«Ich habe eine Vision für Brugg»

Sein Engagement für Brugg ist beeindruckend. Im September lädt Geiger Sebastian Bohren zum ersten Brugg-Festival ein. Der Vorverkauf läuft.
Sebastian Bohren leitet das Brugg-Festival 2023. (Bild: zVg | Marco Borggreve)

Längst sind die Stretta Concerts ein viel beachteter Teil des Aargauer Kulturlebens. Seit 2007 verwirklicht der in Umiken aufgewachsene Sebastian Bohren mit diesen Konzerten einen musikalischen Traum nach dem anderen. Das sehr zur Freude des hiesigen Publikums, das den Geiger, der heute mit seiner Familie in Zürich wohnt und von dort aus konzertierend die ganze Welt bereist, mit vollen Kirchen belohnt.

Ausgewogenes Programm
Das hat Bohren motiviert, in Brugg nach weiteren Sternen zu greifen. So schenkt der Geiger seiner Heimatstadt vom 2. bis 9. September ein erstes Brugg-Festival. Dieses soll fortan alljährlich stattfinden und grosse Werke der Musikliteratur in den Kontext mit spannenden Entdeckungen, Musik aus dem Aargau und zeitgenössischen Stücken stellen. «Gerade im ersten Jahr des Festivals habe ich mich bemüht, möglichst bekannte Werke aufzunehmen», erklärt Sebastian Bohren. «Denn die Leute sollen sich vom Programm angesprochen fühlen.»

Das Konzept des neuen Festivals steht damit ganz in der Tradition der Stretta Concerts, die ein niederschwelliges Programm anstreben, das auch Menschen, die ansonsten Berührungsängste haben, zur klassischen Musik führt. Einen gravierenden Unterscheid gibt es aber. «Während ich von den Stretta Concerts ganz persönlich profitiere, indem ich tolle Musik mit hochkarätigen Kolleginnen und Kollegen umsetzen kann und selbst auftrete, stehe ich beim Brugg-Festival als Solist deutlich weniger im Zentrum.» Er nehme ganz bewusst die Rolle des Programmleiters ein, so der Musiker.

Ein Blick ins Programm zeigt: Zu seinem Brugg-Festival holt Sebastian Bohren eine Reihe von eigenwilligen, charismatischen Musikerinnen und Musikern nach Brugg. «Es sind alles Menschen, die ich persönlich kenne und schätze und welche die gleiche Leidenschaft für die Musik haben wie ich», sagt er. Das Festival eröffnen wird der Schweizer Klarinettist Reto Bieri. «Er verweigert sich dem auf Erfolg ausgerichteten klassischen Konzertbetrieb und geht seinen eigenen musikalischen Weg», schwärmt Bohren. Nebst Werken von Frank Martin und Antonín Dvorák spielt Bieri die Erstaufführung von «Letters to friends» von Giya Kancheli – «einem ergreifenden Stück», wie Sebastian Bohren betont. Begleitet wird der Klarinettist vom Georgischen Kammerorchester Ingolstadt, das dem Brugger Konzertpublikum bereits vertraut ist. Auch den bekannten Schweizer Pianisten Andreas Häfliger holt Sebastian Bohren nach Brugg. Er spielt gemeinsam mit seiner Frau, der Flötistin Marina Piccinini, einen wechselnden Duoabend. Das Festival beschliessen werden die derzeit weltweit gefeierten Chaarts Chamber Artists, begleitet von Maximilian Hornung, Violoncello, Sarah Christian und Sebastian Bohren, Violine, und Oliver Schnyder am Klavier.

Eine Selbstverständlichkeit ist für Sebastian Bohren die Egalität von Frauen und Männern im Konzertbetrieb. So setzt er bereits beim Eröffnungskonzert mit der jungen Schweizer Dirigentin Lena-Lisa Wüstendörfer «ein feines Statement», wie er sagt. Auch die französische Saxofonistin Valentine Michaud, die seit 2010 in der Schweiz lebt, holt der Geiger nach Brugg. Das in klassischen Konzerten selten zu hörende Instrument erklingt solistisch in Alexander Glazunovs Konzert für Saxofon und Streicher und in der Ballade für Saxofone und Orchester von Frank Martin. «Mir ist wichtig, dass beim Brugg-Festival Dirigentinnen und Dirigenten, Solistinnen und Solisten, Musikerinnen und Musiker ganz selbstverständlich gemeinsam und ausgewogen im Programm vorkommen», betont Sebastian Bohren.

Dirigiert am Brugg-Festival: Lena-Lisa Wüstendörfer. (Bild: zVg | Dominic Büttner)

Kooperation mit den Schulen
Als Solist wird ebenfalls der russische Pianist Konstantin Lifschitz zu hören sein, der in den vergangenen Monaten aufgrund seiner Auftritte in seinem Heimatland kritisiert wurde. «Ich kenne Konstantin schon sehr lang und habe viel mit ihm über den Krieg gesprochen», erklärt Sebastian Bohren. «Ich kenne seine Einstellung sehr genau und halte deshalb an seinem Auftritt am Brugg-Festival fest.»

Besonders am Herzen liegt Sebastian Bohren die Vermittlungsarbeit. So organisiert er in Kooperation mit der Schule und der Musikschule Brugg unter dem Begriff «Fifty five minutes» eine Reihe von Mittagskonzerten, bei denen nicht nur sehr junge Talente wie Edna und Romy Unseld und Ilva Eigus auftreten, sondern auch verschiedene Musikstile zu hören sind. Die Schülerinnen und Schüler können bei Probebesuchen, Vorabaufführungen und im Austausch mit den Musikerinnen und Musikern einen Einblick erhalten. Mit dem Einbezug der Schulen wolle er einen weiteren wesentlichen Beitrag für die klassische Musik leisten, erklärt Festivalleiter Bohren. «Junge Menschen für die Musik zu begeistern, ist für mich etwas vom Allerwichtigsten», sagt er. So könne er der Stadt und der Musikschule, die ihn in jungen Jahren gefördert und in seinem Tun bestärkt hätten, etwas zurückgeben. «Das Engagement für die Jugend soll zu einem Merkmal von Brugg-Festival werden», betont der Geiger. Leiten wird das Vermittlungsprogramm der bekannte Mozart-Experte Walter H. Rambousek, der viele erfolgreiche Förderungsprojekte initiiert hat.

Aufwendige Finanzierung
Was die Finanzierung des Festivals angeht, weicht Sebastian Bohren etwas vom Konzept der Stretta Concerts ab. Diese basieren auf Kollekten und bringen im Durchschnitt vierzig Franken pro Konzertbesucher ein. Beim Brugg-Festival muss der Musiker, auch aus Gründen der Unterstützungsgelder, die Eintritte voraussetzen, «mit moderaten Preisen arbeiten», wie der 36-Jährige sagt. Am Credo, dass hochkarätige klassische Musik allen Menschen zugänglich sein solle, wolle er aber festhalten. Deshalb ist der Stargeiger mit Brugger Wurzeln auf breite finanzielle Unterstützung angewiesen. «Ein Festival ist teuer», sagt er, «und die Suche nach Sponsorinnen und Sponsoren aufwendig.» Nebst den grossen Unterstützungsbeiträgen, die unter anderem von der Stadt Brugg kämen, sei er froh um jeden Franken, der von Unternehmen und Privatpersonen in die Festivalkasse fliesse.

Mit dem Brugg-Festival hat Sebastian Bohren noch Grosses vor. Für 2024 sind eine Open-Air-Oper in der Hofstatt und ein Symphoniekonzert im Campussaal in Planung. Woher nimmt der Geiger, der selbst an Konzerten auf der ganzen Welt auftritt, die Energie für ein solches Festival? «Ich bin Vater geworden, habe nun eine Familie, und ich bin energiegeladener als je zuvor», sagt er lachend. Vielleicht sei das seiner «extremen Lust, sich bedingungslos für die Musik zu engagieren» zu verdanken. «Und ich habe eine Vision für Brugg», fügt er an. «Ich will zeigen, was mit dieser Stadt alles möglich ist.»

Brugg-Festival
2. bis 9. September
bruggfestival.ch

Stretta-Konzert: Romanian Chamber Orchestra und Cristian Macelaru
Montag, 5. Juni, 19.30 Uhr

Stadtkirche Brugg
strettaconcerts.com