«Der Kokon bietet mir Schutz»

Die Badener Elektropop-Künstlerin Annakin über das brandneue Album «Cocoon» und ihre Konzerte an der Badenfahrt.
Die Popsängerin Ann Kathrin Lüthi (48) alias Annakin lebt seit drei Jahren wieder in ihrer Heimatstadt Baden – unweit der Ruine Stein. (Bild: rhö)

Annakin, haben Sie den Veröffentlichungstermin Ihres neuen Albums nach der Badenfahrt gerichtet?
Es ist ein schöner Zufall, dass ich am 18. August um 19.30 Uhr mitten auf der Badstrasse spielen kann. Ich hatte es natürlich gehofft und ein bisschen darauf spekuliert, dass ich eine solche Auftrittsmöglichkeit bekommen würde, aber der Wunsch musste erst einmal in Erfüllung gehen.

Auf welchen Bühnen kann man Sie erleben?
Die Roadbühne steht an der Ecke Badstrasse/Hirschlistrasse, und am Ende der Badenfahrt treten wir vor der reformierten Kirche im Salon Vert meiner Freunde vom Verein Baradore auf. Ich fühle mich hier in Baden sehr willkommen und zu Hause, was nicht selbstverständlich ist, wenn man zwischenzeitlich 23 Jahre abwesend war.

Was darf das Publikum an der Badenfahrt von Ihren Konzerten erwarten?
Beim ersten Konzert werden wir etwa 40 Minuten spielen. Das ist relativ kurz, weshalb wir uns auf eine Art «Best of» mit ein paar neuen Songs beschränken müssen. Im Salon Vert können wir ein normales Set spielen und dabei fast das ganze Album «Cocoon» vorstellen. Besonders freue ich mich, die Ballade «The Love The Love» zu singen, die von Baden während Covid handelt. Das wird bestimmt ein spezieller Moment für mich.

Welche Assoziationen weckt bei Ihnen der Albumtitel?
Der Kokon ist ja der Ort, welcher der Raupe Schutz bietet, damit sie sich in Ruhe in einen Schmetterling verwandeln kann, oder mir, damit ich die Dinge, die mich beschäftigen, in Songs verwandeln kann. Gefährlich wird es, wenn die Songs das Studio verlassen und auf einem Album veröffentlicht werden! (lacht)

Brauchte es viel Mut, nach der Auflösung der Zürcher Trip-Hop-Band Swandive solo weiterzumachen?
Ich habe mich insofern geschützt, als ich mein erstes Album als Solokünstlerin Annakin erst herausgebrachte, als ich damit total zufrieden war. Deshalb hat es auch fünf Jahre gedauert, bis «Falling Into Place» erschienen ist. Letztlich war das ein Vorteil, weil ich besser wusste, was ich will und was nicht.

Auf den Fotos zum neuen Album sehen Sie aus wie ein dem Meer entstiegenes Fantasy-Wesen oder eine Figur aus dem Carnevale von Venedig. Wie kam es dazu?
Das Zeitalter der künstlichen Intelligenz (KI) hat begonnen, und der Fotograf Christian Amman, der auch mein Ehemann ist, setzt sie bereits ein. Er hat mithilfe des Programms Midjourney, das es seit einem Jahr gibt, Studioaufnahmen von mir gemacht und mit Motiven aus dem Internet passend zum Thema Cocoon verschmolzen.

Dann gibt es kein verrücktes Kostüm, das Sie auf der Bühne tragen?
Doch, aber es ist nicht ganz so verspielt wie auf den verfremdeten Fotos. Ein befreundeter Modedesigner aus dem Tessin, dessen Kleider ich immer wieder in meinen Videos trage, hat es mir zu Weihnachten geschenkt.

Sie haben «Cocoon» in Paris und Oxfordshire aufgenommen, in einer Weltstadt und auf dem Land. Welchen Einfluss hatte dieser Kontrast?
Die Vorproduktion fand in der «Wolf Cabin», dem Studio meines englischen Produzenten Ed Harcourt, statt. Ein toller Ort, an dem man experimentieren und seine Kreativität ausleben kann. In den La Frette Studios gab es die grossen Mischpulte für die Schlussproduktion. Mir war es wichtig, den richtigen Sound zu finden, der einen wie ein Kokon in Watte hüllt. Wo Studios stehen, spielt eigentlich keine Rolle. Da die Mieten so teuer sind, arbeitet man, bis man beinahe umfällt, und hat gar keine Zeit, die Umgebung zu erkunden.

Weshalb haben Sie «Silenceland» als Single gewählt?
«Silenceland» ist für mich eine weite und mystische Landschaft, in der eine Menge Sehnsucht liegt. Ausserdem ist es ein eingängiger, poppiger Song, den auch Ed und die Plattenfirma als Single für geeignet hielten.

Was für ein Verhältnis haben Sie als Badenerin und Künstlerin zur Badenfahrt?
Als Besucherin ziehe ich Events in kleinerem Rahmen vor, aber die Badenfahrt ist einzigartig. Besonders gefällt mir, wie viel Herzblut in die Beizen gesteckt wird, und das riesige Angebot an Tanz, Theater und Musik. Damit hebt sich Baden von Anlässen wie dem Züri Fäscht ab. Ich bin gespannt, was der Zeitgeist – besonders im Hinblick auf die Ökologie – mit dem Fest macht. Ich finde es super, dass kein Feuerwerk stattfinden wird. Die Badener haben gemerkt, dass es einfach nicht mehr zeitgemäss ist.

Welche Jungenderinnerungen verknüpfen Sie mit dem Fest der Feste?
Ich erinnere mich noch speziell gut an eine Szene: Ich war etwa 14 Jahre alt und spazierte mit einer Freundin die Halde hinauf, als uns zwei Jungs, die etwa im gleichen Alter waren, mit Klebeband aneinanderfesselten. Das ging so schnell, dass wir gar nicht wussten, wie uns geschah. Wir fielen um und konnten uns vor Lachen kaum halten.

Stimmt es, dass Sie zu Beginn Ihrer Karriere mit Adrian Stern Musik gemacht haben?
Ja, wir gingen in Baden in die gleiche Kanti und Bezirksschule. Wir waren zwar nie in der gleichen Klasse, spielten aber oft gemeinsam kleine Konzerte.

Sind Sie noch in Kontakt?
Letztes Jahr hat mich Adi zum «Song Circle» in die Stanzerei eingeladen. Es war das erste Mal seit längerer Zeit, dass wir zusammen auftraten, bestimmt 15 Jahre. Es war ein super Erlebnis und wirklich wie früher. Wir haben wie in unseren Anfängen auch einen Song von Sinéad O’Connor gecovert.

Sind Sie schon in jungen Jahren an einer Badenfahrt aufgetreten?
Nein, das waren nur Konzerte in kleinerem Rahmen. Ich bin 1997 nach Zürich gezogen und habe mit Swandive nie an der Badenfahrt gespielt, dafür später mehrfach als Annakin.

Wie haben Sie Ihre herausfordernden «Musicbox»-Konzerte mit dem Argovia Philharmonic vor zwei Jahren in der «Druckerei» in Erinnerung?
Es gab ein paar Dinge, die etwas komplexer waren, aber ich hatte keine Probleme, auf dem Drehteller zu performen.

Er hat Sie also nie heruntergeschleudert?
Nein! Wobei: Einmal hat ein Techniker den Regler auf die falsche Seite gedreht. Dann ist der Teller relativ schnell geworden. Ich hatte Mühe, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Da habe ich ein wenig Blut geschwitzt, aber nur für ein paar Sekunden. (lacht)