Also die heutige Jugend …

In der Rubrik «Querbeet» beleuchten namhafte Autorinnen und Autoren ein von ihnen gewähltes Thema – und sorgen damit wöchentlich für Inspiration.
In der Rubrik «Querbeet» beleuchten namhafte Autorinnen und Autoren ein von ihnen gewähltes Thema – und sorgen damit wöchentlich für Inspiration.

«Also manchmal, die heutige Jugend», klönte jüngst eine Bekannte. Wie reagiert man dann moderat? Sie ist doch nicht besser, nicht schlechter, als wir es waren? Aber sie hat doch keine Ahnung von Shakespeare, «Hamlet» zum Beispiel. Was soll man entgegnen? Das möge ja sein, aber Shakespeare wäre für das zu erwartende Leben der jungen Personen nun wirklich nicht wichtig. Sie müssten bloss wissen, wie das Böse funktioniere, und nicht, was Hamlet gesagt habe. Das sagte mal Bruno Ganz, der Optimist.

Was aber meint der Pessimist mit realitätsgestähltem Blick? «Also manchmal sehen sie aus wie, ich weiss nicht, wie. Lau und häufig grau, leichenbleich und rabenschwarz gekleidet, wie ‹Nosferatu›-Wiedergänger oder einer Gothic Novel wie dem ‹Schloss von Otranto› von Horace Walpole entsprungen. Sie sind direkt in die Konsumwelt oder in ein Weltschmerz-Modemagazin gelaufen, wo die Mannequins aussehen, als hätte sie Dracula persönlich ausgesaugt und Frankenstein danach präpariert.»

Jetzt nicht übertreiben, bitte. Das sind Ausnahmen. Die heutige Jugend denkt positiv. Positiv denken? Ist das ein Inhalt? Nein, aber sie sind doch karriereorientiert, freuen sich und feiern bunten Perspektiven entgegen. Und nicht alle ernähren sich von digitalem Fast Food oder stolpern in die Lockstofffallen der Werbewirtschaft. Optimismus ist angesagt, auch wenn Woke-Sensibelchen beim Anblick eines Cervelats in Ohnmacht fallen und beim Wort «Mohr» nicht an einen Sumpf, sondern entsetzt an «Onkel Toms Hütte» denken. Oder wenn ein Klebstoff auf Hauptstrassen missbraucht wird und wenn wir älteren Herren als kaltherzige Ursachen von Weltschmerz und Klimaelend uminterpretiert werden.

Es kommt aber noch absurder. Der Verlag von Bernadine Evaristo dachte, er müsse eine Triggerwarnung drucken, weil die Autorin Frauen als «Schreckschrauben» bezeichnete. Aber die gibt es doch, so wie es Männer gibt, die dem Prädikat «Stinkstiefel» und «daueralarmierter Quasselmeier» verdächtig nahekommen. Und vor denen bewahrt uns weder Shakespeare, die heutige Jugend noch das Alter.

info@valentin-trentin.ch