Was ist das eigentlich: Suchtberatung?

Wer von einer Sucht betroffen ist oder Fragen dazu hat, wird beim BZB plus in Baden kostenlos und kompetent beraten und begleitet.
Ob Spielen, Rauchen, Drogenkonsum oder Alkohol: Von einer Sucht kann jeder und jede im Lauf des Lebens betroffen sein. (Bild: adobestock.com)

Der Kanton Aargau ermöglicht seinen Einwohnerinnen und Einwohnern, dass sie kostenlose Suchtberatungen in Anspruch nehmen können. Ein wichtiges Angebot! Aber für wen ist dieses eigentlich gedacht und geeignet? Und wo kann man sich bei Fragen melden? Dieser Artikel soll einen Einblick in die Tätigkeit der Suchtberatung geben und damit die Hemmschwelle für einen Beratungstermin herabsetzen. Das ist wichtig, gerade wenn man sich der Tatsache bewusst ist, dass es bei Menschen mit Abhängigkeitsproblemen manchmal jahrelang bis jahrzehntelang dauert, bis sie sich Hilfe holen. Der Grund sind oft Schamgefühle. Betroffene und Angehörige zu ermutigen, sich früher zu melden, ist wichtig.

Niederschwelliges und kostenloses Angebot
«Was? Eine E-Zigarette in deiner Schultasche?» «Schon wieder alles Geld verspielt?» «Den Führerausweis entzogen wegen Alkohol?» «Ich habe so ein weisses Pulver gefunden.» «Muss ich mir das gefallen lassen, dass er jeden Abend trinkt?» Das sind lediglich einige wenige Aussagen aus den Beratungen, welche die Mitarbeitenden des Beratungszentrums Bezirk Baden (BZB plus) täglich anbieten. Sie zeigen: Die Themen, mit denen sich die Suchtberatung befasst, sind vielfältig. Fast jeder fünfte Erwachsene in der Schweiz berichtet über einen problematischen Alkoholkonsum, über zu viel oder zu häufiges Trinken. An den Folgen des Rauchens sterben pro Jahr etwa 9500 Menschen in der Schweiz. Die Problematik bei Jugendlichen, die Einweg-E-Zigaretten (Vapes), ist momentan in aller Munde. Und der vermehrte Gebrauch von Social Media und von Games ist ein ständiger Konfliktpunkt in vielen Familien. Eine neue Cannabisregulierung wird diskutiert, und die Verschärfung des Problems des Kokainkonsums verunsichert. 

Und ist der eigene Alkoholkonsum nun im Normalbereich, oder ist er schon problematisch? Wie soll ich das einschätzen? Und wie schaffe ich es, endlich weniger zu trinken oder mich weniger mit dem Handy zu beschäftigen? Wenn Sie mit solchen oder ähnlichen Themen konfrontiert oder Sie oder Ihnen Nahestehende davon betroffen sind, kann eine Beratung bei einer Suchtberatungsstelle hilfreich sein. Geschulte Beratungspersonen stehen Ihnen bei dieser Gelegenheit Rede und Antwort und suchen mit Ihnen nach Lösungswegen. Wer das kostenlose Angebot von Suchtberatungsstellen im Aargau in Anspruch nimmt, darf das im Wissen darum tun, dass die Beratung von qualifizierten Fachpersonen geleistet wird und dass diese der Schweigepflicht unterliegen.

Welche Beratungsformen sind möglich?
Die persönliche Beratung vor Ort wird nach vorgängiger Anmeldung je nach Bedarf im Einzel-, Paar- oder Gruppensetting durchgeführt. Auch Telefonberatung, Onlineberatung per E-Mail oder Video werden angeboten. Wichtig sind zudem die Gruppenangebote für Betroffene und Angehörige. Am Dienstag findet im BZB plus in Baden über Mittag von 12 bis 13 Uhr die offene Suchtsprechstunde statt. Hier ist nicht einmal eine Anmeldung notwendig: Sie können einfach vorbeikommen und anonym Ihr Anliegen oder Ihre Fragen schildern. 

Im Kanton Aargau bieten acht Suchtberatungsstellen ambulante Beratung im Auftrag des Kantons an, geführt von der Aargauischen Stiftung Suchthilfe (AGS) und dem Beratungszentrum Bezirk Baden (BZB plus). Die Beratungsstelle kann – unabhängig vom Wohnort – frei gewählt werden. 

Sarah Steiner Suchtberaterin im BZB plus in Baden. (Bild: zVg)

Sarah Steiner, welche Leute kommen zu Ihnen in die ­Beratung im BZB plus?
Zu mir kommen Menschen aus allen Altersklassen und aus allen Bildungsschichten in die Beratung. Es kommen Menschen, die im Leben eingebunden sind und sich eine Fremdeinschätzung ihrer Situation wünschen. Es kommen aber auch Menschen, die von ihrem Umfeld zur Beratung aufgefordert wurden und selbst nicht wirklich ein Problem sehen, oder Menschen, die in verschiedenen Lebensbereichen stark eingeschränkt sind und Hilfe bei der Arbeits- oder Wohnungssuche benötigen. So vielseitig die Gründe sind, weshalb Menschen Suchtmittel konsumieren oder ein süchtiges Verhalten zeigen, so vielfältig sind die Menschen, die zu mir in die Beratung kommen.

Hélène Neuhaus, Suchtberaterin im BZB plus in Baden. (Bild: zVg)

Hélène Neuhaus, wie läuft eine Suchtberatung ab?
Eine Suchtberatung ist etwas ganz Individuelles, auf den Menschen und seine Bedürfnisse Zugeschnittenes. In welchen zeitlichen Abständen die Beratung stattfindet und wann sie wieder beendet wird, ist abhängig vom Anliegen von der angemeldeten Person. Grundsätzlich geht es darum, herauszufinden, wo die Schwierigkeiten der Person liegen, die sich angemeldet hat, welche Bedürfnisse bestehen und welche Wege gefunden werden können, um die individuelle ­Situation zu verbessern. Auf dieser Basis werden gemeinsam Ziele für die Beratung formuliert. Für manche ist das Ziel die Verminderung des Konsums. Manche möchten ganz aufhören. Wieder andere möchten sich einfach informieren, wie schädlich eine Substanz oder ein Verhalten ist oder wie schlimm der Konsum einer Partnerin, eines Partners oder einer Tochter, eines Sohns ist. Wie auch immer: Das Ziel jeder Suchtberatung ist es, dass es der betreffenden Person besser geht, ihre Lebensqualität steigt, sie Unterstützung hat und sich gestärkt fühlt bei der Entwicklung eines zufriedeneren und gesünderen Lebens. Sollte die Suchtberatung den gewünschten Bedarf nicht decken können, sind wir mit vielen Adressen und Kontakten ausgestattet, um unsere Klientel bei Bedarf weiterzuvermitteln. 

Michael Schwilk, Geschäftsleiter BZB plus, Baden. (Bild: zVg)

Michael Schwilk, weshalb ist es wichtig, sich bei einer möglichen Abhängigkeitsthematik frühzeitig bei einer Suchtberatungsstelle zu melden?
Je früher sich Menschen mit einer Suchtthematik bei uns melden, desto besser sind die Chancen, körperliche, psychische und soziale Folgeschäden einer manifesten Sucht zu verhindern oder zu reduzieren – oder gar deren Entstehung abzuwenden. Diese Schäden betreffen häufig nicht nur die konsumierende Person selbst, sondern auch deren soziales Umfeld in Familie, Beruf und Freundeskreis. Angehörige und Fachpersonen nehmen unter Umständen ein Suchtverhalten einer Person sogar früher wahr, deshalb können sie sich jederzeit bei uns beraten und coachen lassen. Also: Je früher, desto besser! Und trotzdem: Es ist nie zu spät, sich professionelle Hilfe zu holen und neue Wege zu gehen.

Sharon Katz, Stellvertretende Geschäftsleiterin BZB plus, Baden. (Bild: zVg)

Sharon Katz, für welche Bereiche ist die Suchtberatung zuständig?
In die Suchtberatung können Menschen kommen, die selbst von einer Abhängigkeitsthematik betroffen sind, Angehörige, nahestehende Personen von Menschen mit einer Abhängigkeitsthematik und Fachleute wie Arbeitgeber oder Ärztinnen. Wir beraten bei folgenden Themenbereichen: 
– substanzgebundene Fragestellungen wie zum Beispiel Zigaretten, Alkohol, Medikamente – dazu gehören unter anderem Benzodiazepine, Schlafmittel, und Opioide, Cannabis, Kokain und synthetische Drogen, 
– substanzungebundene Themen wie Spielen – online, Casino, Lose – Gamen, Einkaufen und Pornokonsum

Deborah Stutz, Suchtberaterin im BZB plus in Baden. (Bild: zVg)

Deborah Stutz, wann ist es sinnvoll, die Suchtberatung aufzusuchen?
Wir empfehlen, eine Beratungsstelle aufzusuchen, wenn man selber oder eine nahestehende Person
• darunter leidet, ein Verhalten oder einen Konsum nicht mehr kontrollieren zu können.
• zunehmend verzweifelt und resigniert ist, weil alle bisherigen Versuche, das Suchtverhalten wieder in den Griff zu bekommen, gescheitert sind.
• verunsichert ist und sie merkt, dass sie seit der Kindheit oder seit einem belastenden Vorfall stärker zu süchtigen Verhaltensweisen tendiert als das soziale Umfeld.
• zunehmend das Gefühl hat, minderwertig oder willensschwach zu sein, da sie ihr Konsumverhalten nicht ablegen kann.
• zunehmend sich und andere belügt, um die Scham über den Kontrollverlust zu kaschieren und negative Meinungen des Umfelds zu vermeiden.
• zunehmend Geldprobleme bekommt, weil sie immer mehr Geld und/oder Zeit in das Suchtverhalten investiert.
• aufgrund süchtigen Verhaltens Probleme am Arbeits- oder Ausbildungsplatz bekommt.
• Hobbys und andere Arten des Genusses und Entspannens zunehmend wegen des Suchtverhaltens verdrängt.
Nicht nur Suchtbetroffene oder Suchtgefährdete können von einer Beratung profitieren, sondern auch Angehörige, Freunde oder Arbeitgebende. Zum Beispiel dann, wenn sie merken, dass sie vergeblich Unterstützung leisten oder unter den zunehmenden schlechten Stimmungen, Lügen und Schulden leiden. Auch Informationen rund um das Thema Sucht oder zu bewährten Selbsthilfeangeboten können in Suchtberatungsstellen eingeholt werden.