Dem Unbehagen ins Auge blicken

Wo fühlen sich die Menschen in Baden sicher, wo nicht? «Die Mitte-Frauen» haben dieses wichtige Thema auf ihre politische Agenda gesetzt.
Sarah Wiederkehr, Sylvia Schibli, Stadtrat Matthias Gotter, Martina Dvoracek (Verein Lares) und Moderatorin Gabriela Barman. (Bild: cd)

In einer Umfrage wollte es die zehnköpfige Arbeitsgruppe der Mitte-Frauen Baden genau wissen: Welches sind sogenannte Angsträume auf dem Schulweg, auf Strassen, auf öffentlichen Plätzen und in den Quartieren der Stadt Baden, und wie könnte man diese vorbeugend «entschärfen»? Mit ihrer Umfrage hätten sie offene Türen eingerannt, berichtet Sarah Wiederkehr, die Mitglied der Arbeitsgruppe ist. Das Thema Angsträume ist eines von fünf Unterthemen, welche derzeit unter der Federführung der Mitte-Frauen bearbeitet werden. Denn ein gesellschaftsfreundlicher Wirtschaftsstandort Baden benötigt vielseitige Rahmenbedingungen, davon sind die Frauen überzeugt.

Platz eins fürs Bahnhofsareal
Das Badener Bahnhofsareal liegt mit 29,2 Prozent mit Abstand auf dem ersten Rang. Darauf folgen wenig befahrene Strassen, Parkplätze und -häuser sowie Situationen im öffentlichen Verkehr (Fahrgäste und Verkehrsteilnehmende). Mehr als ein Drittel der Befragten fühle sich generell im öffent­lichen Raum unsicher. Es seien vorwiegend Frauen und jüngere Personen, sagte Sylvia Schibli an der öffentlichen Infoveranstaltung vom 27. Oktober in ihrer Begrüssung. Um die Angsträume ermitteln zu können, hatte die Arbeitsgruppe im Zeitraum von Juni bis August Frauen zwischen 18 und 61 Jahren befragt.

Diese Umfragen wurden von Kurzinterviews flankiert. Am 17. September wurden am Badener Wochenmarkt Passantinnen und Passanten spontan auf ihr subjektives Sicherheitsgefühl in der Stadt angesprochen. Ihre Antworten, auf zwei Stadtkarten visuell dargestellt, bilden die Situation sowohl nachts als auch tagsüber ab. Plätze oder Passagen, wo Aufenthalt oder Querung für Unbehagen sorgen, erhielten runde Kleber. Frauen und Männer bekamen dabei Sticker in zwei verschiedenen Farben, die sie auf die beiden Stadtkarten kleben konnten. Rasch wurden sogenannte Hotspots in Baden ausgemacht oder bestätigt, aber auch Bedürfnisse identifiziert, die helfen könnten, das Sicherheitsgefühl zu steigern. Am Infoabend stellte das Komitee auch einige der anonymisierten Antworten aus den Gesprächen vor.

Die befragten Teenagerinnen und Frauen sowie einige Männer gaben an, dass insbesondere aggressiv gestimmte Gruppen, die Vorbeigehende anpöbeln, für Unsicherheiten und Ängste sorgten oder dass sie bestimmte Plätze, wie die Unterführung Schulhausplatz beim 7-Day-Shop, den Theaterplatz oder den Lift beim Limmatsteg sowie die Limmatpromenade nach Möglichkeit oder zumindest im Dunkeln meiden. Gerade bei letzt­genanntem Ort spielt auch die spärliche Beleuchtung eine Rolle.

Polizei und Jugendarbeit
Auch in öffentlichen WCs und vielen Unterführungen sowie am östlichsten Eingang zum Kappelerhof-Quartier fühlten sich viele nicht sicher, und die Aussenbühne beim Kurtheater sei als Drogenumschlagsplatz bekannt. Hingegen werden Plätze wie der Kurpark oder Bars und Restaurants mit durchmischtem Publikum nicht als Angsträume eingestuft. Ebenfalls zu Wort kamen Velofahrerinnen und -fahrer. «Ich fühle mich stellenweise unsicher als Velofahrer, so zum Beispiel entlang der Schartenstrasse» oder: «Meine Kinder sind auf dem Schulweg vom Martinsberg-Quartier zum Tannegg verunsichert durch die E-Trottis», lauteten die Antworten.

An der Diskussionsrunde auf dem Podium nahmen auch Martina Dvoracek von «Lares» (Verein für gender- und alltagsgerechtes Planen und Bauen) sowie Stadtrat Matthias Gotter (Die Mitte, Öffentliche Sicherheit) teil. Diskutiert wurden bestimmte Situationen und die Lage auf öffentlichen Plätzen in Baden. Gotter bestätigte, dass der Polizei viele der genannten Hotspots bekannt seien und es allein an Freitagen zu 60 bis 70 polizeilichen Interventionen komme. Auch die Jugendarbeit leiste ihre Arbeit und helfe mit, die volatile Lage – bekannte Hotspots verschieben sich oft – abzubilden. Er verwies auch auf die aktuelle Plakatkampagne der Badener Stadtpolizei «Prävention durch Präsenz». Das Präventionskonzept war im September 2020 vom Einwohnerrat gutgeheissen worden. Dabei arbeitet die mobile Jugendarbeit mit der Polizei zusammen, zeigt in der Stadt Präsenz und kommt in den Austausch mit Jugendlichen.

Parteiübergreifend wichtig
Patrouillen durch die Stadt kosten die Stadt einen fünfstelligen Betrag pro Jahr. Auch bauliche Verbesserungen wie Beleuchtungssituationen habe die Polizei eruiert und sei im Begriff, sie bald zu verbessern. Die Umfrage der Mitte-Frauen hat nochmals deutlicher aufgezeigt, was Frauen sich wünschen, um sich wohler zu fühlen. Dazu gehöre ein sensibilisiertes Bewusstsein von Männern gegenüber deren Ängsten und Unwohlsein. Eine gute soziokulturelle Durch­mischung, Aufklärung in den Schulen, Selbstverteidigungskurse und eine längere Querungszeit für Fussgänger auf viel befahrenen und grossen Strassen sind Anregungen, welche die Auswertung der Umfrage hervorbrachten. «Das ist von parteiübergreifender Wichtigkeit», fasst es eine der interviewten Frauen zusammen. Die engagierten Mitte-Frauen in Baden erachten das Thema ebenfalls als äusserst wichtig und haben den Mut, dem Unbehagen ins Auge zu blicken.