Ich senke meinen Blick ins Blau, tauche tief ins glitzernde Schaukeln. Ganz leicht fliegt mein Herz in den Wind, jagt mit den Schwalben über den See. Es ist schön hier. Unfassbar schön! Schicht um Schicht pinselt die Nacht Dunkelheit auf das Wasser. Grau und schwer liegen die Berge am Horizont. Nur einen gibt es, der will partout nicht schlafen: Schneeweiss strahlt der Mont Blanc über dieser Szene, très, très blanc.
Ein Sommerabend im Parc de l’Indépendance in Morges. Wir sitzen unter einer mächtigen Blutbuche am Ufer, und ich möchte Wurzeln schlagen mit dieser uralten Baumriesin: sie erzählen lassen von den adeligen Erbauern des Parks, von der Noblesse dieser sorgfältig aus der ganzen Welt zusammengesuchten Baumkinder, von Liebespaaren, Trostsuchenden und waadtländischen Revolutionären. Wie gelassen sie allen Schutz und Schatten spendet! Selbst der grossen Starenschar, die sich plappernd und pöbelnd auf den Ästen niederlässt. Es sieht aus, als legte sich auf jedes Blatt ein Blatt, als wollte sich der ganze grosse Baum zitternd und zeternd davonmachen …
In den Ferien entdecke ich Dinge, über die ich normalerweise hinwegblicke. Ich habe Zeit und nichts, was meine Gedanken in eine effiziente Ordnung zwingt. Noch nie bin ich so bewegt im Badener Kurpark gesessen, obwohl die Blutbuchen dort ebenso schön sind wie in Morges. Schade eigentlich. Denn Schönheit entsteht dort, wo wir sie finden. Sie braucht keine Perfektion. Sie braucht nur wache Sinne. Gerade wenn der Alltag uns fordert und die Nachrichten aus der Welt bedrückend sind, gibt Schönheit uns Kraft. Vielleicht lässt sie uns staunen, vielleicht einen Moment lang vergessen, vielleicht vertrauen, dass wir Dinge zum Besseren wenden können.
Fest halte ich die Hand meines Liebsten, ganz fest, und tanze mit den Fledermäusen in die schwarzblaue Nacht.
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