Sie sind kräftiger als herkömmliche Industriebiere und weisen meist einen höheren Alkoholgehalt auf. Kein Wunder, denn bei der Herstellung der «Malz-Maul»-Biere geschieht vom Einmaischen bis hin zum Abfüllen alles per Handarbeit. Die in Ennetbaden und Umgebung inzwischen schon fast legendären Biere werden nach dem Vorbild mittelalterlicher Braukunst hergestellt. Ebenso fliessen neue Erkenntnisse mit ein, aus denen neue Prozesse entwickelt werden. «Darauf sind wir besonders stolz», sagen die beiden Geschwister Andy (50) und Sebastian (47) Niessner. Als Produktionsstätte für ihre Biere dient ihnen ein lediglich 40 Quadratmeter grosser Raum im Oederlin-Areal in Ennetbaden/Rieden. Hier erfüllen sich die beiden Brüder seit 2016 ihre Bierwünsche. Am Tag des Besuchs sind die Jungs seit zehn Uhr morgens daran, ihre Biere in Flaschen abzufüllen. Dabei necken sie sich, die Stimmung ist heiter-fröhlich und passt zum Geschäftskonzept. «Wir sind unkomplizierte Menschen, geerdet und sind immer zu Spässen aufgelegt.»
Start-up auf engem Raum
Die Brüder haben vor 14 Jahren mit viel Enthusiasmus und noch mehr Engagement mit einem kleinen Start-up begonnen, eigenes Bier zu brauen. «Wir haben dafür sogar einen Verein gegründet», verraten die beiden. «Wir investieren sämtliche Verkaufseinnahmen oder alle Spenden in den Erwerb von Rohstoffen oder in Erneuerungen, notwendigen Reparaturen und weitere Bereiche, die direkt mit der Brauerei zusammenhängen.» Begonnen hat die Erfolgsgeschichte aber schon viel früher, in der Küche des Elternhauses. Dort sammelten die Brüder erste Erfahrungen mit Brauvorgängen. Später nutzten sie die Garage des Hauses zum Brauen, bevor sich die Hobbybrauer dazu entschieden, ihre Tätigkeiten in eine eigene Brauerei zu verlegen und sich im Oederlin-Areal einen kleinen Raum mieteten. Um den Lebensunterhalt aus den Einnahmen des Bierbrauens bestreiten zu können, war die Brauerei allerdings stets zu klein. Neben ihrem Hobby gehen beide Brüder deshalb auch einer Arbeit nach.
Mittelalterliche Braukunst
Aber was ist so speziell am mittelalterlichen Brauverfahren, das den Brüdern als Vorbild dient? «Nun ja, gestartet haben wir mit einem riesengrossen Braukessel, den wir über dem Feuer erhitzten, genau wie schon vor Jahrhunderten», erzählen die beiden. Inzwischen sind die unternehmerischen Brüder aber doch auf modernere Gerätschaften umgestiegen. Die innovativen Jungs verarbeiten in ihren Bieren nur natürliche und reine Zutaten. Anstatt der getrockneten Hopfen-Dolden werden auch Hopfen Pellets verwendet. Diese sind naturbelassen und werden lediglich getrocknet, zerkleinert und gepresst, damit man sie besser portioniert kann. Die Zutaten beziehen sie aus Kontinentaleuropa, England, Amerika, Australien oder auch Neuseeland. Die Niessners stehen auch auf alte Getreide wie Emmer und Einkorn und brauen ihre ganz eigenen Bierrezepte.
Dank der geringen Grösse der Brauerei und des Produktionsvolumens sind die Brüder selbst während des Brauprozesses fähig, umzudisponieren und kurzfristig Anpassungen vorzunehmen. Da Malz und Hopfen auf Wärme reagieren, laufen beim Brauen konstant chemische Prozesse ab, die gesteuert werden können und sich auf das Endprodukt auswirken. Zudem legen sie grossen Wert darauf, dass sie nie in ein Grossproduktionsfieber geraten und weiterhin im wahrsten Sinne des Wortes alles auf kleiner Flamme köcheln können. Entsprechend brauen die Brüder lediglich etwa alle zwei Monate. «Wir sind und bleiben klein und fein, bilden uns ständig weiter, lesen in Fachbüchern und fachsimpeln ausgiebig.» Die Brüder stehen sich heute sehr nah. Das war nicht immer so, geben sie zu. «Das gemeinsame Bierbrauen hat uns wieder nähergebracht.» Das Resultat des altertümlichen Brauverfahrens scheint zu munden – den Brüdern genauso wie ihrer Kundschaft. Die Verkaufszahlen von «Malz Maul» sprechen für sich. Momentan verfügt die Kleinbrauerei über einen Ausstoss von 500 Litern pro Sud und gegen 35 Hektoliter im Jahr, die – abzüglich des eigenen Bedarfs – jeweils restlos verkauft werden.
Feierlicher Rampenverkauf
Wer die Craftbiere gerne selber einmal probieren möchte, kann dies in der «Craftbierstube» an der Oberen Halde 31 in Baden tun – dort werden sie seit 2018 offen ausgeschenkt. Niessners bieten auch Braukurse an. Dort kann man Bier nach Anleitung brauen. Ziel der Kurse ist es, dass die Teilnehmenden den Herstellungsprozess in der Tiefe verstehen und natürlich selbst Bier herstellen können. Marketing betreiben die Brüder hingegen nicht. «Wir produzieren naturnah und machen dabei etwas für unsere Psychohygiene. Bei uns ist alles ein bisschen langsamer, gemächlicher und unsere Biere werden vor allem liebevoll gebraut. Sowas spricht sich herum, das genügt uns», freuen sich die Brüder.
Grossen Anklang finden jeweils die Rampenverkäufe. Bei diesen Anlässen darf ausgiebig degustiert werden, man kann sich mit Bieren für zu Hause eindecken und wer Lust hat, ist zu einer kleinen Brauereiführung eingeladen. So stehen Andy und Sebastian in engem Kontakt zu ihren Kunden, was von beiden Seiten sehr geschätzt werde. Dazu gibt es Leckereien aus dem Smoker und vom Grill. Auch etwas Leckeres, Deftiges und Fleischloses (vegan) aus dem Kochtopf wird serviert. Und vor allem kann man sich über die witzigen und absichtlich anzüglichen Biernamen austauschen. Aktuell sind das: «Evil Dick» (vollmundiges abgerundetes Pale Ale mit 5,6 Prozent Alkohol), «Busted Hymen» (hopfengestopftes IPA mit spritzigen 5,7 Prozent Alkohol), «Butthole Rodeo» (New England IPA mit 5,3 Prozent Alkohol) oder gar «Flush my Tube» (das erfrischende Lager mit wunderbarer Hopfennote und 4,7 Prozent Alkohol). Na dann, Prost!
malzmaul.ch