«Noch partizipativer geht es kaum»

Das Fusionsprojekt Kompass nimmt mit Blick auf die 2025 anstehenden Volksentscheide mehr und mehr ­Konturen an.
Gegen 200 Personen liessen sich in Endingen über den aktuellen Stand der Arbeiten am Fusionsprojekt informieren. (Bild: bkr

Sollen Endingen, Lengnau, Schneisingen und Tegerfelden ihre Zusammenarbeit vertiefen oder doch besser
fusionieren? Acht Arbeitsgruppen diskutieren diese Frage derzeit und wägen Für und Wider ab. Sogenannte Echogruppen reflektierten erste Erkenntnisse kritisch. Für den Endinger Gemeindeammann Ralf Werder – er präsidiert den Leitungsausschuss des Projekts «Kompass Surbtal» – ein Zeitpunkt, der breiten Bevölkerung einen Statusbericht abzuliefern. Was es zum Projektstand zu sagen gibt, interessierte auch Regierungsrat Dieter Egli. Er kam nicht nur für eine Grussadresse, sondern primär als Zuhörer nach Endingen.

Booming Valley
Bevor Peter Weber – er ist externer Berater des Leitungsausschusses – erste Resultate aus den Arbeitsgruppen präsentierte, erläuterte Werder deren Aufgabenstellung. «Die 120 Leute in den Arbeitsgruppen haben uns zu skizzieren, was die Herausforderungen für das Surbtal in 20 Jahren sein werden und wie wir diesen am besten begegnen.» Werder betonte in diesem Zusammenhang, dass die vorgetragenen Meinungen jene der jeweiligen Arbeitsgruppe seien. «Diese werden nach Abschluss der Arbeiten dem Leitungsausschuss ihre Anträge stellen.» Fakt sei, so Werder, dass das Surbtal ein Booming Valley sei. Nehme man 1980 als Basis, sei die Bevölkerung des Surbtals auf 160 Prozent gewachsen. Im Bezirk Zurzach – inklusive Surbtal – auf 138 Prozent und gesamtkantonal auf 152 Prozent. «Wie soll man mit diesem Wachstum umgehen?» Stichworte sind Baulandreserven, Mobilität, aber auch die Gesundheitsversorgung sowie die Frage, wie sich die Gemeinden mit Blick auf die Zukunft organisieren sollten. Laut Werder haben die Mitglieder der Arbeitsgruppen auf ihrer Suche nach tragfähigen Antworten bereits «unglaubliche» 1500 Stunden aufgewendet. Berater Peter Weber stieg mit Aussagen der Arbeitsgruppe Ortsbürger in seine Tour d’Horizon ein. Es gibt für deren Mitglieder keine Gründe, die Ortsbürgergemeinden abzuschaffen, die bei einer Fusion der Einwohnergemeinden allerdings ebenfalls fusionieren müssen, so schreibt es die Kantonsverfassung vor. Eine ebenso knappe Zusammenfassung der Resultate aus der Arbeitsgruppe Vereine und Soziales. In letzterem Bereich ist die Zusammenarbeit (gemeinsame Altersheime und Spitex) seit Jahren institutionalisiert. Vereine? Diese sind im Grundsatz Privatsache, erhalten aber in allen Surbtalgemeinden fast identische Leistungen der öffentlichen Hand.

105 Gemeindeliegenschaften
Spannend war ausserdem das Thema Liegenschaften. Insgesamt besitzen die vier Gemeinden deren 105, die einen Versicherungswert von 83,5 Millionen Franken haben. Genutzt werden diese für die Schulen und Verwaltungen, aber auch für technische Betriebe sowie für den Bereich Wasser und Abwasser. Eine dieser Anlagen – ein Reservoir samt Pumpwerk – befindet sich im Gemeindebann von Siglistorf. «Wir beziehen einen Teil unseres Wassers via Siglistorf aus dem Kanton Zürich», erklärte der Schneisiger Gemeindeammann Adrian Baumgartner den Grund. Die Anlagen und Gebäude seien im «Schuss», hiess es aus der Arbeitsgruppe.

Sehr wichtig, aber ebenso komplex ist der Bereich Raumordnung. In ihm geht es unter anderem um Bau- und Nutzungsplanungen (BNO). Nach einer Fusion müssten jene der bisherigen Gemeinden harmonisiert werden. Eine BNO à jour zu halten, ist kostengünstiger als vier. «Mit nur einer BNO kann man zudem die Entwicklung des Surbtals besser steuern», sagte Peter Weber und wies darauf hin, dass mit der BNO Einfluss auf die Besiedelung und damit auf die Steuereinnahmen genommen werde. Die Arbeitsgruppe Bildung – für diesen Bereich geben die Gemeinden mehr als 40 Prozent ihrer Steuereinnahmen aus – hat ein Pro­blem entdeckt: jenes der «Ressourcierung» der Schule. Ziel der kantonalen Bildungsverwaltung ist, möglichst volle Schulklassen und entsprechend wenig Lehrpersonen. Das hat zur Folge, dass eine grosse Gemeinde mit vielen Schülerinnen und Schülern prozentual weniger Stellen bekommt als vier kleinere Kommunen. Weber hat allerdings Kenntnis davon, dass diese Heiratsstrafe demnächst eliminiert werden soll. Schliesslich kamen der Name der Gemeinde (hier kommt nur Surbtal infrage) und die Grösse des Gemeinderats zur Sprache. Die zuständige Arbeitsgruppe schlägt für Letzteren sieben Mitglieder vor. Für den Gemeindeammann sieht man ein Pensum von 80 bis 100 Prozent vor, für den Vizeammann ein Pensum von 40 Prozent und für die übrigen Mitglieder ein Pensum von 20 Prozent. Zum Bereich Verwaltung: Ein Standort wird als ideal empfunden, mindestes in der Startphase will man jedoch auf die bestehenden Raumkapazitäten der heutigen Gemeinden bauen. Regierungsrat Dieter Egli zeigte sich vom Vorgehen und von der Arbeit der Surbtaler beeindruckt. «Sie zeigen, dass es bei einer Gemeindefusion nicht nur um einen emotionalen Entscheid geht, sondern um ein Projekt, für das eine gut ausgearbeitete Wissensbasis benötigt wird.» Zum Einbezug der Bevölkerung meinte er: «Noch partizipativer geht es kaum.» Zum emotionalen Teil gab er den Surbtaler auf den Weg: «Ich lebe seit meiner Geburt und gern in Windisch. Fragt man mich aber nach meiner Herkunft, sage ich Unterwindisch.»