Meisterwerke eines Flüchtlings

In der von Oliver Schnyder begründeten Konzertreihe erklingt die gesamte Musik für zwei Klaviere des mit der Schweiz verbundenen Russen.
Oliver Schnyder ist künstlerischer Leiter beim Verein Piano District. (Bild: zVg | Marco Borggreve)

Der 1873 in der Nähe des Ilmensees in Russland geborene, 1943 in Beverly Hills verstorbene Komponist, Pianist und Dirigent Sergej Wassiljewitsch Rachmaninoff zählt nicht nur zu den bedeutendsten slawischen Musikern, er war ein musikalischer Weltbürger par excellence, war als Klaviervir­tuose international angesehen und pflegte eine spezielle Beziehung zur Schweiz.

Wenige Wochen nach der Oktoberrevolution floh Rachmaninoff mit ­seiner Familie nach Schweden, 1918 übersiedelte er mit ihr in die USA, 1931 liess er in Hertenstein am Vierwaldstättersee die nach ihm und seiner Frau benannte Villa Senar (Sergej/ Natalia Rachmaninoff) im avantgardistischen Bauhaus-Stil erbauen. Dort verbrachte er bis 1939 die Sommermonate, um sich ungestört der Komposition zweier Hauptwerke zu widmen – der Rhapsodie über ein Thema von Paganini op. 43 für Klavier und Orchester sowie der 3. Sinfonie op. 44.

Nur wenige Tage bevor am 1. September der Zweite Weltkrieg ausbrach, kehrten die Rachmaninoffs Europa für immer den Rücken zu, indem sie ein zweites Mal nach Nordamerika emigrierten.

Den 150. Geburtstag Rachmaninoffs würdigen in der Schweiz mehrere ­Sinfoniekonzerte und die im Hans-Erni-Museum (Luzern) vom Kunstwissenschafter Heinz Stahlhut brillant kuratierte Ausstellung «Rachmaninoff in Luzern», welche bis am 14. Januar 2024 geöffnet ist.

Ein temperamentes Klavierduo
Als herausragende Veranstaltung gilt zweifellos das zweite Abonnementskonzert der Reihe «Piano District» in der Druckerei Baden. Mit der 1992 in Krakau geborenen Pianistin Julia Kociuban und ihrem 1987 in der Nähe von St. Petersburg zur Welt gekommenen Ehepartner Ilya Maximov gastiert ein temperamentvolles Klavierduo in der Bäderstadt, das sich mit Rach­maninoffs Orignalkompositionen für zwei Klaviere gründlich auseinandergesetzt hat.

Der Auftrittsort könnte nicht passender sein, machte sich doch der im Raum Baden lebende Pianist Oliver Schnyder mit seinen Aufführungen von Rachmaninoffs Paganini-Rhap­sodie in Baden und dem fingerbrecherisch schwierigen 3. Klavierkonzert in Zürich als begnadeter Rachmaninoff-Interpret einen Namen.

Auf dem Programm stehen vier grossartige Meisterwerke, denen man in unserer Region leider selten begegnet. Die dem Vorbild Peter Tschaikowsky gewidmete 1. Suite op. 5 aus dem Jahr 1893 verbindet in den Sätzen «La nuit … l’amour» und «Les larmes» spätromantische Schwärmerei mit zeitlosen Glockenklängen im «Pȃques» betitelten Finale. In der 2. Suite op. 17 üben ein presto zu spielender Walzer und die abschliessende Tarantella eine hinreissende Wirkung aus.

Unter dem Titel «Russische Rhapsodie» erst nach dem Tod des Komponisten veröffentlicht, ist dieses mit 19 Jahren komponierte Frühwerk eigentlich eine Folge von Variationen über ein typisch russisches, volksliedhaftes Thema.

Nächstes Konzert am 26. Januar
Zum musikalischen Ereignis dürfte Rachmaninoffs eigene Übertragung seiner letzten Orchesterkomposition werden, der 1940 in New York entstandenen «Symphonic Dances» op. 45. Elegische Walzerepisoden wechseln darin mit jenem eingängigen «Dies irae»-Zitat ab, das sich in der Paganini-Rhapsodie und in weiteren Werken als tragisches Schicksalsmotiv abzeichnet. Im nächsten Konzert der Reihe tritt am 26. Januar der inter­national bekannte Westschweizer Pianist Louis Schwitzgebel mit Werken von Chopin, Liszt und Schubert auf.

Freitag, 10. November, 19.30 Uhr
Druckerei Baden