Humor für mehr Gelassenheit

Die Badener Historikerin Ruth Wiederkehr macht Geschichtsthemen auf moderne, lebendige Art einem breiteren Publikum zugänglich.
Abwechslung und historische Forschung begeistern Ruth Wiederkehr. (Bild: ub)

Wenn sie aus ihrem Leben erzählt, sprudeln die Worte nur so aus Ruth Wiederkehr heraus. Unlängst hat sie ihren 40. Geburtstag mit einem grossen Fest und rund 100 Gästen im Theater im Kornhaus (Thik) gefeiert. Die gebürtige Badenerin hat in ihrer Heimatstadt ein riesiges Beziehungsnetz. Das ist in Anbetracht all ihrer Engagements kein Wunder. Sie ist die Autorin verschiedener Bücher wie der «Stadtgeschichte Baden» oder der «Zeitgeschichte Aargau» und hat während mehr als zehn Jahren die «Badener Neujahrsblätter» redaktionell mitbetreut. In ihrer Funktion als Moderatorin interviewt sie für die Gesprächsreihe «Philo-Thik» im Badener Theater im Kornhaus seit acht Jahren spannende Menschen zu aktuellen Themen.

Mit ihrer lebendigen und kommunikativen Art ist Wiederkehr ausserdem als Referentin beliebt. Für die Klosterbibliothek St. Gallen bereitet sie zudem Ausstellungen vor und entführt die Menschen in die Welt mittelalterlicher Handschriften. Bei all ihren Initiativen setzt sie sich ein Ziel: auch noch so komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären und spannend zu vermitteln. Das ist nicht immer einfach: «Wenn ich für ein Projekt vor einem Berg von Unterlagen sitze, alles aussortieren und deren Inhalte aufschlüsseln und herunterbrechen muss, raucht mir manchmal der Kopf», erzählt sie. Bei Blockaden gibt es für sie nur eins: an die frische Luft. «Eine kurze Auszeit und etwas Bewegung in der Natur helfen mir, meine Denkvorgänge neu zu ordnen», meint sie überzeugt.

Vieles ändert, manches bleibt
«Das einzig Konstante im Leben ist die Veränderung», sagt Ruth Wiederkehr. Als Historikerin transportiert sie die Vergangenheit in die Gegenwart. Für sie ist das Verständnis der Verbindung zwischen Vergangenem und der Gegenwart elementar, um für die Zukunft gewappnet zu sein. «Der gesellschaftliche Wandel fasziniert mich. Es ist hochinteressant zu erforschen, was früher ganz anders war als heute. Aber ebenso, wie sich die Menschheitsgeschichte in vielem ständig wiederholt», erzählt die gebürtige Badenerin.

Das sei ihr besonders während der Coronazeit bewusst geworden: «Pandemien wie diese gab es schon immer. Anfang des 20. Jahrhunderts zum Beispiel Polio und Tuberkulose. Heute ist das bei uns überwunden und praktisch kein Thema mehr.» Dieses Bewusstsein habe sie gelassener gemacht. «Es geht nicht darum, etwas zu verharmlosen, sondern zu relativieren. Es wird mir bei meinen Recherchen immer wieder bewusst, dass ich nur ein winziges Rädchen in der Zeitmaschinerie bin», sagt sie. Egozentrische und egoistische Menschen, die sich unendlich wichtig nehmen, sind ihr zuwider.

Schritt ins Ungewisse
Nach ihrem Germanistik- und Geschichtsstudium hat Wiederkehr an verschiedenen Fachhochschulen als Dozentin gearbeitet. Noch heute unterrichtet sie in einem kleinen Teilzeitpensum journalistisches und wissenschaftliches Schreiben an der ZHAW in Winterthur. 2019 hat sie sich daneben als Historikerin selbstständig gemacht. Das sei anfänglich mit gewissen Ängsten verbunden gewesen. «Ich kenne das Gefühl von Unsicherheit sehr wohl», gesteht die engagierte Berufsfrau, die stets selbstbewusst und fröhlich wirkt. Mittlerweile haben sich aber jegliche Bedenken zerschlagen. In der Region Baden konnte sie im letzten Jahr zwei Projekte initiieren: Zum 150. Geburtstag des Kursaals Baden 2025 gibt sie mit Carol Nater Cartier, der ehemaligen Leiterin des Historischen Museums Baden, ein Buch über den einstigen gesellschaftlichen Mittelpunkt Badens heraus. Des Weiteren sind eine Ausstellung sowie ein breiteres Rahmenprogramm vorgesehen.

Für 2027 steht dann eine Neuauflage der Klostergeschichte Wettingen auf ihrem Plan, da der Sakralbau sein 800-Jahr-Jubiläum feiert. Dabei kommt wieder ihre Spezialität zum Zug: wissenschaftliche Inhalte allgemein verständlich einem breiten Pu-blikum näherbringen. Zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Annina Sandmeier-Walt arbeitet sie an diesem Klosterprojekt, und die beiden Frauen bieten auf ihrer Website lokalgeschichte.ch weitere Recherchen und Geschichtsvermittlung rund um Orte, Institutionen und Regionen an. Dazu bearbeitet Wiederkehr zahlreiche kleinere Aufträge. «Ich wünschte mir oft, dass der Tag ein paar Stunden mehr hätte», sagt sie und lacht.

Chorsängerin und ­Hobbygärtnerin
Das grösste Lebensglück ist für Wiederkehr, dass sie beruflich genau das machen kann, wofür ihr Herz schlägt. Erfüllung findet sie aber auch im Garten ihres Wohnhauses in Ennetbaden, wenn sie ihre Pfingstrosen blühen sieht. Sport ist für sie ein wichtiger Ausgleich zum oft kopflastigen Job. Neben ihren Joggingrunden geht sie ins Power-Yoga und macht Krafttraining. Zudem singt sie leidenschaftlich gern und ist Mitglied des Chors Colla Voce in Zürich. Mit ihrem Partner, dem Filmemacher Rolf Lang, ist sie seit der Studienzeit zusammen. Zu den Eltern und ihren Geschwistern, der Badener Einwohnerrätin Sarah Wiederkehr und dem ehemaligen Olympiaruderer Daniel Wiederkehr, pflegt sie ein gutes und enges Verhältnis. Um glücklich zu sein, gilt für sie das Motto: «Immer das Beste von sich geben und sich gleichzeitig nicht allzu ernst nehmen. Humor ist ein wichtiges Passwort für mehr Gelassenheit im Leben.»