das wirft die Frage auf, wo und wie stark wächst die Bevölkerung? Mit Blick in den Rückspiegel gibt die Bevölkerungsstatistik Auskunft, für welche die Daten im Sechs-Monats-Rhythmus erhoben werden – vorwärts blickt man mit den Zahlen zu Wohnbau und zu leer stehenden Wohnungen. Letztere in dieser Betrachtung ausgeklammert (deren Zahl ist nicht sehr gross), wachsen alle «Rundschau»-Gemeinden. Wie stark in der Vergangenheit, zeigt der Turgemer Gemeindeammann und FDP-Grossrat Adrian Schoop in der Begründung eines Vorstosses im Kantonsparlament auf. Die Schweizer Gesamtbevölkerung ist seit 1990 um 30,9 Prozent auf 8,739 Millionen Personen (2021) angestiegen. 1990 zählte man im Kanton Aargau 496 291 Einwohnerinnen und Einwohner – 2021 waren es 703 186. Dies entspricht einem Bevölkerungswachstum von 41,7 Prozent. «Parallel dazu gab es eine Verdoppelung der Staustunden auf unseren Strassen», stellt Schoop fest.

Bis 2040 werden in der heute schon dicht besiedelten Region gegenüber heute 30 Prozent mehr Menschen leben und 20 Prozent mehr Arbeitsplätze bestehen. 2050 sollen laut Prog­nose im Kanton Aargau 905 000 Menschen wohnen. Die Zahl der Personen im Rentenalter verdoppelt sich, während die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nur geringfügig zunimmt.

Gemäss der zitierten Bevölkerungsprojektion des Statistischen Amts bleibt Baden der bevölkerungsreichste Bezirk mit knapp 200 000 Personen im Jahr 2050 (dies entspricht einem Plus von 37,4 Prozent) – und wächst rascher als Aarau. Für den Bezirk Zurzach steht ein Plus von 33,1 Prozent im Raum. Nur: Mittel- und langfristige Bevölkerungsprognosen sind unsicher. Vor allem für kleinere räumliche Ebenen (Gemeinden) oder für kleine Gruppen innerhalb der Bevölkerung (als Beispiel Kinder im Vorschulalter) ist die Ungewissheit gross.

Deshalb hier einigermassen verläss­liche Zahlen zu einzelnen Gemeinden, welche den Zeitraum bis 2030 ab­decken. Sie sind nicht in Tabellen zu finden, sondern können aus einer öffentlichen Datenbank des Statistischen Amts Aargau gefiltert werden. Der Grund: die Flut der vorhandenen Zahlen – die Bevölkerung in Altersschritten von vier Jahren, Geschlecht und Nationalität.

Die Einwohnerzahlen bis 2030
Für Birmenstorf im Jahr 2030 sagt die Glaskugel der Projektion 3041 Einwohnerinnen und Einwohner voraus. Heute (Stand 1. Juli) sind es 2942. ­Ehrendingen: 5208/4865. Endingen: 2871/2618. Freienwil: 1240/1101. Gebenstorf: 6514/5681. Lengnau: 3000/2866. Obersiggenthal: 9260/8828. Schneisingen: 1682/1575. Tegerfelden: 1456/1275. Turgi: 3366/ 2941. Untersiggenthal: 7864/7488. Würenlingen: 5674/4959.

Zurück zum Vorstoss von Adrian Schoop. Solche Zahlen und insbesondere die bisherige Entwicklung machen ihn besorgt. Für Schoop ist es fraglich, «ob die Schweiz und der Kanton Aargau ein solch rasantes Wachstum der Bevölkerung bewältigen kann». Konkret will er vom Regierungsrat wissen, «Wie soll der zusätzliche Energiebedarf für die wachsende Bevölkerung gedeckt werden? Wie sollen die Klimaziele erreicht werden?» Wie wirkt sich das Bevölkerungswachstum auf das Gesundheitssystem aus? Auf den ersten Blick mag Schoops Begründung an die Ecopop-Initiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen» erinnern, über die im November 2014 abgestimmt und welche mit 74,1 Prozent Nein-Stimmen verworfen wurde. Ein von seiner politischen Ausrichtung her nebulöses Komitee mit Sitz in Effingen forderte, das Wachstum der Menschheit und insbesondere der Bevölkerung in der Schweiz zu begrenzen. Ein Beispiel aus dem Massnahmenkatalog: Die Schweiz solle in «ärmeren Ländern» in die Familienplanung (Verhütung) investieren. Von so etwas distanziert sich Schoop klar. Er wolle nicht an der Personenfreizügigkeit rütteln. «Aber wir müssten uns mit den Herausforderungen des Bevölkerungswachstums auseinandersetzen und das vor allem auch im Aargau.»