Vom Siggenthal bis ans Nordkap

Andrej Lehmann will mit dem Velo bis ans Nordkap fahren. Pro zurückgelegten Kilometer sammelt er 1 Franken für den Aargauischen Tierschutzverein.
In Dänemark erhält Andrej Lehmann Besuch von Django, der einem Schweizer Camperpaar gehört. (Bild: mpm)

4600 Kilometer und 24‘000 Höhenmeter – das ist die Strecke von Untersiggenthal bis ans Nordkap, die Andrej Lehmann derzeit mit dem Fahrrad zurücklegt. Was als blosse Auszeit mit dem geliebten Velo geplant war, wurde inzwischen viel mehr: «Als ich einen Spendenaufruf eines jungen Mannes sah, der für ein Kinderheim mit dem Velo gefahren ist, kam ich auf die Idee, mich ebenfalls für etwas einzusetzen, was mir wichtig ist: für den Tierschutz», erklärt der 36-Jährige.

Weil das Tierheim des Aargauischen Tierschutzvereins (ATS) in Untersiggenthal während vieler Jahre seinen Hund Madox als Tages- und Ferienhund betreute, war der Begünstigte der Sammelaktion schnell gefunden. Andrej Lehmann richtete auf der Plattform lokalhelden.ch der Raiffeisenbank eine Spendenseite ein. Sein Ziel: pro gefahrenen Kilometer mindestens einen Franken für den ATS sammeln.

Zwei Monate «unbezahlt»
Mit der Route erfüllte sich Lehmann einen langjährigen Wunsch: «Den Rhein von seinem Anfang im Quell­gebiet bis zu seinem Ende in Rotterdam zu begleiten, davon schwärmte ich schon in meiner Lehrabschlussarbeit», erklärt er. Den ersten Teil dieser Strecke hat er bereits vor zwei Jahren absolviert. Nun hat Lehmann, der als Fachmann Soziokultur bei einer Zürcher Baugenossenschaft arbeitet, bei seinem Arbeitgeber eine zweimonatige Auszeit genommen, um die Chance zu ergreifen und Teil zwei zu absolvieren.

Die Route führt durch Deutschland bis in die Niederlande, wo der mächtige Strom in die Nordsee fliesst. Von dort geht es weiter nach Dänemark, anschliessend per Schiff nach Schweden und dann weiter durch Norwegen und Finnland bis zum Ziel, dem Nordkap. Seine Erlebnisse dokumentiert er auf Instagram unter dem Namen @cycling_paw («Velo-Pfote). Seine Partnerin Sandy unterstütze ihn von daheim aus, erzählt Andrej Lehmann: «Sie kümmert sich um die Aktualisierung der Instagramseite und die Verteilung von Flyern für Spendenaufrufe.» Auch sie ist eine leidenschaftliche Tierschützerin.

Das Projekt ist für den veloerprobten Untersiggenthaler eine Heraus­forderung, denn seine bisher längste Tour war eine zehntägige Fahrt entlang der Donau bis nach Linz. Im Vorfeld hat er das nötige Material ausgesucht und ausprobiert und sich mit eintägigen Touren von 100 Kilometern Länge vorbereitet. In der Regel übernachtet er in einem Zelt. Die aktuelle Wetterlage und die andauernde Kälte haben ihn jedoch überrascht, sodass er Angebote wie Warmshowers und Be Welcome genutzt habe: Commu­nitys, bei denen Menschen eine warme Dusche und eine Bleibe für Reisende anbieten, um Erfahrungen und Geschichten von unterwegs auszutauschen und Gleichgesinnte zu unterstützen.

Diese Gemeinschaften seien wichtig, denn das Alleinsein unterwegs sei eine der grössten Herausforderungen, gibt Andrej Lehmann zu: «Ich vermisse es, jemanden dabeizuhaben, um zu reden oder einmal um Rat zu fragen.» Dass er sich unterwegs am Fuss verletzt hat, hält ihn nicht von seinem Ziel ab: Er nimmt jeden Tag, wie er kommt. Aufgeben ist für ihn keine Option.

Tierschutz ist Privatsache 
Mit dem Schild seiner Aktion Cycling-Paw auf dem Gepäckträger fällt Andrej Lehmann auf, und es kommt oft zu Gesprächen mit Interessierten. «Ich werde häufig angesprochen, und es sind mir sogar schon Leute nachgefahren und haben mich gefragt, ob ich wirklich aus der Schweiz sei», bestätigt er. Dank des Schilds erreicht er zudem ein weiteres Ziel seiner Reise: die Menschen für den Tierschutz zu sensibilisieren. Der ATS finanziert sich über Legate, Sach- und Geldspenden, Patenschaften sowie Erbschaften. «Tierschutz ist in der Schweiz etwas, das von Privaten getragen wird», ergänzt Andrej Lehmann.

Umso mehr hofft er darauf, dass viele Menschen sein Projekt unterstützen. «Mit 2000 Franken kann der ATS beispielsweise bei acht Find­lingskatzen eine erste tierärztliche Untersuchung mit Grundimmunisierung, Leukosetest und Antiparasitika durchführen», sagt er. Das Wichtigste beim Tierschutz ist für Andrej Lehmann aber der Grundsatz «Augen auf beim Kauf»: «Sich ein Tier anzuschaffen, ist eine Entscheidung auf Lebenszeit – nämlich auf die Lebenszeit des Tiers», ist er überzeugt.