Zeus tobt. Der Zorn des Göttervaters ist bis auf die Erde zu spüren. Aus einem dunklen, grollenden Himmel zucken helle Blitze. Die Erde zittert, und die Menschen ziehen sich verängstigt in ihre Behausungen zurück. Einer sitzt unter ihnen, der ist ein Halbgott. Und ihm, Prometheus, gilt der Zorn des Zeus. Vielleicht kennen Sie diesen griechischen Mythos: Prometheus erschuf die Menschen und beschenkte sie mit Feuer, das er Zeus gestohlen hatte. Mir geht es um die Rache des Zeus
Leiden soll nicht nur Prometheus, sondern gleich die ganze Menschheit. Die Strafe des Göttervaters kommt in der Gestalt einer verführerischen Frau daher. Selbstverständlich. Wie oft erzählen unsere Geschichten von schönen Frauen, die ihre Männer oder gar die ganze Menschheit ins Unglück stürzen? Wäre das keine Kolumne, so würde ich jetzt bei Adam und Eva anfangen und über die «Femme fatale» und Sexismus in mythologischen Erzählungen nachdenken. Stattdessen aber zurück zu Prometheus’ Bruder Epimetheus. Selbstverständlich verliebt sich der Narr auf der Stelle in das von Zeus gesandte Wunderwesen. Ihr Name ist Pandora, und sie hat ein Kästchen dabei, das man, Sie ahnen es, auf keinen Fall öffnen darf. Und – selbstverständlich – wird es dann von der neugierigen Pandora geöffnet, sodass daraus alles Unglück über die Menschheit kommen kann: Schmerz, Krankheit und Tod, Krieg, Neid und Hunger. Doch wissen Sie, wie der Mythos weitergeht? Pandora gelingt es, ihre Büchse wieder zu verschliessen. Etwas leise Pochendes bleibt darin. Die Hoffnung.
Wieso die Hoffnung? Ist Pandora so böse, dass sie der Menschheit das einzig Gute aus ihrem Kästchen vorenthält? Oder ist das Gegenteil der Fall: Meint es Pandora gut mit den Menschen, indem sie sie vor Hoffnung bewahrt, die doch nur unglücklich macht? Selbstverständlich – aber lassen wir das. Jemand, vielleicht sogar Pandora, muss den Deckel nochmals geöffnet haben. Jetzt ist sie unter uns, die leise pochende Hoffnung. Und ich hoffe, dass Sie reich damit beschenkt werden in diesem neuen Jahr.
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