Frage nach Sex und Langeweile

In der Rubrik «Querbeet» beleuchten namhafte Autorinnen und Autoren ein von ihnen gewähltes Thema – und sorgen damit wöchentlich für Inspiration.

Eine gute Seite beim Menschen: Er will gerecht sein. So sehr wollen die Frau, der Mann gerecht sein, dass sie schneller glauben, gerecht zu sein, als zu zweifeln, ob sie den Dingen auch wirklich gerecht werden. Eine Frage der Erfahrung: Ist am Anfang alles gut – der Wille, gerecht zu sein –, kann das trotzdem böse enden. Zum Beispiel in Selbstgerechtigkeit.

Nie zu Ende geht deshalb der Wille, das Denken zu beeinflussen für Recht und Ordnung. Millionen Köpfe hat man gewaschen mit religiöser, roter und brauner Lauge – die Holzköpfe aber blieben stur, taub und schmutzig. Bockig sind sie auch gegenwärtig, bei einem hitzig, Gott sei Dank aber unblutig geführten Scharmützel namens Gendern.

Man meint, nicht mehr alle seien gemeint, wenn man nicht alle einzeln erwähnt. Man meint, neu ebenfalls Dienstuntaugliche in die Sprachsoldateska einreihen zu müssen. Etwa das generische Maskulinum. Sie kennen das («sie» gilt ebenso für ihn) aus der Zoologie: «Bären leben in den Bergen.» Nicht Bärinnen. «Achtung! Bissiger Hund!» Nicht Hündin. «Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.» Und so weiter. Neu, so lehrt man uns, gehöre das generische Maskulinum abgeschafft. Wer diese doppelte Korrigierarbeit auf sich nehmen und noch immer verstanden werden will – à la bonne heure. In dem Fall sollte wohl aber auch das generische Femininum abgeschafft werden – der Gerechtigkeit halber. Ach, das gibt es, ein generisches Femininum? Natürlich. Das Geschlecht von Stotterern ist der Grammatik ja herzlich egal. Grammatik hilft nur gegen Stottern, nicht beim Sex. Also fortan keine Giraffe mehr, keine Ameise, keine Drohne (für die männliche Biene), keine Wache, Geisel oder Waise. Und so weiter. Wer gerecht sein will, fühlt sich früher oder später gezwungen, «konsequent» zu sein. Den unerbittlichen Geist sticht bekanntlich noch das kleinste Vergehen wie ein Dorn im Auge. Es ist indes abzusehen, was bald passiert: Kleinstarbeit und ständiges Nachbessern verleiden. Es wird uferlos, dann sinnlos … Vorher noch erschöpft jeden und jede die schiere Langeweile.

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