Politik und Familie vereinbaren

Vizepräsidentin Sarah Wiederkehr will im Badener Einwohnerrat die Möglichkeit von Mutterschaftsstellvertretungen schaffen.
Sarah Wiederkehr, Vizepräsidentin des Badener Einwohnerrats. (Bild: zVg)

«Ersatzwahl des Vizepräsidiums des Einwohnerrats für die Dauer von Januar bis und mit 21. März» heisst ein Traktandum der nächsten Sitzung des Badener Stadtparlaments am 31. Januar. Was ist geschehen? Eigentlich Erfreuliches. Sarah Wiederkehr, Vizepräsidentin des Badener Einwohnerrats, ist kürzlich Mutter einer Tochter geworden. Doch das hat Folgen: Die Mitte-Politikerin ist im Mutterschaftsurlaub und wird an den nächsten zwei Sitzungen nicht teilnehmen können, sie muss vertreten werden. Als Vizepräsidentin geht das, nicht aber als Mitglied des Einwohnerrats. Das hat zur Konsequenz, dass ihrer Partei an den beiden erwähnten Abenden bei Abstimmungen eine ihrer Stimmen fehlt. Krass in diesem Zusammenhang: Würde Wiederkehr an einer der Sitzungen teilnehmen, ginge sie ihres Anspruchs auf Lohnfortzahlung verlustig.

Motion aus dem Wohnzimmer
Vor diesem Hintergrund hat Sarah Wiederkehr aus dem Mutterschaftsurlaub eine Motion eingereicht, in welcher sie eine Stellvertretungsregelung für Mitglieder des Einwohnerrats verlangt. Die Basis für eine solche legten die Aargauerinnen und Aargauer im September 2022 mit ihrem klaren Ja zu einer Änderung der Kantonsverfassung, die unmittelbare Wirkung für die Mitglieder des Grossen Rats hat – wo es auch bereits zu einer ersten Stellvertretung gekommen ist. Die aktuelle Badener Einwohnerratspräsidentin Iva Marelli vertritt in Aarau Leandra Kern-Knecht, die im Mutterschaftsurlaub ist.

Eine solche Stellvertretung ist grundsätzlich auch in Gemeindeparlamenten erlaubt. Sie ist bei Mutterschaft, Krankheit oder Unfall möglich und muss zwischen drei und zwölf Monaten dauern. Vertreterin oder Vertreter wird, wer im Fall eines frei werdenden Sitzes auch in den Rat nachrücken würde.

Volksabstimmung nötig
Auf kommunaler Ebene fehlt diese Regelung bisher kantonsweit. Der Grund? Die Umsetzung eines entsprechenden Einwohnerratsbeschlusses bedingt eine Änderung der Gemeindeordnung und somit eine Volksabstimmung. So schreibt Sarah Wiederkehr in ihrer Motion denn auch: «Der Stadtrat Baden wird beauftragt, mit der nächsten Überarbeitung der Gemeindeordnung, spätestens aber bis zum 31. Dezember 2024, eine Vertretungsregelung für Mitglieder des Einwohnerrats Baden einzuführen». Übrigens: Der Anstoss zur kantonalen Regelung kam von Kim Schweri – heute Untersiggenthaler Gemeinderätin. Sie hat 2020 als Grossrätin der Grünen das Kantonsparlament verlassen, weil sie in Erwartung ihres zweiten Kindes war. In einer Motion forderte Schweri bei ihrem Austritt aus dem Grossen Rat einen Mutterschaftsurlaub für Politikerinnen – die heutige Regelung in der Kantonsverfassung.