Als im Jahr 2003 die Stelle als Stadtführerin ausgeschrieben war, wusste Silvia Hochstrasser sofort: «Das ist mein Ding!» Die damals 49-Jährige bewarb sich umgehend und durfte den Bereich der Stadtführungen bei der Stadt übernehmen. Um Stoff und Ideen für ihre Rundgänge zu sammeln, habe sie zuerst Unmengen von Literatur über die Bäderstadt verschlungen, erzählt Hochstrasser: «Ich bin eine Leseratte und grundsätzlich sehr neugierig.» Am besten gefiel ihr das Buch «Geschichte der Stadt und Bäder zu Baden» von Bartholomäus Fricker. Auch habe sie fast alle Neujahrsblätter seit 1927 gesichtet. Nicht zuletzt erfuhr sie vieles über Baden aus Geschichten, die ihr die Menschen persönlich erzählt haben. «Wer in Baden zur Schule ging und sich in mehreren Vereinen engagiert, baut automatisch ein Netzwerk auf», ist die Pensionärin überzeugt. Im Archiv sei sie hingegen fast nie gewesen, «dafür bin ich zu ungeduldig», sagt Silvia Hochstrasser.
Seit 2013 selbständig
2013 machte sie sich mit «Baden erleben» selbständig. Seither erlebte Hochstrasser viele Glücksmomente. Einer davon war der Abschied von Pascale Bruderer aus der Politik in Baden, bei dem sie eine Führung machen durfte. «Leider hatte meine Lieblingsbundesrätin Simonetta Sommaruga Verspätung und erschien erst zum Essen», erinnert sich Silvia Hochstrasser. Und welche ist ihre Lieblings-Stadtführung? «Ich liebe berührende Führungen wie die ‹Badener Frauen, die Spuren hinterliessen› oder die dynamische Führung ‹Badener Turmteigwaren und Himbeerbonbons›», erklärt die Stadt-Kennerin. «Aber eigentlich liebe ich alle meine Führungen, denn sie sind ein bisschen wie meine Kinder.»
Und immer wieder entstehen auch neue Ideen. So hat Hochstrasser zum 100-Jahr-Jubiläum der Badenfahrt die Führung «Baden im Festfieber – 100 Jahre Badenfahrt» kreiert. Dabei zeigt sie den Ursprung der Badenfahrt auf, erzählt von vergangenen Volksfesten und beleuchtet, wie Attraktivität und Nachhaltigkeit auch bei der aktuellen Badenfahrt unter einen Hut gebracht werden können. Die rund zweistündige Führung beginnt beim Cordulaplatz und endet im Kurpark. Sie kann ab sofort auf der Website fuehrungenbaden.ch gebucht werden.
Die Stadt Baden ist Hochstrassers absoluter Lieblingsort. «Ich wäre nur schweren Herzens irgendwo anders hingezogen», beteuert die 69-Jährige. Die grüne Oase des Kurparks, die Weite des Theaterplatzes, der urige Teufelskeller, der mystische Haselfriedhof und natürlich das Bäderquartier – «Baden ist einfach einmalig!» Die Stadt habe sich immer mit viel Willen und Aufwand neuen Realitäten angepasst. Baden Nord habe sich enorm entwickelt, das Bäderquartier mauserte sich zu einem Hotspot. Was sollten «Nicht-Badener» unbedingt anschauen? Hochstrasser empfiehlt den Tagsatzungssaal, das Hotel Blume und das neue Bäderquartier, die untere Altstadt sowie Schloss Stein.
Reduziertes Angebot
Mit 69 Jahren tritt Silvia Hochstrasser nun jedoch etwas kürzer. Sie merke langsam, dass ihre Nerven beginnen, ihr Streiche zu spielen, und nach Führungen sei sie jetzt mehr erschöpft als früher. Deshalb reduziert sie ab Juni ihr Angebot und bietet keine öffentlichen Führungen mehr an. «Als Ersatz für die öffentlichen Führungen biete ich nun Kleingruppenführungen an. Gutscheine für öffentliche Führungen können bei einer Kleingruppenführung eingelöst werden», so die engagierte Badenerin.
Montag, Dienstag und Freitag gehören dann definitiv ihren drei Enkelkindern. Silvia Hochstrasser wünscht sich, noch genügend Kraft und Elan zu haben für das regelmässige Hüten: «Ich freue mich darauf, ihre Entwicklung miterleben zu dürfen.» Diese stecken ihrem «Gigo» – so nennen die Kinder ihr Grosi – immer wieder kleine Geschenke zu und sagen geheimnisvoll: «Lueg, das habe ich für dich gemacht.» Zudem freut sich Hochstrasser auf eine Reise nach Australien. «Davon träumte ich schon als Teenager, als ich das Buch ‹Eine Stadt wie Alice› gelesen habe. Nun komme ich hoffentlich endlich ans andere Ende der Welt!»
Auch für die fernere Zukunft hat Silvia Hochstrasser schon vorgesorgt: Sie hat sich auf die Warteliste für eine Wohnung im Regionalen Pflegezentrum Baden (RPB) setzen lassen. Ihrem Lebensmotto «Freude» bleibt sie aber treu. Freude bringe Kreativität, belebe, animiere und mache zufrieden, ist Hochstrasser überzeugt. «Leider sind wir zu einem Volk von Kritisierern und Egoisten mutiert, und das nervt mich immer mal wieder», findet sie.
Noch aber trete sie ja nicht ab, betont Silvia Hochstrasser. «Dafür liebe ich die Geschichte Badens zu sehr. Denn wer Baden schätzt und achtet, macht sich bewusst, wie wichtig eigentlich Geschichte ist. Schliesslich bedeutet Herkunft ja auch immer Zukunft.»