Zu Besuch in der neuen Residenz

Im Zimmermannhaus entsteht die Ausstellung «Mansarde und Souterrain». Das Publikum ist eingeladen, ganz unkompliziert daran teilzuhaben.
Verwandlung: Künstlerin Petra Njezic und Andrea Gsell, Leiterin Zimmermannhaus, in der früheren Bibliothek. (Bild: aru)

Als Andrea Gsell an diesem Morgen die Treppe zu ihrem Büro hochsteigt, staunt sie nicht schlecht: An der Wand hängt eine Leinwand mit einem grossen dunkelgrauen Punkt. «Oh, das sieht ja ganz anders aus!», habe sie gedacht, erzählt die Leiterin Zimmermannhaus Kunst & Musik schmunzelnd. Für diese und weitere Überraschungen sorgen derzeit zwei Künstlerinnen. Petra Njezic (33) und Davina Andrea Deplazes (23) haben sich in den Räumlichkeiten eingenistet. Dass sie hier nicht nur arbeiten, sondern einen grossen Teil ihres Alltags verbringen, zeigen Hausschuhe ebenso wie eine Matratze mit Schlafsack drauf und ein Koffer.

Prozesse sichtbar machen
Seit dem Auszug der Stadtbibliothek in den Effingerhof steht das Zimmermannhaus vollumfänglich als städtisches Kulturhaus zur Verfügung – für eine Zwischennutzung von drei Jahren. «In dieser Zeit wollen wir experimentieren und sehen, was an dieser Lage und in diesen Räumlichkeiten möglich ist», sagt Andrea Gsell. Zum Start dieser Phase hat sie das neue Format «Open Residency» lanciert. Ein bestimmtes Vorbild dafür hatte sie nicht. «Ich habe überlegt, wie wir in diese aufregende Zeit der Zwischennutzung starten und das Zimmermannhaus mit Leben füllen könnten», sagt die 48-Jährige Kuratorin, die zu 65 Prozent bei der Stadt angestellt und daneben als Kunstschaffende tätig ist. Am Format der offenen Residenz habe sie «die Haltung, auszuprobieren, gemeinsam zu wirken und dies auch zugänglich zu machen» begeistert.

Seit dem 3. Januar sind Petra Njezic und Davina Andrea Deplazes im Zimmermannhaus am Wirken. Inspiriert von den Räumlichkeiten vor Ort, entsteht ihre Kunst für die Ausstellung «Mansarde und Souterrain», die am 25. Februar eröffnet wird. Bis dahin kann das Publikum ab dem 25. Januar jeweils am Mittwoch von 18 bis 20 Uhr auf unkomplizierte Weise teilhaben an der Entstehung des umfassenden Werks. Dass der künstlerische Arbeitsprozess sicht- und erlebbar wird, ist Andrea Gsell ein grosses Anliegen. «Man darf und soll das traditionelle Ausstellungsmodell, bei dem ausschliesslich ‹fertige› Werke zu sehen sind, hinterfragen», erklärt sie. Es gehe nicht einfach darum, Bilder auf- und dann wieder abzuhängen. «Während der künstlerischen Arbeit fliessen Ideen und Elemente ein und werden weiterverarbeitet – oft ein Leben lang.» In der «Open Residency» liege der Fokus deshalb nicht auf dem Moment, wo es heisst «Bühne auf!», sondern auf dem Weg, den die Kunstschaffenden bis zur Ausstellung zurücklegen. «Es ist wichtig, den Raum fürs Experimentelle zu öffnen», betont Gsell, «und zu zeigen, dass man nichts Neues schafft, ohne immer wieder mal zu scheitern.» Auch in Zukunft will Andrea Gsell stärker auf die Prozesshaftigkeit setzen. Die aktuellen Diskussionen um die Nachhaltigkeit in der Kunst beschäftigen sie. In diesem Zusammenhang hat sie etwa entschieden, eine Ausstellung pro Jahr weniger zu machen und diese dafür länger – rund acht Wochen – laufen zu lassen. Im Zimmermannhaus seien immer wenige Werke zu sehen, die zum Verweilen einladen. «Ich möchte Aufenthaltsqualität bieten», so Gsell. Das strebt sie zudem mit dem Vermittlungsprojekt «Aussenzimmer» an, welches Brugger Schulklassen mehrmals jährlich ins Zimmermannhaus führt. Auch der offene Kurs «Yoga in der Kunst», der jeden Donnerstagmorgen um 9 Uhr stattfindet und von Maya Rey geleitet wird, trägt zur kreativen «Bewohnung» des Hauses bei.

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Eintauchen in eine andere Welt
Bevor sie ihre Residenz antraten, hatten sich Petra Njezic und Davina Andrea Deplazes erst einige wenige Male zur Vorbesprechung getroffen. Das Arbeiten im selben Haus – Njezic im Dachstock und im Erdgeschoss, Deplazes im ersten Stock und im Soutterrain – ist für beide eine neue Erfahrung. «Ich schätze diesen Austausch sehr», sagt Petra Njezic, die ansonsten in ihrem Atelier im Aarauer Kiff tätig ist. Mit ihren Werken verwandeln die beiden Kunstschaffenden das Zimmermannhaus in einen neuen Erfahrungsort. «Dass hier immer wieder eine andere Welt entsteht, ist essenziell», erklärt Andrea Gsell. So trage das Zimmermannhaus mit dazu bei, «die Stadt Brugg spannender, lebendiger und lebenswerter zu machen».