Die Suche nach dem Fleisch am Knochen

Zusammenschluss oder engere Zusammenarbeit? Unabhängige Arbeitsgruppen befassen sich im Surbtal mit einer Auslegeordnung.
Die Arbeitsgruppe Bildung visualisierte mit Plakaten, wie sich eine vertiefte Zusammenarbeit auf den Schulbereich auswirken und was für Veränderungen bei einer Fusion anstehen würden. (Bild: bkr)

Acht von den Behörden der Gemeinden Endigen, Lengnau, Schneisingen und Tegerfelden unabhängige Arbeitsgruppen prüfen, ob eine Fusion der vier Surbtalgemeinden einen Sinn ergibt oder das Projekt «Kompass Surbtal» in eine enge Zusammenarbeit eigenständiger Gemeinden münden soll. In der Aula Rietwise in Lengnau trafen sich vier der Arbeitsgruppen mit Bürgerinnen und Bürgern, die sich bereit erklärt haben, die geleistete Arbeit kritisch zu beleuchten – ein Echo zu geben. «Was aus den Bereichen Bildung, Raumordnung, technische Betriebe und Sicherheit sowie Behörden, Verwaltung, Organisation in konzentrierter Form präsentiert wurde, sind ausschliesslich Meinungen der jeweiligen Arbeitsgruppe», betonte der Endinger Gemeindeammann Ralf Werder. Er präsidiert den Leitungsausschuss des Projekts «Kompass Surbtal», der die Anträge der Arbeitsgruppen prüfen und schliesslich zu einem Abschlussbericht zuhanden der Bevölkerung verdichten wird. Dessen Präsentation ist im Januar 2025.

Affront für die Arbeitsgruppen
«Not amused» zeigte sich Werder über den Vorwurf des Komitees «Gemeinden erhalten – Zusammenarbeit statt Fusion», die Arbeitsgruppen hätten primär den Zusammenschluss der vier Gemeinden im Fokus. «Das ist ein Affront gegenüber den 120 Leuten, die in die Arbeitsgruppen involviert sind und die mit Ideen und Analysen zur Meinungsbildung beitragen wollen.» Ob Fusion, vertiefte Zusammenarbeit oder Status quo – darüber entscheiden die Stimmberechtigen 2025. Was sich bei der Präsentation und der anschliessenden Diskussion zwischen Arbeits- und Echogruppen herauskristallisierte, ist, dass sich die Bürgerinnen und Bürger bei ihrem Entscheid die Frage «Was bringt eine Fusion mir persönlich?» stellen werden.

Ein Paradebeispiel dafür ist der Bereich technische Betriebe, bei dem es um die Themen Bauamt, Kehricht- und Grüngutabfuhr, Wasserversorgung und Abwasser und damit um Gebühren geht. Diese werden in einer fusionierten Gemeinde einheitlich. Für Grüngut bezahlt man heute in der einen Gemeinde pro Kilo, in der anderen per Jahresvignette. Beim Kehricht kostet ein 17-Liter-Sack zwischen 1.40 Franken und 2 Franken. Eine entscheidende Rolle für die Höhe der Gebühren spielen die bestehenden Verträge mit den Abfuhrunternehmen. Eine Gemeinde mit mehr als 8500 Einwohnerinnen und Einwohnern sei gegenüber den Anbietern eine Marktmacht, was sich auf die Kosten auswirken dürfte.

Ein Spezialfall sind die Preise für das Frischwasser. Das, weil es in Lengnau drei selbstständige Wassergenossenschaften gibt (Lengnau, Degermoos und Hausen). Sie kann man weder zu etwas zwingen noch enteignen. Interessant in diesem Zusammenhang: Nicht alle vier Gemeinden verfügen über genügend eigene Wasservorkommen und sind auf Zukäufe angewiesen.

Der Bereich Bildung ist weitgehend durch den Kanton «ferngesteuert». Im Fall einer Fusion, die den schon heute vernetzten Schulen organisatorische Vorteile bringen dürfte, gibt es einen grossen Wermutstropfen. Dieser heisst «Ressourcierung» der Schule. Ziel der kantonalen Bildungsverwaltung ist, möglichst «volle» Schulklassen und entsprechend wenig Lehrpersonen zu haben. Das hat zur Folge, dass eine grosse Gemeinde mit vielen Schülerinnen und Schülern weniger Stellenprozent für Lehrpersonal bekommt als vier kleinere Kommunen zusammen. Es gebe allerdings Signale, dass diese «Heiratsstrafe» demnächst der Vergangenheit angehöre.

Erste konkrete Zahlen
Wichtig, aber ebenso komplex ist der Bereich Raumordnung. In ihm geht es insbesondere um die Bau- und Nutzungsplanungen (BNO). Nach einer Fusion müssten jene der bisherigen Gemeinden harmonisiert werden. Die Frage aus der Echogruppe: «Wo wird es künftig Bauland geben?» Und harsche Worte eines anderen Votanten: «Es fehlt bei diesem Thema an Visionen – an Fleisch am Knochen.» Für dieses Fleisch, für eine neue BNO, werden im Fall einer Fusion die Stimmberechtigen der neuen Gemeinde auf demokratischem Weg sorgen.

Um beim Fleisch am Knochen zu bleiben: Konkrete Zahlen gab es für den Bereich Verwaltung. Entscheiden sich die Bürgerinnen und Bürger für eine vertiefte Zusammenarbeit, sind für Behörden und Verwaltungen 3050 Stellenprozent nötig. Heute werden 2690 Prozent gezählt. Die Zunahme ist dem prognostizierten Bevölkerungswachstum geschuldet und kommt so oder so auf die Gemeinden zu. Fusioniert man, würde sich die Zahl laut Arbeitsgruppe lediglich um weitere 20 Prozent erhöhen.