Ein Herbstmorgen in Freienwil. Die letzten Nebel steigen den Siggenberg empor, die Sonne scheint in den alten Dorfkern. Dieser ist schön und einzigartig, was er einem historischen Glücksfall verdankt: Das ursprüngliche Strassendorf (der heutige Ortskern) bekam 1946 auf der «Startlinie» zur breiten Motorisierung der Bevölkerung seine «Umfahrung» – die allerdings heute eher einer Trennline zwischen einem Ost- und einem Westteil der Gemeinde entspricht. Aber sie erfüllt noch immer voll und ganz ihre Funktion.
Diesen Dorfkern mit planerischen und rechtlichen Mitteln zu erhalten, war bereits im ersten Zonenplan der Gemeinde aus dem Jahr 1969 ein Thema. Er definierte insbesondere auch, wo auf dem Gemeindegebiet gebaut werden darf und wo nicht. Inzwischen gilt in Freienwil eine Bau- und Nutzungsordnung (BNO) aus dem Jahr 1990. «Eine 32 Jahre alte BNO ist ein Dinosaurier», sagte Planer Samuel Flückiger vom «Kollektiv für Architektur, Raum und Ort» aus Brugg anlässlich eines Informationsrundgangs für die Bürgerinnen und Bürger am vergangenen Samstag. Flückiger zeigte auf, welche Anpassungen die neue BNO für den Dorfkern bringen soll. Wahrgenommen wurde der Anlass vor allem von Grundeigentümerinnen und -eigentümern. Insgesamt gibt es nicht weniger als hundert entlang der Dorfstrasse.
Ausserordentlich gut erhalten
Ziel sei, weiterhin das «ausserordentlich gut erhaltene» Ortsbild mit seinen charakteristischen Vorgärten zu schützen, so Vizeammann Urs Rey, der verantwortlich für das Thema BNO ist. «Aber: Wir wollen nicht, dass das Dorf zum Museum wird.» Aus diesem Grund soll die Zahl der heute bestehenden Baulinien reduziert und damit mehr gestalterischer Raum innerhalb der Leitplanken des Ortsbildschutzes geschaffen werden. So haben die Planer den Ortskern neu in zwei Bauzonen unterteilt. Die Zone 2 steht für Entwicklung und gilt dort, wo es nicht viel Schützenswertes gibt – so östlich der Hauptstrasse im Gebiet Alte Ehrendingerstrasse. Das «Schlössli» und der Bauernhof daneben sind zwar geschützt, aber als Teil der Landwirtschaftszone unter einem anderen Rechtstitel.
Ebenfalls zur Dorfzone 2 soll das heutige Baugebiet W2 am Ende der Dorfstrasse in Richtung Hertenstein werden. Hier will man sicherstellen, dass künftig Bauten mit Satteldächern entstehen, deren Traufen sich parallel zur Strasse orientieren – wie das im Dorfkern der Fall ist. Laut Planer Samuel Flückiger bringt diese Auflage Bauherren den Vorteil einer grösseren Ausnutzung ihrer Grundstücke. Generell will man lieber lange Baukörper als hohe Bauten. Im Gegensatz zu anderen Gemeinden in der Umgebung gibt es in Freienwil keine viergeschossigen Häuser – der Charakter eines Bauerndorfs konnte so in den Neubauquartieren beibehalten werden, was auch die neue BNO zum Ziel hat.
Der Rundgang löste bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern viele Fragen, aber auch Kritik und Befürchtungen aus. Was kann man in der Dorfzone 1 überhaupt baulich noch verändern? Ist das Korsett der Vorschriften nicht zu eng geschnürt? Wie steht es um den Objektschutz bei einer Liegenschaft, welche leer steht und seit Jahren nicht unterhalten wird?
Andere Teilnehmende empfanden den in den Vorgaben bewusst enthaltenen Ermessensspielraum als Unsicherheitsfaktor. Was ist, wenn sich die Zusammensetzung des Gemeinderats ändert? Könnte da nicht die Schraube wieder angezogen werden?
Mitwirkung bis Mitte Dezember
Gemeindeammann Othmar Suter und Vizeammann Urs Rey nahmen sich der Fragen auf dem Rundgang, aber auch im Rahmen einer anschliessenden Tasse Kaffee im Gemeindehaus an. Dort liegen zu den normalen Öffnungszeiten die Entwürfe zur neuen BNO auf – sie sind ebenfalls auf der Homepage der Gemeinde zu finden, genauso wie die Daten weiterer Infoanlässe zum Thema. Bis zum 16. Dezember läuft ein Mitwirkungsverfahren, in dessen Rahmen man sich recht formlos mit Kritik, Anregungen – aber auch mit einem «Ich finde die BNO gut» – einbringen kann.