Eine Nacht lang in der Kultur schwelgen

Am kommenden Samstag wird Brugg zum Mekka der Kultur. Das reichhaltige Programm der zweiten Kulturbrugg macht Lust, Neues zu entdecken.
Das Hotel Anderswo im Zimmermannhaus Brugg lässt Gastfreundschaft anders erleben. (Fotomontage: zvg | Silja Dietiker)

Kennen Sie das Gefühl, in einer selbst gebauten Hütte zu liegen und die Welt draussen kaum noch wahrzunehmen? Oder sind Sie als Kind schon mal unter den Tisch gekrochen und haben diesen eigenartigen Raum erforscht? Haben Sie jemals Objekte sprechen hören? Stellt es Ihnen die Nackenhaare auf, wenn Ihnen jemand ins Ohr flüstert? Trauen Sie sich, an fremden Orten zu übernachten?: Mit diesen Zeilen wirbt das Kunstprojekt «Hotel Anderswo», das anlässlich der Kulturbrugg im Zimmermannhaus eröffnet wird.

Spezielle Gastfreundschaft
Das temporär eingerichtete Hotel hebt den Zweck des Ausstellungsorts spielerisch auf. Eigens eingerichtete Schlafnischen laden zum Übernachten ein, befragen die Grenze zwischen Individuum und Gruppe und unterlaufen die gewohnte Anonymität eines Zimmers im «richtigen» Hotel. Die Einladung zum gemeinsamen Mahl, eigentlich nichts Ungewohntes in der Gastronomie, folgt eigenen Regeln unter der Regie des Künstlerkollektivs, bestehend aus Maria Bänziger, Silja Dietiker, Edgar Leciejewski und Lea Gygli. Die drei Etagen des Hauses sind dabei unterschiedlichen Nutzungen zugeordnet. Vom Erdgeschoss mit der Rezeption gelangt man im ersten Stock zur grossen, für verschiedene Nutzungen vorgesehenen Tafel und weiter hoch zu den Schlafbehausungen. Es liegen Hotelzeitungen aus, es stehen Postkarten zur Verfügung, tatsächliche und fiktive Erinnerungen an Aufenthalte in Gasthöfen sind hörbar, und das erste Mahl hinterlässt als Cyanotypie eine Spur im Tischtuch der langen Tafel.

Mit dem unterschiedlich dosierbaren Mass an Rückzug und Teilhabe, mit den durchlässigen Grenzen zwischen Beobachten und Mitwirken, mit der gemeinsamen Bezugnahme auf Dinge, Klänge, Fiktion und Erinnerung rückt Kunst ins Zentrum eines gemeinschaftlichen Erlebens: Mit «Hotel Anderswo» erprobt das Zimmermannhaus mittels Gastfreundschaft eine Alternative zu Alleingang und (Kunst-)Kritik. Das Vorhaben richtet sich an Hotelästhetinnen, Über-den-Tellerrand-Denkende, Abenteuerschläfer, Gourmets und Liebhabende der Fiktion. Eröffnet wird das Hotel im Rahmen der Kulturbrugg am Samstag, 28. Oktober. Jeweils um 18, 19, 20, 21 und 22 Uhr lädt das Hotelpersonal zur Eröffnung ein. Nach dem «Fast Check-in» an der Rezeption stehen Short Trails an der Hotelbar, Sekundenschlaf auf dem Fixleintuch, italienische Popzückerchen von Tiano Dolce und «Speed-Networking» auf dem Programm. Animatoren führen durchs Hotel und sorgen für Unterhaltung. Wer sich auf eine Übernachtung mit Frühstück einlassen möchte, kann unter hotelanderswo.com oder unter kulturbrugg.ch buchen.

Improtheater und Tango
Nebst einer Hoteleröffnung bietet die Kulturbrugg vom kommenden Samstag weitere Höhepunkte. Im Salzhaus zeigt der in Brugg aufgewachsene Andrin Rehmann seine Live Visuals, begleitet wird er dabei vom Jazz-Funk-Trio 3 Flats (der «General-Anzeiger» berichtete). Im Campus spielt Coralie Ehinger auf dem Theremin und lädt ein, das 1920 erfundene magische Instrument, das viele Komponistinnen und Komponisten inspiriert hat, zu entdecken. Das Cinema Excelsior zeigt, live begleitet vom Siggenthaler Jugendorchester, den Stummfilm «The Blacksmith» von Buster Keaton. Improtheater gibts gleich an zwei Orten zu sehen. In der Galerie Immaginazione spielt Linde Beciri mit dem Verein Einstück, in der Dampfschiffbar zeigen die Freischwimmer ihr Können. Im Kulturhungermobile zeigen die Wegelagerer – ein Künstlerkollektiv – Aktionskunst und thematisieren Fragen zu Gegenwart und Vergangenheit in Brugg. Die Musikwerkstatt präsentiert mit dem Luscinia Consort tanzende und singende Musik aus dem 18. und 19. Jahrhundert, ebenfalls spielt dort das Balkan-Klezmer-Gipsy-Ensemble Otrava. In den Bewegungsräumen tritt das Musikkabarettduo Loosefit auf, zudem wird Tango Argentino getanzt – mit dem Duo Nuevo. Im Nomad-Café lassen JMO die Kunst des musikalischen Geschichtenerzählens aufleben, während im Odeon Mundart-Poetry-Pop mit Lasla Guzzi stattfindet.

Im Cinema Excelsior vertont das Siggenthaler Jugendorchester (SJO) unter der ­Leitung von Marc Urech live den Buster-Keaton-Stummfilm «The Blacksmith» (Der Hufschmied) mit der Sinfonie Nr. 9 von Antonín Dvořák, «Aus der neuen Welt» (Bild: zVg)

Das Piccadilly präsentiert das Duo Bottermaio, in der Stadtbibliothek erzählt Alexandra Frosio von «Hainz in der Badewanne», ebenfalls präsentiert Bühnenpoet und Historiker Michael van Orsouw Sisis innige Beziehung zur Schweiz, und im Stadtmuseum gibts unter anderem eine literarisch-biografische Taschenlampenführung durch den Stäblisaal. Im Vindonissa-Museum erwacht die  Antike zu neuem Leben, und in der Stadtkirche wechseln sich musikalische und theatralische Darbietungen ab. Ergänzt wird das vielfältige Kulturprogramm mit einem kulinarischen Angebot in der ganzen Stadt.