«Die Fans werden Teil des Albums»

Marc Sway steckt sich und seine Single über den Tod in ein buntes Kleid. Dank Soul und Charme zählt er zu den populärsten Schweizer Stars.
Marc Sway präsentiert sich für seine Tournee in farbenfrohem Gewand. (Bild: zVg | Jonathan Heyer)

Marc Sway, die Single «When The Lights Go Out» handelt vom Sterben. Wie kamen Sie auf dieses Thema?
Früher oder später kommt er auf uns alle zu. Manchmal trifft er einen mitten ins Herz – oder man kommt mit einem Streifschuss davon. Sei es, weil man einen Menschen verliert, der einem nahestand, oder weil man mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert wird. Mich haben eigene Erfahrungen inspiriert, aber auch die Beobachtung, dass der Tod in unserer Gesellschaft stark tabuisiert ist. Da wir nicht wissen, wie wir mit ihm umgehen sollen, schieben wir ihn auf die Seite. 

Haben Sie mehr Angst vor dem ­Sterben oder vor dem, was danach kommt?
In der brasilianisch-indigenen Kultur, die ich durch meine Mutter kenne, lebt die Seele nach dem Tod des Körpers weiter oder ist zumindest noch präsent. Für mich ist dieses Bild sehr stimmig, ich glaube aber nicht an eine bestimmte Religion. Ich finde, dass sich jeder seine eigene Vorstellung davon machen sollte. Wobei die Atheisten für mich die Mutigsten sind. 

Aus welchem Grund?
Ich habe tiefen Respekt davor, wenn es jemand aushält, dass alles vorbei ist, wenn der DJ eines Tages auf den Stoppknopf drückt, und nicht Halt in der Religion sucht. 

Wie stellen Sie sich das Weiterleben der Seele vor, als Seelenwanderung?
Weniger in einem anderen Körper. Ich habe meinen Bruder vor fünf Jahren bei einem tragischen Unfall verloren. Trotzdem habe ich das Gefühl, er sei in einer anderen Form, einer Art Energie, immer noch da. 

Sie haben Ihre Gedanken in rhythmische, heitere Musik verpackt.
Um die Beschäftigung damit zu ­erleichtern?

Hey, das ist ein alter Musikertrick, einen Kontrast zwischen Text und Musik herzustellen. Nicht immer will man mit der Musik die Gefühle verstärken, die der Text weckt. Ich wollte die Leute hier nicht mit trauriger Musik davon abschrecken, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Ich will das Leben feiern, das nur noch kostbarer wird, weil es irgendwann vorbei ist. So überfällt mich auch in den schönsten Momenten oft eine leichte Melancholie.

Wann zum Beispiel?
Wenn ich mit Freunden an einem Küchentisch sitze, wir zusammen essen, eine Flasche Rotwein trinken und eine fröhliche Stimmung herrscht, ziehe ich mich manchmal in meine Gedanken zurück. Dann sehe ich uns aus der Vogelperspektive und denke, so schön ist es irgendwann nicht mehr. Das Leben ist eben kein À-discrétion-Buffet, wo man sich unendlich bedienen kann und immer nachgefüllt wird, sondern etwas Exklusives, das begrenzt ist und bewusst genossen werden will. 

Welche Erinnerungen haben Sie selbst an «Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert», bei dem Ihre Interpretation von Nemos «Du» zu den bewegendsten Momenten zählte?
Ich glaube, ich habe die Öffentlichkeit nie zuvor so weit in meine Gefühlswelt blicken lassen wie bei diesem Lied, das ich meinem Bruder gewidmet habe. Dieses besondere Format, bei dem sich die Musiker eine ganze Woche in einem geschützten Rahmen austauschen und näherkommen, ermöglicht so etwas.

Sie hatten schon bei Ihrem letzten Album von der Zusammenarbeit mit Nemo geschwärmt. Dann war sein ESC-Erfolg für Sie keine Überraschung?
Nein, alle wussten, dass Nemo ein aussergewöhnliches künstlerisches Talent und eine enorme kreative Energie besitzt. «The Code» war dann der richtige Song im richtigen Moment am richtigen Ort. Und er hat eingeschlagen wie ein Meteorit.

Meistens veröffentlichen Künstler zuerst das Album und gehen danach auf Tournee. Weshalb machen Sie es bei «The Roots» umgekehrt?
Ein Grund war, dass es einen Song mit einem riesigen Chor darauf hat. Meine Idee ist, dass er vom Publikum gebildet wird. Wir werden den Song bei jedem Konzert aufnehmen, den Chorpart herausschneiden und zusammenmischen. So werden die Fans mit ihrer Stimme Teil des Albums. Ausserdem bekamen die Vorabsingles mehr Raum und Aufmerksamkeit. «Why», «Best», das meiner Frau gewidmet ist, «Vibe» und «When The Lights Go Out». Live wird man etwa die Hälfte des Albums schon hören können.

Als Sie vor 21 Jahren Ihr erstes ­Album veröffentlichten, übten Sie den brasilianischen Kampfsport ­Capoeira aus. Später spielten Sie
in der SRF-Dokusoap «Der Match» Fussball. Welchen Sport treiben Sie heute?

Inzwischen besitze ich einem Hometrainer, den ich nicht nur jeden Tag benutze, um mich fit zu halten, sondern gleichzeitig, um all meine Songs zu üben. Da meine Konzerte inklusive Zugaben etwa gleich lang dauern wie ein Fussballspiel mit Verlängerung, kann ich so meine Show simulieren.

Welches der vielen Sportgrossereignisse in diesem Jahr interessierte Sie am meisten?
Die Olympischen Spiele habe ich am intensivsten verfolgt. Da die Rad-WM vor meiner Haustür vorbeiführte, stand ich auch mal an der Strecke. Besonders beeindruckte mich, wie Tadej Pogacar schon 100 Kilometer vor dem Ziel ausriss und den anderen davonfuhr. 

Sprechen wir noch von Ihrem Look. Er erinnert mich an George Clinton. 
Die Funklegende! Das ist ein schönes Kompliment. Ja, er hat sich in solche faszinierenden Roben gekleidet. Für mich ist die optische Erscheinung ein Teil des Gesamtkunstwerks. Wir leben in einer Zeit, in der es fast alles schon einmal gegeben hat. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man das, was die eigene Einzigartigkeit ausmacht, möglichst gut zum Ausdruck bringt. 

Wie haben Sie Ihren Style ­gefunden?
Ich habe vor ein paar Jahren die farbenfrohe afrikanische Mode für mich entdeckt und bin dabei auf die Schweizer Designerin Gabriele gestossen. Sie verkauft in ihrem Laden im Zürcher Seefeld ihre eigenen Taschen und Schuhe wie auch Hemden und Kimonos des südafrikanischen Labels Coast & Koi, ebenfalls alles Einzelstücke. Inzwischen kann ich mit ihr die Schnitte, Stoffe und Farben der Kleider besprechen, die sie dann in Südafrika für einen fairen Lohn nähen lässt.

Sie treten auf dieser Tournee ­sowohl im Badener Nordportal
als auch im Brugger Salzhaus auf. ­Welchen Bezug haben Sie zu der ­Region?

Mit dem Gitarristen Claude Stucki und dem Perkussionisten Robert Hacaturyan habe ich zwei Badener und mit dem Schlagzeuger Simon Kistler einen Brugger in der Band. So sind diese beiden Konzerte für uns fast zweite Heimspiele.

Haben Sie überhaupt jemand aus Zürich in der Band?
Mmh, es gibt noch eine Bielerin, zwei St. Galler und einen kubanischen Liechtensteiner. Nein, ich selbst bin der Quoten-Zürcher! 

Freitag, 18. Oktober, 20 Uhr
Nordportal, Baden