Jagd nach der kühlen Brise

Der vor zwei Jahren im Kehl begonnene Versuch zur Lenkung von Kaltluft hat bisher nicht zur Kühlung des Alterszentrums geführt.
Stadtoberförster Georg von Graefe vor einer der Waldschneisen im Kehlwald. (Bild: SIM)

Mit nächtlicher Waldluft Siedlungen kühlen: Darum ging es in einem in der Schweiz bisher beispiellosen und ehrgeizigen Experiment im Badener Kehlwald. Letzte Woche präsentierte der Badener Stadtoberförster Georg von Graefe vor Ort beim Alterszentrum Kehl die vorläufigen Ergebnisse des Versuchs, Kaltluftkorridore durch gezielten Holzschlag herzustellen und damit Siedlungsräume, in diesem Fall das Alterszentrum, im Sommer zu kühlen (die «Rundschau» berichtete). Aus den Klimakarten des Kantons Aargau geht hervor, dass sich insbesondere dicht besiedeltes Gebiet im Sommer derart stark erhitzt, dass es in der Nacht unter Umständen nicht wieder vollständig auskühlt. Um dem entgegenzuwirken, entstand in Baden die Idee, sich die nahegelegenen Hangwälder zunutze zu machen, um in warmen Sommernächten für etwas Abkühlung zu sorgen.

Konkret wurden im Rahmen eines ohnehin geplanten Holzschlags Schneisen in den Wald oberhalb des Alterszentrums Kehl geschnitten. Die Hoffnung war, dadurch Kaltluft, die nachts infolge von Verdunstung in Wäldern entsteht, in Richtung der Siedlung zu leiten. Um den Versuch zu überwachen, wurde die Temperatur im Wald und am Waldrand mit Sensoren gemessen – ein Jahr lang vor dem Holzschlag und ein Jahr lang danach. Nach zwei Sommern der Beobachtung zeigten sich jedoch keine überzeugenden Ergebnisse, wie Georg von Graefe mitteilt. «Die Kaltluftkorridore hatten, zumindest im ersten Jahr der Messungen, keinen signifikanten Einfluss auf die gemessene Temperatur.» Von Graefe erklärte dieses Ergebnis damit, dass die Korridore möglicherweise nicht effektiv genug waren, um den Luftstrom tatsächlich lenken zu können.

Trotz des ernüchternden ersten Befunds will sowohl das Stadtfortsamt als auch die Stadt den Ansatz weiter verfolgen. Eine während des Messzeitraums durchgeführte Umfrage unter den Bewohnerinnen und Bewohnern des Alterszentrums Kehl ergab, dass rund 30 Prozent von ihnen eine Verbesserung der nächtlichen Kühlung bemerkten. Da sich das nicht mit den erhobenen Temperaturdaten deckt, ist dieser Befund wohl in erster Linie auf die gesteigerte Sensibilität der Befragten gegenüber dem Thema zurückzuführen, wie von Graefe mutmasst.

Stadtwald der Zukunft
Neben den Ausführungen zum Kaltluft-Versuch gab Georg von Graefe einen Einblick in die Waldstrategie der Stadt Baden. Das Badener Waldbaukonzept zielt darauf ab, die Biodiversität durch vielfältige Bewirtschaftung zu erhöhen. Gegenwärtig laufen in Baden deshalb Bemühungen, sich für die klimatischen Veränderungen zu rüsten. Klimawaldinseln sollen mit trockenheitstoleranten Arten wie der Orientbuche, der Atlaszeder und der Kastanie angelegt werden, um den Wald für zukünftige Generationen klimafit zu machen. «Wir pflanzen verschiedene neue Baumarten im Wald, damit in 20 Jahren verschiedene Samenbäume zur Verfügung stehen und kommende Generationen Möglichkeiten zur Diversifizierung des Waldes haben», so der Stadtoberförster.

Angesichts der rapiden Veränderung der Umweltbedingungen infolge des Klimawandels stünden beinahe alle Wälder in der Schweiz vor schwierige Zeiten, wie Janine Schweizer, Gruppenleiterin an der Eidgenössischen Forschungsanstalt Wald, Schnee und Landschaft (WSL), betont. Sie und ihr Team haben den Versuch in Baden letztes Jahr begleitet. Inzwischen ist aus dem Kontakt ein weiteres Forschungsprojekt entstanden, für das sich das WSL um Fördergelder bemüht. In ihrer Ansprache betonte sie den Wert erfolgreicher Zusammenarbeit von Praxis und Forschung, wenn es darum geht, das Ökosystem Wald in der Schweiz langfristig so zu erhalten, dass alle Beteiligten Nutzen daraus ziehen können.