«Ich empfand es als Blasphemie»

Der Künstler aus Wohlen manifestiert die Fusion von Tauf- und Künstlernamen mit seinem bisher persönlichsten Album «Schwarz auf Grün».
Jan «Seven» Dettwyler spricht im Interview über sein neues Album und die Trennung von seiner Frau Zahra. (Bild: zVg)

Jan Dettwyler, wie viel von Ihnen steckt in «Schwarz auf Grün»?
Ich glaube, sehr viel. Es war ein langer Prozess, bis ich mich persönlich so stark einzubringen getraute. Mit 21 will man etwas erfinden, jemand sein, der man nicht ist, ein Superheld sein und sich einen coolen Namen geben. Um zu sein, wer ich war, dafür fehlte mir das Selbstvertrauen. Ich habe ausserdem nie eine Homestory gemacht. Seven sollte nur für meine Musik stehen. Ich habe das 15 Jahre lang eisenhart durchgezogen.

Was brachte die Wende?
Das war sicher 2016, als ich an der deutschen Ausgabe von «Sing meinen Song» in Südafrika teilnehmen konnte. Ich habe mich vorbereitet, wie immer. Naiv, nur auf die Musik fokussiert, und habe sogar den Kölner Dialekt gelernt, weil Wolfgang Niedecken von BAP dabei war. Nicht bedacht habe ich jedoch, dass nicht nur der Musiker auf dem Sofa sitzen wird, sondern auch Jan Dettwyler, der gefragt wird, wie er aufgewachsen ist. Ab diesem Zeitpunkt begann ich, Schwächen zu zeigen, mich nicht mehr hinter der Schutzmauer Seven zu verstecken.

Und erstmals auf Deutsch zu ­singen.
Das hätte ich mich vorher nie getraut. Meine Texte waren bereits früher sehr persönlich, doch auf Englisch fiel das weniger auf. Ich bin froh, dass ich nun all die Dinge, die mir in den letzten Jahren passiert sind, in meiner eigenen Sprache verarbeiten kann. Zuerst haben wir Corona überlebt und «Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert» aus dem Boden gestampft, dann sind wir mit zwei Kindern nach Berlin ausgewandert und schliesslich in eine Trennung hineingelaufen. Das fühlte sich wie 15 Jahre an und führte dazu, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben andere Menschen um Hilfe bat, weil ich nicht mehr weiterwusste.

Wie reagiert das Publikum?
Schon als ich mit «Seele» meinen ersten deutschen Song veröffentlichte, bekam ich ein extrem emotionales Feedback. Nicht einfach simple Messages wie cool, super oder gefällt mir, sondern Sachen wie: «Als meine Schwester und ich unsere Mutter verloren, haben wir uns dein Logo eintätowieren lassen, weil dein Lied uns so berührt hat.» Nach einem Konzert kamen die betreffenden Schwestern sogar an meinen Autogrammtisch und zeigten mir ihre Tattoos. Das haut einen um.

Sie veröffentlichten Ihr 13. Album an einem 13. Sind Sie vielleicht etwas zahlenaffin?
Das kann sein. (Lacht.) 13 ist unsere Familienglückszahl. Meine Mutter wurde an einem 13. geboren, und an einem 13. haben sich meine ­Eltern verlobt und später geheiratet.

Was hat Sie vor 22 Jahren zu Seven inspiriert? Die Rückennummer Ihres Lieblingsbasketball­spielers?
Nein, «7» war mein Lieblingslied von Prince. Als ich von einem Freund gefragt wurde, ob ich für ihn im Studio einen Refrain singen könnte, wählte ich Seven spontan als Künstlername.

Die erste Single des neuen Albums ist «Kurz auf Stop». Wie kam es zu diesem Duett?
Johannes Oerding und ich kennen uns schon ewig. Er ist ebenfalls einer, der sich durchgebissen und an jeder Steckdose gespielt hat. Ein unfassbar guter Sänger. Wir lernten uns 2004 an einer Session kennen, blieben in Kontakt und sagten, wir müssten unbedingt einmal etwas zusammen machen. Aber nur, wenn es der richtige Song ist. Und das ist er, antizyklisch mit einem Schuss Simon & Garfunkel, auch weil immer beide singen. Kein klassisches «Zuerst du, dann ich»-­Duett.

Wie gut können Sie «kurz auf Stopp drücken»?
Bei Johannes Oerding passte das Lied wie die Faust aufs Auge, da er anschliessend nach über 20 Jahren ununterbrochenem Musikmachen ein einjähriges Sabbatical einlegte. Für mich hingegen ist Nichtstun eine Gabe, die ich nicht beherrsche. Nach dieser beruflich und privat sehr herausfordernden Zeit bin ich jedoch endlich an einem Punkt, an dem ich nicht mehr das Gefühl habe, dass ich in der Luft hänge. Das Set-up steht, alles ist eingeölt und funktioniert.

Wie organisieren Ihre Exfrau Zahra Abdalla und Sie die Betreuung Ihrer Kinder?
Sie waren gerade hier, in der Schweiz, wo wir viel zusammen unternommen haben. Ich habe in Dietikon noch eine Wohnung, und meine Eltern freuen sich immer, wenn sie ihre Enkel sehen. Jetzt sind unsere Söhne in Berlin bei ihrer Mutter. Als Zahra und ich merkten, dass wir etwas ändern mussten, verlief die Trennung glücklicherweise ohne Streit. Wir wohnen in Berlin unweit voneinander und kümmern uns abwechselnd um die Jungs, wobei ich normalerweise von Sonntag bis Mittwoch Homeoffice mache und Vater bin.

Zu Ihrer Single «Sign» verrieten Sie 2006, dass Sie den Song geschrieben hatten, um das Herz Ihrer damaligen Freundin zurückzuerobern. Gibt es auf dem neuen Album auch ein solches Lied?
Nein, aber es gibt ganz viele Lieder, die davon handeln, dass ich mich selbst zurückerobere. Es mag abgedroschen klingen, aber man muss sich zuerst selbst finden, bevor man für eine neue Beziehung offen ist. Ich habe schon sehr viel aufgeräumt, Schwäche gezeigt, Angst zugelassen – je älter man wird, desto grösser ist der Rucksack, den man mit sich herumträgt.

Wie hat sich das auf die Musik ­ausgewirkt?
Das Soundbild war mir ebenso wichtig wie die Texte, die beim ersten deutschsprachigen Album noch im Vordergrund gestanden hatten. Lieder wie «Egal was du tust» oder «Hör mir noch einmal zu», die in London in Zusammenarbeit mit Sam-Smith-Produzent Yoad entstanden sind, klingen britisch, «Eine Nacht», das ich in Los Angeles mit John Van Nest mischte, sehr soulig, wobei reizvoll war, dass er vorher noch nie einen deutschsprachigen Song produziert hatte.

Wie kamen Sie auf ihn?
Er hat viel mit Prince, Destiny’s Child und Michael Jackson gemacht, dessen erstes Soloalbum mit dem Hit «Don’t Stop Till You Get Enough» meine Leidenschaft für Rhythm and Blues weckte, als ich 14 Jahre alt war. Eine Prägung, die bis heute nachhallt.

Prince ist nicht nur in Liedern wie «Vollkommen leer» präsent, sondern in Ihrer Version seines Songs «Nothing Compares 2U», das Sinéad O’Connor zum Welthit machte. Wie kamen Sie auf die Idee?
Sie stammte nicht von mir, sondern vom Hamburger Produzenten Alex Christensen, der mich fragte, ob ich den Song nicht mit seinem Orchester singen möchte. Ich habe mich zuerst gesträubt, weil ich es als Blasphemie gegenüber meinem Idol Prince empfand. Sein Arrangement hat mich dann aber doch gepackt. Ich dachte: «Scheisse, es ist leider gut.» (Lacht.) Trotzdem sagte ich nur unter Vorbehalt zu. Ich wollte den Song zuerst aufnehmen.

Hatten Sie danach noch Zweifel?
Ich nicht, aber das amerikanische Plattenlabel, das darüber entscheidet, welche Versionen von Prince-Songs veröffentlicht werden dürfen, gab uns einen Korb, weil unsere zu weit weg vom Original sei. Ich brauchte zweieinhalb Jahre und musste all meine Beziehungen zum Prince-Umfeld spielen lassen. Ich kontaktierte einen Cousin und sagte ihm, letztlich sei es doch die Familie, die entscheide … Es war eine Riesenfreude, als Raymond mich anrief und sagte: «Yeah, man, you can do it!»

Wie stark werden die englischsprachigen Alben bei den Konzerten präsent sein?
Es wird von fast allen ein Song zu hören sein. Insgesamt werden sich deutsche und englische Lieder die Waage halten. Es ist jedoch eine grosse Herausforderung, über eine so lange Zeit einen Bogen zu spannen. Wir versuchen es nicht nur musikalisch, sondern auch mit einer grafischen Umsetzung des «Schwarz auf Grün»-Themas auf zwei LED-Leinwänden.

Was bedeutet Ihnen das Konzert im Nordportal?
Baden hatte Ende der Neunzigerjahre die beste Funkszene der Schweiz. Im alten Trafo, im Kornhaus Jugendhaus und im Promi (Restaurant Promenade) fanden legendäre Konzerte und Jamsessions statt. Adi Stern zeigte, wie man Gitarre spielt, Grand Mother’s Funk reisten aus Bern an, und ich pilgerte mit 15, 16 Jahren dorthin und hoffte, dass ich dort einmal mitmachen kann.