L’histoire se répète: 2019 gewann Nic Niedermann mit der Justina-Lee-Brown-Band die Swiss Blues Challenge, dieses Jahr holt er den Sieg mit seiner Band Rotosphere und dem Sänger Mark Slate abermals nach Baden. Noch ist der Ausnahmegitarrist mit Lee Brown auf grosser Tournee, die bereits bis auf die portugiesischen Azoren führte. Doch die Nigerianerin erwartet Nachwuchs und schmiedet auch musikalisch neue Zukunftspläne ohne ihre jetzige Band. Die Trennung soll im Herbst erfolgen. Es mag ein Wink des Schicksals gewesen sein, als Niedermann Mark Slate (bürgerlich Marko Schiefer) 2022 bei einer Jamsession im «Coco» Baden kennenlernte, wo er seit über zehn Jahren die Konzertreihe After Work organisiert, wobei er ab und zu selbst mit Rotosphere oder als Teil des Gitarrenduos Tonic Strings auf der Bühne steht.
Mark Slate – ein Bär von einem Mann – sprang bei einem dieser Auftritte spontan zu ihm auf die Bühne und liess seine Reibeisenstimme erklingen. «Der Funke zwischen uns sprang sofort, und das Publikum war total aus dem Häuschen», erinnert sich Niedermann. Zu diesem Zeitpunkt stand ihm aber noch eine vielversprechende Zukunft mit der Justina-Lee-Brown-Band bevor. Nach einer Platzierung im Halbfinale der International Blues Challenge 2020 in Memphis (USA) und einem sensationellen zweiten Platz an der European Blues Challenge 2022 in Malmö (Schweden) wurde die Formation im Frühling dieses Jahres von einer internationalen Fachjury sogar mit dem renommierten Swiss Blues Award geehrt.
Trotz des Erfolgs sollen sich die Wege nun trennen. Niedermann schaut nach vorn, nicht zurück. Böse Worte gibt es keine. Erstens will man die zahlreichen noch anstehenden Konzerte professionell und in guter Stimmung über die Bühne bringen, zweitens steht ab Herbst ein vielversprechender Neustart unter dem Bandnamen Mark Slate & Rotosphere an. Das letzte Konzert der Justina-Lee-Brown-Band in der jetzigen Besetzung findet am Sonntag, 25. August, anlässlich der Sichlete in Kirchdorf statt, wo Niedermann mit zarten 14 Jahren seinen ersten Auftritt hatte.
Wie Joe Cocker – wenn er noch leben würde
Rotosphere existiert seit rund 30 Jahren und ist eine typische Working-Band, die sich durch eine breite Stilvielfalt auszeichnet, Gastmusikern immer wieder eine Plattform bietet, sich stetig verändert und weiterentwickelt. In der neuen Besetzung – neben Niedermann und Slate sind das Bassist Tom Wettstein, Schlagzeuger Eddie Walker und Pianist Gregor Loepfe – soll nun ab Oktober kontinuierlich die gemeinsame musikalische Zukunft aufgebaut werden. Ein Livealbum ist in Planung. Ihren Stil beschreiben die Musiker als Melange aus Blues, Rock und Soul. «Wir können uns vorstellen, dass Joe Cocker so klingen würde, wenn er noch leben würde», meint Niedermann. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr. Slate ist der 2014 verstorbenen Rocklegende stimmlich absolut ebenbürtig und seit über 20 Jahren als Cocker-Double mit der Tributeshow «Stars in Concert» weltweit unterwegs.
Geschichtenerzähler mit Reibeisenstimme
Slate ist gelernter Schlosser und stammt aus dem deutschen Trier. Der 50-Jährige verschrieb sein Leben 1999 ganz der Musik, zog nach Berlin, hatte in den Anfängen eine Band mit Guildo Horn am Schlagzeug und war später als Sänger Supporting-Act von internationalen Grössen wie Chris de Burgh, James Brown, den Söhnen Mannheims, Herbert Grönemeyer – und eben Joe Cocker. Seit 2019 lebt er mit seiner Schweizer Partnerin in Ehrendingen. Jahrelang war er pausenlos unterwegs und hatte keine feste Bleibe, sondern lebte in einem Berliner Hotel in einem Zimmer mit der Nummer 9. Darüber schrieb er den eingängigen Bluesrock-Song «Room No. 9», der auch auf dem neuen Album zu finden sein wird. Slate hat nicht nur eine Ausnahmestimme, sondern ist daneben ein guter Geschichtenerzähler. «Ich schreibe immer sehr persönliche, intime Songs zu eingängigen Melodien, die in den Kopf, das Herz und die Beine gehen», bekundet er.
Zur Musik sei er schon als kleiner Junge gekommen. «Ich musste mit meinen Eltern am Sonntag regelmässig zum Gottesdienst. Wenn ich den Kirchenchor hörte, war das für mich wie eine Offenbarung», sagt er rückblickend auf seine Jugendzeit. Mark Slate & Rotosphere wollen ausschliesslich eigenes Songmaterial und keine Coverversionen zu Gehör bringen. Der Sieg an der Swiss Blues Challenge 2024 ebnet ihnen nun den Weg an die International Blues Challenge in Memphis. Geprobt wird zurzeit in der Kantonsschule Wettingen. Es gibt bereits erste Sponsoren für das neue Album. «Wir haben schon viel Material für unsere Livekonzerte parat», meinen Nic Niedermann und Mark Slate. Die beiden sprühen regelrecht vor Kreativität, und ihre riesige Vorfreude auf die kommenden Auftritte ist spürbar. Das Publikum darf gespannt sein.