Die Freude an der Langsamkeit entdecken

Aktiv Sport machen und dabei ein Lächeln im Gesicht haben: Ja, das geht. Die Trendsportart Slow Jogging macht es möglich.
Auch oder gerade bei reduziertem Tempo hat Jogging positive Effekte. (Bild: zVg)

Mitra Hakimi-Lang (47) ist Ärztin, Lauftherapeutin und Läuferin. Bei ihr kann man die Sportart Slow Jogging entdecken und erlernen. «Slow Jogging ist eine gesunde Lauftechnik, bei der man im ‹Niko Niko›-Tempo läuft. Der Name Niko Niko stammt aus dem Japanischen, bedeutet ‹mit einem Lächeln› und beschreibt die entspannte sowie freudige Art des Laufens», erklärt die Medizinerin.

Trotz der Betonung auf Gemächlichkeit sollte man Slow Jogging als Sportart nicht unterschätzen. Das langsame Joggen ist gut für die Gelenke und das Tempo so gehalten, dass es angenehm ist. So werden beim Laufen Glücksmoleküle freigesetzt, die ein positives Gefühl vermitteln.

Gewöhnungsbedürftig
Der Anblick von Menschen, die Slow Jogging ausübten, das vom japanischen Professor und Sportphysiologen Hiroaki Tanaka entwickelt worden sei, sei etwas gewöhnungsbedürftig, meint Mitra Hakimi-Lang, denn der Laufstil zeichne sich durch viele kleine Trippelschritte aus. Beinahe wie Joggen in Zeitlupe. Aber Slow Jogging sei dabei durchaus effizient. Bei gleicher Distanz verbrennt Slow Jogging doppelt so viele Kalorien als Walking und beinahe ebenso viele wie beim eigentlichen Joggen oder Laufen.

Es ist also eine Sportart, deren Wirksamkeit man nicht unterschätzen sollte. Zudem hat es wie andere Ausdauersportarten die gleichen positiven Effekte auf den Körper: Es beeinflusst das Herz-Kreislauf-System, den Blutdruck, den Diabetes, das Gewicht, das Immunsystem, den Schlaf, die Wechseljahre, die Osteoporose, die Demenz oder gar die Alzheimer-Krankheit. Es ist kostengünstig, stets verfügbar, und man ist selbst wirksam. Besonders gut ist Slow Jogging für die mentale Gesundheit, indem man lernt, wieder mit sich selbst in Kontakt zu kommen und den eigenen Körper zu spüren. Des Weiteren kann Slow Jogging das Selbstvertrauen fördern und beim Stressabbau sowie gegen Depressionen, Panikattacken, Angststörungen und Suchterkrankungen helfen. Wird der Sport in Gruppen ausgeübt, eignet er sich ausserdem zur Linderung der sozialen Isolation, unter der viele Menschen leiden.

Slow Jogging lernen
Einsteigerinnen und Einsteiger starten zunächst mit einer Geschwindigkeit von drei bis fünf Kilometern pro Stunde. Das entspricht ungefähr dem Durchschnittstempo eines Fussgängers. «Gerade zu Beginn ist es sinnvoll, sich professionelle Unterstützung zu holen, denn viele haben das Gefühl, dass es sich von allein läuft, was eben nicht ganz stimmt», erklärt Mitra Hakimi-Lang. Neben einigen technischen Details gehe es vor allem darum, nicht aufzugeben. Also zwei bis drei Mal wöchentlich die Motivation zu finden, langsam zu joggen, sich selbst dabei gegebenenfalls etwas zu bremsen. Man sollte sich währenddessen noch unterhalten können und die Wohlfühlzone nicht verlassen.

Das Tolle am Joggen sei ja, dass es einfach, unkompliziert, überall und jederzeit möglich sei, findet die Lauftherapeutin: «Aber gerade am Anfang kann man viele Fehler machen.» Wichtig sei, dass man immer wieder auf eine nächste Einheit Lust habe und sich darauf freue. Viele Einsteigerinnen und Einsteiger würden am Anfang viel zu schnell laufen, was oft daran liege, dass man ein fixes Bild im Kopf habe, wie Joggen auszusehen habe und wie es sich anfühlen müsse. «Wenn es so langsam ist, dass ich im Gehen schneller bin oder nach der Einheit nicht völlig verschwitzt bin, ist es für viele kein Joggen», so Mitra Hakimi-Lang. «Manche über- oder unterschätzen das Joggen, weil es ja ‹einfach nur loslaufen ist›. Aber: Nur weil ich drei Stunden wandern kann, kann ich noch lang nicht 30 Minuten joggen – geschweige denn regelmässig dabeibleiben.» Gerade beim Joggen hätten Sporttreibende wenig Geduld mit sich selbst und erwarteten teilweise völlig unrealistische Leistungssteigerungen.

Guadalupe Falguera aus Baden hat einen Einsteigerkurs bei Mitra Hakimi-Lang besucht. «Ich bin Halbmarathons gerannt und bis zu vier Mal wöchentlich gejoggt», sagt sie. Nach einer Pause wollte die 48-Jährige wieder vermehrt Sport treiben. «Ich habe nach einer sportlichen Herausforderung gesucht, bei der ich Struktur finde und in Gruppen aktiv sein kann. Der Einsteigerkurs für das Slow Jogging deckt beides ab», sagt die Badenerin erfreut. «So macht Sport auch Spass, ich kann mich körperlich wieder aufbauen und mich auf einen nächsten Lauf fokussieren.»

Kaum Einstiegshürden
Für das Slow Jogging braucht es keinerlei spezielle Ausrüstung. Es empfiehlt sich, dem Wetter angepasste und bequeme Kleidung zu tragen. Die Frage nach den Schuhen sei fast immer die erste, die gestellt werde. Mitra Hakimi-Lang erklärt: «Schuhe, in denen ich angenehm spazieren gehe, sind zunächst völlig ausreichend. Mit zunehmender Freude am Joggen kommt aber meist das Bedürfnis nach ‹besseren› Schuhen. Vor der ersten Einheit muss sich aber niemand extra neue Schuhe kaufen.»

«Seit meinem Medizinstudium jogge ich, habe aber wiederholt zum Teil lange Pausen gemacht. Derzeit jogge ich fast ausschliesslich ‹slow›, da mir oft die Zeit für mein eigenes Training fehlt», sagt die Lauftherapeutin. «Ich selbst nehme gern immer mal wieder an offiziellen Läufen teil und werde Ende September zum zweiten Mal den Berlin-Marathon laufen.» Im September 2023 belegte Mitra ­Hakimi-Lang den hochschulzertifizierten Lehrgang – je zwei Tage an insgesamt zehn Wochenenden – zur Lauftherapeutin für multimodale Lauf-therapie an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim (D), den sie im Juni erfolgreich abschloss. Inzwischen arbeitet Mitra Hakimi-Lang seit mehr als einem Jahr Vollzeit als Lauftherapeutin.