Stolz, Botschafter für die Schweiz zu sein

Curling-Vize-Europameister und «Sport-Botschafter» Romano Keller-Meier (28) ist Gastredner an der Bundesfeier seiner Heimatgemeinde.
«Sport-Botschafter» Romano Keller-Meier im Einsatz. (Bild: zvg)

«Wenn wir mit unserem Team Brunner an ein Turnier im Ausland reisen, bin ich nicht nur der Romano aus Ehrendingen, sondern wir sind ‹das Team aus der Schweiz›. Zwar gibt es ausserhalb von Europa immer noch viele, die uns mit Schweden verwechseln – das ist tatsächlich so! Aber die Reaktionen sind durchweg positiv. Grundsätzlich erfahren wir als Schweizer sehr viel Wohlwollen und spüren, dass unser Land einen guten Ruf geniesst. Wir sind uns bewusst, dass wir mit unserem Verhalten an den Turnieren nicht nur unser eigenes, sondern auch das Image der Schweiz beeinflussen. Faires und freundliches Auftreten, gemeinsam um Siege zu kämpfen, das ist für uns selbstverständlich. Institutionen wie die Sporthilfe, die Spitzensportförderung der Armee oder Swiss Olympic, aber auch unsere Teamsponsoren investieren in uns als Aushängeschilder der Schweiz. Wir sind sehr stolz, Botschafter für die Schweiz im Ausland zu sein.

Wir Schweizer werden häufig als bodenständig, bescheiden oder gar unauffällig wahrgenommen. Das ist mir grundsätzlich ­sympathisch, denn genau so bin ich auch im unteren Dorfteil in Ehrendingen auf dem Klonhof aufgewachsen. Ich empfinde es als Privileg, in der Schweiz geboren zu sein, und dass ich in einer intakten Familie an einem schönen Ort wie Ehrendingen unbeschwert aufwachsen durfte, mit viel Liebe, Verständnis und Zeit.

Unser Curling-Team repräsentiert wie kaum ein anderes die Schweizer Vielfalt. Unsere vier Teammitglieder kommen aus ganz verschiedenen Landesteilen – Skip Michael Brunner aus St. Gallen, unser neuer Mitspieler Andreas Gerlach aus Bassersdorf, Anthony Petoud aus Lausanne und ich aus dem Aargau. Da wir während der Partien ein Mikrofon tragen und unsere Konversationen auf Lautsprecher übertragen werden, hört das Publikum auch, dass wir mal Englisch, mal Französisch oder Deutsch reden – und erst noch in unterschiedlichen Dialekten. Auf diese Mehrsprachigkeit werden wir oft angesprochen.

Genauso unterschiedlich wie unsere Sprachen sind die Charektere in unserem Team. Jeder gibt Vollgas für das Team, aber jeder braucht etwas anderes, um Bestleistungen vollbringen zu können. Gerade im Teamsport ist es unerlässlich, dass man Verständnis und Vertrauen zueinander hat.

Die Schweizer Hymne können wir alle singen. Das wird im Curling schon den Junioren beigebracht, häufig als Teil der Trainingswochen im Sommer oder Winter. Ich habe als Kind viel Sport am Fernsehen geschaut, und Medaillenfeiern waren immer sehr emotional. Wenn man dann später selber auf dem Podest steht und «Trittst im Morgenrot daher» singt, ist das ein ganz besonderer Moment: Da gehen einem die vielen Stunden harten Trainings durch den Kopf, wie viel man investiert hat für den Erfolg, wie man von seinem Umfeld unterstützt wird und was man mit dem Team alles erlebt hat … Ob man mitsingt, sollte eine persönliche, individuelle Entscheidung sein. Unabhängig davon, ob man mitsingt oder nicht, gibt man sein Bestes, fürs Team, für sich, für die Schweiz.

Schweizerkreuz im Logo: Romano Keller-Meier im Team-Outfit. (Bild: zVg)

Im Ausland soll man sehen, dass wir uns mit der Schweiz identifizieren. Im Logo unseres Teams haben wir deshalb bewusst ein Schweizerkreuz ins «B» für Brunner gesetzt. Als wir uns letzte Saison neu formieren mussten, haben wir uns stark mit unserer Identität und unseren Werten auseinandergesetzt, sozusagen unsere Team-ID definiert. Und wir haben gemerkt: Da steckt sehr viel Schweiz drin! Werte wie Zuverlässigkeit, Toleranz, Mehrsprachigkeit, Pünktlichkeit und bodenständiges Arbeiten werden darin symbolisiert. Aber auch Innovation ist uns wichtig. Wir sollten weitertreiben, was unsere Eltern und Grosseltern ihrem Zeitgeist entsprechend aufgebaut haben. Im Curling-Team Brunner bedeutet dies, dass wir immer wieder neue Ideen kreieren und neue Wege finden wollen, die uns weiterbringen. Wir probieren neue taktische Spielzüge aus oder neuartige Trainings­methoden wie die Neurobrille. Man muss aus seiner Komfortzone ausbrechen und etwas riskieren, um weiter zu kommen. Und bei aller sympathischen Bescheidenheit dennoch die grossen Ziele nicht scheuen. Und wenns einmal nicht gut kommt, kann und soll man daraus lernen.

Wenn ich im Ausland bin, vermisse ich vor allem die Berge. Häufig spielen wir an Orten, wo die Landschaft flach ist. In vielen Ländern haben die Städte kaum Geschichte, es gibt keine Altstadt wie in Baden oder Bern, wo man mal gemütlich sitzen und einen Kaffee trinken kann. Dann ist es ein schönes Heimkommen, wenn man über die Alpengipfel fliegt. Wenn wir länger verreisen, etwa an Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele, nehmen wir schon mal Käse, Trockenfleisch oder Aromat mit, um uns möglichst zuhause zu fühlen.

Als Kind träumte ich davon, an der kanadischen Curling-Meisterschaft teilzunehmen, die sportlich fast einen höheren Stellenwert als eine WM geniesst. Ich wollte eine Kanadierin heiraten, um den Pass zu erhalten und mitspielen zu dürfen. Diese Vorstellung ist schon lange Geschichte. Je älter ich werde, desto mehr schätze ich die Schweiz. Mehr als das, was wir hier haben, geht nicht. Im Mai habe ich nun meine Frau Andrea – eine Bernerin – geheiratet und ihren Namen angenommen. Kinder werden irgendwann ein Thema, und dann profitieren wir von einem sehr guten Schulsystem. Unser Land bietet Sicherheit. Wir haben Seen, Berge, Städte, Landschaften.

Mein Lebensmittelpunkt hat sich etwas in Richtung Bern verschoben. Wann immer möglich, statte ich aber meiner Heimatgemeinde Ehrendingen – der ich mich immer noch sehr verbunden fühle – einen Besuch ab. Darum ist es für mich eine grosse Ehre, dass man mich als Festredner bei der Bundesfeier angefragt hat. Ich freue mich über diese Wertschätzung und darauf, viele bekannte Gesichter zu sehen.»