Die Einwohnerratssitzung vom letzten Freitagabend begann mit einer Traktandenänderung. Die SP hatte für ihre Motion betreffend «Sofortmassnahmen im Bereich Schadens- und Risikominderung sowie Soforthilfe für suchtkranke Menschen im Kanton Aargau» einen Antrag auf Dringlichkeitserklärung gestellt.
Antrag für Testprojekt
Dass die Dringlichkeit erfüllt ist, bestätigten 34 der anwesenden 45 Einwohnerrätinnen und -räte, nachdem die Motionärin Alexandra Dahinden (SP) vor dem Brugger Stadtparlament ausgewiesen hatte: «Die Situation ist sowohl für die suchterkrankten Menschen als auch für die Bevölkerung nicht mehr länger tragbar und verlangt nach einer raschen und pragmatischen Lösung.» Dahinden forderte den Stadtrat im Namen der SP-Fraktion Brugg auf, mit Unterstützung des Kantons und anderen Gemeinden mit Zentrumsfunktion im Aargau ein Pilotprojekt zu lancieren und mitzutragen. Ziel sei, die «Schaffung einer niederschwelligen Kontakt- und Anlaufstelle mit Konsumraum und Essensabgabe für suchtkranke Menschen zu initiieren und mitzutragen».
Alexandra Dahinden rekurrierte in ihrer Motion auch auf die Ergebnisse einer Bedarfsanalyse der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht, Infodrog Bern, welche die interdisziplinäre Arbeitsgruppe «Sicherheit am Bahnhof Brugg Windisch» dort in Auftrag gegeben hatte. Die Studie enthält acht Handlungsempfehlungen. Zu den sogenannten Hauptmassnahmenempfehlungen gehört die geforderte Schaffung von neuen Angeboten wie eine Kontakt- und Anlaufstelle mit geschützem Konsumraum und ein Mahlzeitenangebot.
Aargauischer Drogen-Hotspot
Ebenfalls hält die FDP ein Angebot zur Schadensminderung für dringend angezeigt und fordert wie die SP die Schaffung einer Kontakt- und Anlaufstelle. Um den Bahnhof Brugg und an Ausweichstandorten habe sich der aktuell grösste aargauische Drogen-Hotspot entwickelt, wie die FDP des Bezirks Brugg in ihrer am 4. September gestarteten Petition, die das Unterschriftenziel erreichte und nun auf offizielle Antwort wartet, angemerkt hatte.
Der Kanton will gemäss Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2024–2027 eine Suchtstrategie gemäss dem Viersäulenprinzip des Bundes vorlegen, das auf Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression aufgebaut ist. «Allfällige Massnahmen zur Suchtstrategie folgen nach Abschluss des AFP 2025–2028 und wären frühestens im Jahr 2026 vorgesehen», hielt Dahinden fest. Angelika Curti (Die Mitte), die Ende 2024 nach 19 Jahren aus dem Einwohnerrat austreten wird und später mit anhaltendem Applaus verabschiedet wurde, griff das Viersäulenprinzip des Bundes auf, das es seit 1991 in der Schweiz gibt. Repression sei darin das letzte und vierte Prinzip, dieses werde jedoch als einziges in Brugg angewendet: «Nur mit Repressionen allein erhalten die Suchterkrankten keine Hilfe.»
Ruedi Füchslin (FDP) unterstützte die Motion: «Wir sind uns einig, dass etwas gemacht werden muss.» Die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden sei ein grosses Anliegen, aber es müssten auch verschiedene andere Akteuere in die Zusammenarbeit einbezogen werden, brachte Füchslin auf, so Polizei und Gewerbe.
Eine Lösung mit anderem Ansatz gegen das «hochkomplexe Problem, gegen das es keine einfachen Lösungen gibt», forderte Miro Barp, Brugger SVP-Einwohnerrat und Grossrat sowie Projektleiter und Leiter Sicherheitsdienst der PDAG (Psychiatrische Dienste Aargau AG). Geschützte Konsumräume seien Scheinlösungen, das Ziel sei Therapie und Heilung der Suchtkranken.
Arbeitsgruppe Schadensminderung
Aus dem Ressort Gesellschaft informierte Stadtrat Reto Wettstein (FDP), dass der Kanton Anfang Oktober eine Arbeitsgruppe Schadensminderung gegründet habe. Die Stadt Brugg werde an deren ersten Sitzung am
11. November repräsentiert sein. Mit einer deutlichen Mehrheit von 37 zu 7 wurde die SP-Motion letztlich überwiesen.
Bildung, Jugend und Geschwindigkeitskontrolle
Stimmenmehrheit fanden ausserdem drei weitere Geschäfte.
Der Einwohnerrat bewilligte einstimmig für die Zeit ab 2025 jährliche Betriebsbeiträge an das Bildungsnetzwerk Aargau Ost, die sich ab Januar 2025 aus einem Fixbeitrag von 4000 Franken pro Einwohnerin und Einwohner zusammensetzen.
Die Überführung der Jugendarbeit und -kultur vom Verein Piccadilly in die städtischen Verwaltungsstrukturen per 1. Januar 2025 wurde nach kurzer Diskussion, in der Titus Meier (FDP) eine bessere Koordination des sich überschneidenden Aufgabenbereichs von Schulen und Jugendarbeit forderte, ohne Gegenstimme angenommen.
Für die Kontrolle des fliessenden Verkehrs innerorts sowie auf Gemeindestrassen ausserorts ist die Regionalpolizei (Repol) zuständig. Zur Ergänzung und Optimierung der Palette an Messgeräten plant die Repol, ein semistationäres Lasermessgerät anzuschaffen. Diese Anlagen erlauben durchgehende Messungen über eine ganze Woche oder auch länger, die hohe präventive Wirkung der Anlage sei bestätigt.
Seine Haltung gegenüber den Beschaffungskosten in Höhe von 280 000 Franken bildete der Einwohnerrat mit einem Ergebnis von 36 Ja- gegenüber 8 Nein-Stimmen ab.
Unveränderter Steuerfuss von 97 Prozent
Das Budget 2025 der Einwohnergemeinde Brugg präsentierte Yvonne Buchwalder-Keller zum ersten Mal seit ihrem Amtsantritt.
Die Finanzen basieren auf einem unveränderten Steuerfuss von 97 Prozent. Der Fiskalertrag steigt gegenüber dem Budget 2024 um rund 1,04 Millionen Franken auf 39,08 Millionen Franken. Der operative Gewinn des Budgets 2025 ist mit 34 100 Franken ausgewiesen, das operative Ergebnis figuriert mit 1,21 Millionen Franken besser als im Vorjahresbudget. Das ausserordentliche Ergebnis von netto 350 000 Franken berücksichtigt fusionsrelevante Vorgänge, die im Jahr 2025 anfallen.
Diskussion über den Budgetposten Kulturhaus Odeon
In einem starken Votum sprach sich Pascal Ammann (SP) für «Beiträge an private Organisationen ohne Erwerbszweck» aus. Das Kulturhaus Odeon stelle einen kulturellen Leuchtturm mit überregionaler Ausstrahlung dar. Der tägliche Betrieb und das Veranstaltungsangebot im Odeon seien über die Jahrzehnte und in den letzten Jahren stetig gewachsen. Dennoch stagnierte der Betriebsbeitrag an das Kulturhaus Odeon über 14 Jahre bei 50 000 Franken. Für den im April 2022 erhöhten und beantragten Stadtbeitrag von 80 000 Franken leiste das Odeon ausgesprochen viel: «Das Angebot des Odeons ist unglaublich breit. Es bietet ein qualitativ und künstlerisch ausgezeichnetes Kinoprogramm, innovative neue Reihen, Bühnenprogramme für Kinder und Erwachsene von national hochkarätigen Künstlerinnen und Künstlern, das diverse Gruppen von Menschen in und um Brugg anspricht», sagte Ammann. Der geforderte und umfassend begründete Antrag von 80 000 Franken erlaube einen risikoarmen Betrieb, sichere das Programm und die Vielfalt des Angebots des Odeons, schaffe Möglichkeiten für weitere Entwicklungen und trage zur Attraktivität der Stadt Brugg bei.
Kulturkonzept gefordert
Die Selbstfinanzierung des Odeons liegt bei 75 bis 80 Prozent. «Das ist in der Kulturbranche alles andere als die Norm», konstatierte Pascal Ammann und forderte eine Strategie, ein schon länger versprochenes Kulturkonzept und auf die Kulturförderung abgestimmte Kriterien.
Stadträtin Yvonne Buchwalder-Keller antwortete, ein Kulturkonzept sei ein Legislaturziel, aber im Budget 2025 noch nicht vorgesehen. Sie wolle zuerst einen Meilenstein setzen und sich mit anderen Gemeinden austauschen.
Der jährliche Beitrag für den Kulturverein Odeon war im Budget 2025 mit 70 000 Franken eingetragen. Das, obwohl im April 2024 wiederum der begründete Betrag über 80 000 Franken vom Odeon beantragt worden war: «Leider hatte das Kulturhaus Odeon bis zu meiner Kontaktaufnahme keine Kenntnis über die Reduktion des beantragten Beitrags», teilte Pascal Ammann dem Einwohnerrat mit.
In der Abstimmung über Ammanns Antrag zur Budgeterhöhung fürs Odeon kam es zu einem Stichentscheid durch Einwohnerratspräsident Markus Lang: Nächstes Jahr erhält das unbezahlbare Kulturhaus nun 10 000 Franken mehr. Mit 34 Befürwortungen und 1 Enthaltung wurde das Budget 2025 der Einwohnergemeinde Brugg in der Schlussabstimmung schliesslich genehmigt.