«Eine riesige Chance für uns»

Als erste der vier Surbtaler Gemeinden entscheidet Schneisingen morgen Abend über 30 000 Franken für die vertiefte Fusionsprüfung.
Gemeindeammann Adrian Baumgartner ist seit elf Jahren im Amt. (Bild: Archiv | is)

Die Gemeinden Endingen, Lengnau, Schneisingen und Tegerfelden möchten eine Fusion prüfen. Als erste der vier Gemeinden stimmt morgen Freitag Schneisingen über einen Bruttokredit von 60 000 Franken für eine vertiefte Fusionsprüfung des Projekts «Kompass Surbtal» ab – der Kanton übernimmt die Hälfte der Kosten, also 30 000 Franken. Die Schneisinger Stimmberechtigten entscheiden zudem über weitere wichtige Projekte wie die Sanierung des Gemeindehauses und einen neuen Doppelkindergarten. Gemeindeammann Adrian Baumgartner (46), der gleichzeitig Vizepräsident des Leitungsausschusses von «Kompass Surbtal» ist, spricht im Interview über sein Bauchgefühl, den Widerstand der SVP, Kritik an der Gemeinde und eine Steuererhöhung.

Adrian Baumgartner, der Entscheid in Schneisingen wird Signalwirkung für die drei anderen Partner haben. Was, wenn Ihr Dorf Nein zum Kredit sagt?
Es wäre sehr schade, wenn wir jetzt schon ausstiegen. Nun haben wir die grosse Chance, in diesem Tal die Zusammenarbeit zu prüfen. Dabei geht es ja nicht um die Fusion selbst, sondern um die vertiefte Prüfung. Bei einem Nein von Schneisingen kann es sein, dass die anderen gemeinsam weitergehen, und wir müssten uns neu orientieren. Möglicherweise könnten wir bei der «Perspektive Surbtal» ebenfalls nicht mehr mitmachen. Dort besteht ja bereits eine Zusammenarbeit in einigen Bereichen. Und wir sind im Leitungsausschuss von «Kompass Surbtal» alle gleichberechtigt, agieren auf Augenhöhe.

Die Haltung im Leitungsausschuss ist: Wenn eine Randgemeinde Nein sagt, geht es trotzdem weiter. Lehnen Endingen oder Lengnau den Kredit ab, ist das Projekt gestorben.
Stand heute ist das tatsächlich so. Dann ist das Thema für viele Jahre gestorben. Die Beteiligten haben sehr viel Zeit investiert. Ich glaube nicht, dass sie nochmal für einen Neubeginn zu motivieren wären.

Was sagt Ihr Bauchgefühl hinsichtlich Schneisingen?
Da wir in Schneisingen keine Ortsparteien haben, ist es nicht ganz einfach, den Puls zu spüren. Aber grundsätzlich bin ich optimistisch. 

In Tegerfelden kämpft die SVP sehr aktiv gegen das Projekt.
Warten wir die Gemeindeversammlungen ab, dann kennen wir die Ausgangslage und können sie analysieren. Wir nehmen alle Meinungen ernst und nehmen sie auf: Auch die SVP ist in der Arbeitsgruppe willkommen, um ihre kritische Haltung einzubringen. Wir hoffen, dass sich im Tal noch weitere Parteien committen. Es gab ja im Rahmen der Zurzacher Fusion Gegner. Doch selbst die grössten Kritiker sagten, dass allein der Prozess der Prüfung sehr wertvoll gewesen sei. 

Apropos Zurzach: Die neue Gemeinde plant ein grosses Verwaltungszentrum. Wäre das ebenso im Surbtal geplant?
Ganz klar, nein. Alle vier Gemeinden haben funktionierende Gemeindehäuser. Es ist sehr gut vorstellbar, dass wir hier in Schneisingen eine Abteilung hätten.

Das Schneisinger Gemeindehaus soll saniert werden. Weshalb ist das so umstritten?
Seit knapp vierzig Jahren wurde hier nichts gemacht. Man muss dringend isolieren, im Winter arbeitet die Verwaltung manchmal bei 16, 17 Grad Raumtemperatur. Die Sanierung an sich ist unbestritten, die Frage war: aussen oder innen? Eine Sanierung der Aussenhülle ist aufgrund des Denkmalschutzes der benachbarten Kapelle nicht möglich. Im Erdgeschoss ist ein neuer Vereinsraum geplant, der den Vereinen viel bessere Möglichkeiten eröffnet. Die Musik­gesellschaft muss jetzt beispielsweise im muffigen Untergeschoss proben. Das Frauenforum braucht dringend Platz und möchte hier den Chnöpflihöck oder die Spielgruppe weiter anbieten. Wenn die Fusion zustande kommt, müssen wir die Sanierung nicht mehr thematisieren. Eine neue Gemeinde würde kaum als Erstes unser Gemeindehaus sanieren.

Die Gemeinde hatte am Mittwoch vor Auffahrt einen Infoabend zur Gemeindeversammlung angesetzt – ein ungünstiger Zeitpunkt, weil gleichzeitig einige Vereinsanlässe stattfanden.
Das ist tatsächlich nicht ideal gelaufen. Von der Flurbegehung der Landwirte wussten wir leider nichts, der Anlass der Männerriege ist uns hingegen tatsächlich entfallen. Als die Überschneidungen bemerkt wurden, waren bereits Flyer gedruckt. Die Musik hatte die Möglichkeit, vor oder nach der Probe zu kommen. Grundsätzlich ist es schwierig, einen Termin zu finden, der allen passt.

Auch der geplante Neubau eines Doppelkindergartens ist umstritten, und zwar im Hinblick auf eine Steuerfusserhöhung von 112 auf 115 Prozent.
Der Kindergarten, der im Gemeindehaus untergebracht ist, wird ab dem neuen Schuljahr in zwei Abteilungen geführt. Der Kindergarten ist ohnehin zu klein und entspricht nicht den heutigen Standards. Der Antrag zur Steuererhöhung wird aber so oder so kommen, das haben wir an der Sommergmeind 2022 angekündigt. An der Budgetgemeindeversammlung im Herbst wird die Bevölkerung da­rüber abstimmen. Ja, wir haben den höchsten Steuerfuss im Tal. Bei einer Befragung der Neuzuzüger, welches die wichtigsten Kriterien für die Wahl ihrer Wohngemeinde seien, waren die Steuern nicht unter den ersten drei. Am wichtigsten war die Wohnlage und die Nähe zum Arbeitsplatz, dann die ÖV-Verbindungen – wir sind super erschlossen – sowie eine gute Infrastruktur inbesondere bei der Schule. Erst dann kommt der Steuerfuss.

Was ist der Grund für die Steuererhöhung?
Wir wollen, dass die Verschuldung nicht weiter ansteigt. Ausserdem: Alle Gemeinden im Umkreis investieren derzeit, Lengnau, Endingen und Tegerfelden haben Millionenprojekte. Sämtliche Unterlagen zu den Finanzen aller Gemeinden sind im Übrigen auf der Website kompass-surbtal.ch im Grundlagenbericht aufgeschaltet und für alle zugänglich.

Schneisingen hat einige Projekte, die schon länger pendent sind. Wie ist der Stand bei der BNO-Revision oder bei Tempo 30?
Die BNO geht in vielen Gemeinden über Jahre, das ist ein langer Prozess. Wir haben den Entwurf kürzlich zur letzten Prüfung beim Kanton eingereicht. Bei Tempo 30 gab es wegen personeller Wechsel im Gemeinderat eine Verzögerung, aber wir arbeiten daran. Wir werden an der Gmeind über alles informieren. Man darf sonst jederzeit fragen, wenn etwas unklar ist.

Erwarten Sie eine «heisse» Gemeindeversammlung?
Ich hoffe auf eine grosse Beteiligung und dass alle Ansichten geäussert werden. Es wäre schön, wenn wir fair und sachlich diskutieren und unsere Meinungen austauschen könnten. 

surbtal.ch/kompasssurbtal