«Jeder kann über Kunst sprechen»

Sarah Merten, Leiterin der Galerie im Gluri-Suter-Huus, hat grundsätzlich vor jedem Kunstwerk Respekt. Weil jedes eine Geschichte erzählt.
Zieht keine Grenze zwischen Profis und Nichtprofis: Sarah Merten, Leiterin Galerie im Gluri-Suter-Huus. (Bild: ef)

Kinderlachen aus dem im Riegelhaus untergebrachten Kindergarten empfängt die Besucherin, als sie dieses betritt. Mit diesem Willkommensgruss in den Ohren steigt sie hoch zu den oberen Räumen der Galerie im Gluri-Suter-Huus (GSH). Fünfzig Jahre ist es her, seit diese gegründet wurde – Jahrzehnte, in denen sich die Gemeindegalerie mit ihren in verschiedenen Geschossen situierten Räumen als eine lokal verankerte sowie überregionale etabliert hat. Eben erst ging das Jahr 2022 zu Ende – doch die beliebte Kunstschau 5430 mit Werken einheimischer Kunstschaffender wird noch einige wenige Tage im Januar 2023 zu sehen sein.

Vom Theater zur bildenden Kunst
Mit Freude und Stolz blickt die Leiterin der GSH, Sarah Merten, auf das vergangene, ereignisreiche Jubiläumsjahr zurück, in das sie gelegt hat, was ihr Herzensanliegen ist: Die Besucherinnen und Besucher Erfahrungen machen zu lassen im Umgang mit bildender Kunst. «Es geht mir immer um Anbindungen an die eigenen Erfahrungen», sagt Sarah Merten und ermutigt damit all jene, die sagen: «Ich versteh nichts von Kunst. Die ist etwas für Fachleute.» Falsch. «Alle können über Kunst sprechen», betont Sarah Merten, die seit 2019 von Zürich nach Wettingen pendelt, um ein 20-Prozent-Pensum als GSH-Leiterin wahrzunehmen.

Das ist doch verrückt, denkt man, und führt sich vor Augen, wie viele Ausstellungen – auch in Kooperation mit dem Animationsfilmfestival Fan­toche – in der Gemeindegalerie zu sehen sind. Ob Einzel- oder Doppelausstellungen: Sie alle zeugen von Sarah Mertens Leidenschaft für die Kunst. Dabei, bekennt sie lächelnd, habe sie im Gymnasium nicht gewusst, was sie werden wolle. Sie war im Musischen sehr bewandert, hat Violine gespielt und «uugern» Theater gestaltet. Als sie im letzten Jahr am Gymi einmal unterwegs war und ihrer Theaterlehrerin begegnete, erwähnte diese eine neue Fachrichtung: Museumspädagogik. Ob das vielleicht das Richtige sein würde? Sarah Merten war neugierig – und studierte Kunstgeschichte, Geschichte sowie Pädagogik an der Universität Zürich. Nach ihrem Studienabschluss war sie unter anderem im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, im Kunstmuseum Bern sowie an der Hochschule Luzern – Design & Kunst tätig.

Planen, kommunizieren – und  kreativ sein
In Schaffhausen war Markus Stegmann, heute Leiter des Museums Langmatt, ihr erster Chef; in Bern war Kathleen Bühler ihre Vorgesetzte. Für Sarah Merten haben beide «die Vermittlungsrolle von Kunst perfekt ausgefüllt». Bei Stegmann habe sie unter anderem auch gelernt, selbst winzige Details zu beachten. Zum Beispiel? «Es spielt durchaus eine Rolle, wo die kleinen Schilder neben den Bildern platziert sind. Da können Millimeter entscheidend sein.» In Schaffhausen hat sie aber auch entdeckt, wie wichtig Kommunikation, Beziehungspflege und soziale Kompetenz sind. Alles unabdingbar, wenn man – wie sie – Leiterin der Wettinger Gemeindegalerie ist. «Dieser Beruf hat zwei Seiten», sagt Sarah Merten: «Man muss planen und kommunizieren sowie gleichzeitig kreativ sein.» Wie sehr, zeigt sich in der enormen Breite der Ausstellungen. Für Sarah Merten ist zweierlei ausschlaggebend: die lokale Verankerung, die sich exemplarisch in der Schau mit den Urban Sketchers zeigt, und das Entwickeln von Gefässen, zu denen etwa die Doppelausstellungen mit überregionalen Kunstschaffenden zählen.

Die erste von ihr kuratierte Ausstellung fiel 2020 auf die Zürcher Kunstschaffenden Marc Elsner und Klodin Erb, die beide mit Techniken der klassischen figurativen Malerei auf sozialkritische Themen der Gegenwart verwiesen. Anders als früher gestaltet Sarah Merten Doppelausstellungen aber nicht getrennt, sondern als Einheit. Dabei achtet sie genaustens darauf, «wer wen ergänzt, denn dadurch ergeben sich spannende Erzählungen». Weshalb ist die Wettinger Gemeindegalerie für sie überhaupt reizvoll? «Hier kann so viel stattfinden.» Mit der oft zitierten Provinz darf man ihr nicht kommen; dieser Begriff sei längstens überholt, winkt sie ab und kommt auf das zu sprechen, was sie unbedingt erwähnt haben möchte: Respekt. Will heissen: «Es gibt keine Wertigkeit der unterschiedlichen Gefässe.»

Respekt vor dem Werk
Sarah Merten verdeutlicht dies am Beispiel der Kunstschau 5430. «Hier sind Werke von 77 Personen vereint, für die Kunst eine zentrale Rolle spielt. Wo soll ich die Grenze zwischen sogenannten Profis und Nichtprofis ziehen?» Sie zieht keine, weil sie grundsätzlich vor jedem Kunstwerk Respekt hat. Denn jedes erzählt etwas, was Besucherinnen und Besucher aufgrund eigener Erfahrungen unterschiedlich interpretieren. «Kunst löst Emotionen aus», sagt Sarah Merten. Und das wird mit Sicherheit auch 2023 so sein.

Bis 8. Januar: Kunstschau 5430
Galerie im Gluri-Suter-Huus, Wettingen
glurisuterhuus.ch