Tischlein deck dich fein mit Lein

Sandra Scherer aus Stilli brachte sich das Nähen selbst bei. Besonders angetan ist sie von Leinenstoffen, aus denen sie Unikate herstellt. Neueröffnung von Tisch 12 im Strübihus an der Unteren Hofstatt 6 in Brugg.
«Leinen muss man anfassen können»: Sandra Scherer in ihrem Ladenlokal in Brugg. (Bild: zVg | Hans-Joachim Witt)

Sandra Scherer verbrachte einen Teil ihrer Kindheit im Bündnerland. Den Walserdialekt beherrscht sie perfekt. «Den spreche ich aber nur, wenn ich im Prättigau bin», erklärt sie. Auf dem Bauernhof ihrer Grosseltern verbrachte sie ihre ersten sechs Lebensjahre bis zur Einschulung in Effretikon im Kanton Zürich. «Ich hatte eine glückliche Kindheit und bin wie im Bilderbuch aufgewachsen», sagt Sandra Scherer in Erinnerung an die unbeschwerte Zeit auf dem Land.

Die einprägsamen Erlebnisse in ihrer naturverbundenen frühen Kindheit dürften dazu beigetragen haben, dass sie ihre kreative Ader auszuleben begann. An ihrem 16. Geburtstag bekam sie von ihrer Grossmutter, ihrem Nani, eine Nähmaschine geschenkt. Der Teenager brachte sich daraufhin das Nähen selbst bei, und bald stand der Berufswunsch fest: Schneiderin. Ihre Mutter riet ihr davon ab, Sandra Scherer entschied sich für eine Grafiklehre, machte sich mit 27 Jahren selbstständig und zog später in den Aargau. «Beruflich fiel mir immer alles ganz leicht. Ich habe gefühlt noch nie in meinem Leben gearbeitet», erzählt sie.

Die Hände rufen
Ihre Grafikagentur florierte 24 Jahre lang und bescherte berufliche Erfüllung und finanzielle Sicherheit. «Corona setzte meine Firma auf null. Auf einmal plagten mich Existenzängste», äussert sich die Wahl-Stillemerin zu diesem Tiefpunkt. Wie viele andere in dieser Zeit ging sie in sich und zog persönliche Bilanz. Schliesslich hörte sie auf ihre Hände: «In diesem Abschnitt kam mein erster Berufswunsch erneut ins Spiel. Es beglückte mich, wieder an der Nähmaschine zu sitzen und mit den Händen zu arbeiten.»

Der Entscheid war gefasst. Sie folgte dem Ruf ihrer Hände und begann zu nähen. Kurz darauf eröffnete die Macherin 2022 ihr eigenes geräumiges Atelier in Untersiggenthal im Stroppel-Areal. Dort entwirft und fertigt sie Servietten, Tischtücher, Schultertaschen und Brotbeutel unterdessen auf professionellen Nähmaschinen und ausschliesslich aus ihrem Lieblingsmaterial. «Leinen überzeugt mich in vielen Punkten. Es ist der umweltfreundlichste Stoff und schneidet in der Ökobilanz viel besser ab als Baumwolle. Von der Flachspflanze kann alles verwendet werden, und ausserdem gibt sie Nährstoffe an den Boden zurück, statt ihn auszulaugen», zählt die 53-Jährige einige Vorteile des ergiebigen Naturprodukts auf.

Individualisiertes Tafeltuch
Ihre Tischwäsche und handgefertigten Produkte vertreibt sie auch online. Ihre Kundschaft schätze es, sagt Sandra Scherer, dass die Stoffmuster für Servietten und Tischdecken aus einer grossen Varietät ausgesucht sowie persönlich bevorzugte Farbkombinationen eigens zusammengestellt werden könnten. Dafür steht eine Auswahl von über 60 Leinen­stoffen zur Verfügung, welche die Autodidaktin aus England bei Merchant & Mills Ltd. bezieht. «Leinen sieht zu jeder Gelegenheit elegant und frisch aus», ist Sandra Scherers Überzeugung. Nur der Standort ihres Ateliers auf dem abgelegenen Stroppel-Areal in Untersiggenthal sei für ihr Ladenkonzept nicht ideal. «Es hat leider keine Laufkundschaft.»

Auf der Suche nach einer geeigneteren Lage bewarb sie sich unter anderem für die Alte Post in Brugg. Die Zusage erhielt sie schliesslich für das Strübihus. Dort hat sie im Juli ihr zweites Ladenlokal eingerichtet. Im Sortiment führt sie hochwertige Leinenstoffe als Meterware, handgefertigte Leinenartikel sowie auserlesene Trouvaillen verschiedenster Art und Herkunft – vorwiegend aus umweltfreundlicher und fairer Produktion. Am Samstag ist die offizielle Eröffnung. Sandra Scherer wird zu diesem Anlass eine Spezialität aus dem Bündnerland nach Geheimrezept ihrer Nani auftischen: eine Hommage an den Ursprung ihrer Inspiration.

Samstag, 19. August, ab 11 Uhr
Untere Hofstatt 6, Brugg