«Hier zu arbeiten, ist ein Geschenk»

Seit 15 Jahren ist Thomas Küng für alle technischen ­Abläufe auf der Bühne des Kurtheaters zuständig. Ein Job, den er mit Demut ausübt.
Thomas Küng bei den Vorbereitungen zur Saisoneröffnung. (Bild: is)

Donnerstagnachmittag auf der Rückseite des Kurtheaters. Thomas Küng sitzt am grossen Holztisch in der Anlieferung, der zwar überdacht, aber an der frischen Luft ist. Hier schlägt das Herz des grössten Aargauer Theaters. Es ist ein Kommen und Gehen – einen Tag vor der Eröffnung der neuen Spielzeit wuseln Bühnenarbeiter, Reinigungskräfte und Techniker herum. Von seinem Stuhl aus sieht Küng zum Bildschirm, auf dem in einer Endlosschleife Fotos laufen: «Hier kann jeder unserer Mitarbeitenden Aufnahmen hineinstellen, die während der Arbeit im Kurtheater entstehen. Schnappschüsse von Momenten, an die man sich gern erinnert», sagt der Bühnenmeister.

Ein magischer Moment
Via Live-Kamera ist auch die Theaterbühne zu sehen. Dort sind zwei Männer im Begriff, einen weissen Stoff auf ein dickes Stahlrohr aufzufädeln, das jetzt noch am Boden liegt. Es ist der weisse Tüll, der einen Tag später bei der Aufführung von «Made of Space» der Bühne eine Dimension verleiht. Nach einer Stunde ist der letzte Meter geschafft, und Küng, jetzt auf der Bühne, sagt: «Nun kommt der magische Moment!» Zentimeter für Zentimeter wird der Tüll behutsam auf eine Höhe von 5,80 Metern hinaufgezogen. Und sofort ist die Atmosphäre eine andere.

Über der Bühne hat der Bühnenmeister mit seinem Team bereits am Vortag mehrere Dutzend Lampen, die am Freitagabend die sechs Tanzenden und zwei Perkussionisten ins richtige Licht rücken sollen, nach einem aus Barcelona geschickten Plan eingerichtet. Das Choreografen-Duo Guy Nader und Maria Campos habe gewünscht, dass das Licht eingerichtet sei, wenn das Team anreise, so Küng. Er versucht, die Wünsche der Kunstschaffenden so gut wie möglich zu erfüllen. Die Ausmasse der Bühne aber sind unverrückbar – etwa zehn auf zwölf Meter: «Die Spanier hätten sie gerne zwei Meter breiter gehabt. Aber das Kurtheater hat halt seine Ecken und Kanten», sagt er. Man finde aber fast immer eine Lösung – das sei auch typisch für die Berufs­gattung der Theaterschaffenden: «Sie sind sehr lösungsorientiert.» Sicherheit für Veranstalter und Publikum hat für ihn dabei oberste Priorität. Und natürlich muss im entscheidenden Moment die Technik funktionieren.

Thomas Küng im Bereich der Anlieferung, dem Herz des grössten Theaters im Kanton Aargau. (Bild: is)

Sicherheit hat oberste Priorität
Bis am Freitagabend der künstlerische Direktor Uwe Heinrichs die Gäste auf den 611 Plätzen zur Saisoneröffnung begrüsst, haben Küng und sein Team noch viel zu tun, aber Punkt 19.30 Uhr ist alles bereit. Lampen und kilometerlange Kabelstränge verschwinden hinter schwarzen Vorhängen, «und auch wir sind ab dann unsichtbar», sagt Küng.

Seit fünfzehn Jahren ist das Kur­theater seine zweite Heimat. Er ist Bindeglied zwischen der technischen Theaterleitung und den Bühnenarbeitern. «Der wichtigste Mann im Haus», sagt der Technische Direktor Patrick Hunka. Doch Küng winkt ab: «In unserem kleinen Team ist jedes Zahnrädli wichtig.»

Seine Welt erstreckt sich vom Schnürboden unter dem Dach bis hinunter zu Orchestergraben und Unterbühne. Die Beziehung des 57-jährigen Gebenstorfers zum Kurtheater begann aber viel früher: Er war schon als Jugendlicher regelmässig hier, als noch Kinofilme aufgeführt wurden. Im Theater ist Küng ein Quereinsteiger. Gelernt hat er Elektroinstallateur – ein guter Einstieg, findet er, «das ist nahe an der Theatertechnik». Später hat er Lichttechnik in der Architektur studiert.

Auf Flamenco-Tour verliebt
Nach vielen Auslandreisen heuerte er als Freelancer in der Tourneetechnik an, reiste unter anderem mit «Flamencos en route» um die Welt – und fand dort in Tänzerin Elena Vicini aus Florenz die grosse Liebe. Gemeinsam mit Sohn Lorenzo (13) und Tochter Maria (16), die inzwischen mit «Kids in Dance» auf der Bühne steht, wohnt das Paar in Baden – «eine tolle Stadt, in der Kultur gelebt wird», wie Thomas Küng findet. Auch die Geschichte des Kurtheaters fasziniert ihn.

Seinen Job führt er mit viel Demut aus. «Hier arbeiten zu dürfen, ist ein Geschenk. Die Geschichte dieses Hauses ist mit der Stadt eng verbunden», sagt der Bühnenmeister, als er wieder am Holztisch in der Anlieferung sitzt. Die Tischplatte ist aus dem alten Bühnenboden gefertigt – zahlreiche Lackschichten zeugen von einer langen
Geschichte. Viele der Künstler wie «Mummenschanz» oder Choreograf Martin Zimmermann seien mittlerweile zu Freunden geworden. Thomas Küng geniesst den Moment im Kurtheater. Selbst als während Corona eine Zeitlang der gleiche Aufwand für ein 50-köpfiges Publikum betrieben werden musste. «Aber die 50 haben hier für 600 geklatscht. Das war schön», sagt Küng. Wenn der Vorhang fällt, hat er noch lange nicht Feierabend. Nach «Made of Space» wird abgebaut, während die Gäste in den beiden Foyers beim Apéro auf eine gelungene Eröffnung anstossen. Erst gegen Mitternacht lassen Küng und sein Team den Abend in der Anlieferung ausklingen. Dort, wo das Herz des Kurtheaters schlägt.