«Ich bin sehr stressresistent»

Ein 66-jähriger Parteiloser, der beruflich zähe Verhandlungen gewohnt war, stellt sich für den Gemeinderat zur Verfügung.
Als Hundebesitzer ist Urs Wieland – hier auf dem Lengnauer Dorfplatz – «Hudelwetter» gewohnt. (Bild: bkr)

Seit letztem Herbst sind vier in den fünfköpfigen Lengnauer Gemeinderat gewählte Personen von ihrem Amt zurückgetreten – zuletzt im Oktober ­Vizeammann Marcel Elsässer (SP) und Gemeinderätin Hanni Jetzer (FDP). Sie begründeten ihren Schritt mit der schlechten Stimmung in der Gemeinde. Rasch wurde klar, dass weder die FDP noch die SP ihren Sitz verteidigen werden. «Wir möchten keine Kandidatin beziehungsweise keinen Kandidaten dieser Stimmungslage aussetzen und verheizen», sagte Hanspeter Hubmann, Co-Präsident der SP Zurzibiet. Für den Wahlgang vom 15. Januar hat sich aber der parteilose Urs Wieland angemeldet.

Internationale Verhandlungen
Wer ist Wieland? «Ich bin 66 Jahre alt, verheiratet und lebe seit 15 Jahren in Lengnau, wo wir ein Einfamilienhaus zu kaufen gefunden haben», erzählt er. Gearbeitet hat Wieland unter anderem mehr als zwanzig Jahre lang im Management der Division Securities Services der SIX Group. Sie ist für die Abwicklung der Börsentransaktionen im In- und Ausland verantwortlich und ist von den Regulatoren als systemrelevant eingestuft. Unter den vielen wichtigen Funktionen, die Urs Wieland bei SIX ausgeübt hat, ist mit Blick auf ein Gemeinderatsmandat sicher jene des Leiters Regulatory Affairs & Business Development interessant. In dieser Funktion bildete er die Schnittstelle zu den nationalen und internationalen Aufsichtsbehörden und vertrat SIX und den Schweizer Finanzplatz in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien und Verbänden. Verhandlungen zu führen, Allianzen zu suchen und Kompromisse zu finden, war über lange Jahre sein Alltag. Als Beispiel nennt der die Verhandlungen zum Code of Conduct der europäischen Finanzmärkte.

Sitzungen bis zum Morgengrauen
Der Code sollte seinerzeit als eine Selbstregulation der Börsen und Finanzmarktinfrastrukturen implementiert werden und wurde von der EU-Kommission eng begleitet. Schnell wurde aber klar, dass bei Verstössen keine Sanktionsmöglichkeiten bestanden, weshalb die EU später auf Stufe Gesetz eingegriffen habe. Wieland war in Brüssel Lobbyist für SIX und in dieser Funktion auch Teilnehmer an Verhandlungen im Rahmen der Regulierungen. «Dabei ging es um viele Kompromisse und selten um die vollumfängliche Umsetzung der eigenen Position.» Dies und die Dauer der Verhandlungen – Sitzungen bis zum Morgengauen – habe ihn stressresistent gemacht, so Wieland.

Hobbys? Kultur – das Ehepaar ist bei der Zürcher Tonhalle Mitglied – und zwei Hunde. Einer war einst Versuchstier in einem Labor, der andere Strassenhund. Daneben gehört das Reisen innerhalb der Schweiz und in Europa mit dem eigenen Oldtimer-VW-Bus zu seinen Interessen.

Veränderungsprozess
Was ist Wielands Motivation, sich für den Gemeinderat zur Verfügung zu stellen? «Zwei Dinge», sagt er. «Ich habe Zeit, und ich würde mich gerne beim aktuellen Veränderungsprozess in der Gemeinde Lengnau aktiv mitarbeitend einbringen.» Was er beispielsweise im «Futurum» gesehen habe, zeige ihm, wie zukunftsgerichtet sich die Gemeinde entwickeln will. Lengnau habe viel zu bieten – ein reges Vereinsleben sowie eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr.

Apropos Surbtal: Was sagt Urs Wieland zum Thema Fusion? «Eine solche dürfte Sinn machen – bedingt aber eine breite Abstützung», erklärt er. Geld spare man mit einem Zusammenschluss nicht, aber die Verwaltungsarbeit könne professionalisiert werden, und Personalprobleme – auch in der Politik – würden kleiner. Wieland ist parteilos – wo aber würde er sich positionieren? «Ich bin ein Liberaler.» Und er finde, in der Gemeindepolitik gehe es primär um die Sache und nicht um Parteien. Sorgen macht ihm, dass bei zwei vakanten Gemeinderatssitzen nur er kandidiert. Freuen würde er sich, wenn Leute aus dem Umfeld der Referenden bereit wären, aktiv im Gemeinderat mit­zuarbeiten. Für gute Resultate sei ein «Spannungsumfeld» alles andere als schlecht.