Uwe Heinrichs, Sie erzielten mit «Slippery Slope» zu Beginn dieser Saison grosse Erfolge. Was meinen Sie, macht dieses Stück aus?
Wir haben uns sehr über die überwiegend positiven Rückmeldungen von Publikum und Presse zu diesem Abend gefreut. Das passende Stück zur Saisoneröffnung zu finden, ist immer eine Herausforderung. Das Publikum besteht in der Mehrzahl aus Politikerinnen und Politikern, Sponsorinnen und Sponsoren neben Theaterleuten sowie – und nicht zuletzt – aus Abonnentinnen und Abonnenten. Eine sehr interessante und anspruchsvolle Mischung. Es war klar, dass nach zwei Tanzaufführungen 2022 und 2023 in diesem Jahr das Schauspiel im Fokus stehen soll. Und es sollte ein internationales «grosses» Gastspiel sein, bei dem man zeigen kann, was das Kurtheater auch technisch auf höchstem Level zu bieten vermag.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Stücke für eine Spielzeit aus? Gibt es Themen oder Trends, die Ihnen besonders am Herzen liegen?
Die Stücke sollten eine hohe Qualität haben. Darauf lege ich Wert, daran ist das Badener Publikum gewöhnt, und darauf haben sie Anspruch. Es gibt Stücke, die ich «blind» programmieren muss, da deren Premiere erst nach Drucklegung unseres Jahresprogramms stattfindet. Das betrifft dann aber meist Partnerinnen und Partner von Theatern, mit denen ich schon lang zusammenarbeite. Hier habe ich grosses Vertrauen in die künstlerische Qualität.
Und bei Ihren «eigenen» Stücken?
Bei den für uns sehr wichtigen Eigenproduktionen habe ich in den vergangenen drei Saisons den Fokus auf Baden und Badener Geschichten gelegt: Es gab Hesses «Kurgast», Aufzeichnungen von einer Kur in Baden, Badener Jugendgeschichten mit viel Musik bei «Libsigs greatest Hitz» und Dostojewskis «Der Spieler».
Auf welche Stücke freuen Sie sich in dieser Saison besonders?
Ich freue mich auf alle Stücke. Wenn ich eine Auswahl treffen sollte, würde ich «Macbeth» vom Schauspielhaus Bochum mit dem Iffland-Ring-Träger Jens Harzer wählen, weil dieser Abend zum einen auf eine sehr moderne Weise Shakespeare erzählt und zum anderen grossartiges Schauspielertheater bietet. Und natürlich «Drama», den überbordenden Tanztheaterabend der Berliner Volksbühne.
Sie waren an diversen renommierten Häusern in der Schweiz und in Deutschland aktiv. Welche künstlerische Vision verfolgen Sie für das Kurtheater? Gibt es eine besondere Botschaft oder ein Ziel, das Sie mit Ihrer Arbeit vermitteln möchten?
Das Kurtheater hat während des Umbaus (2018 bis 2020, Anmerkung der Redaktion) seine künstlerische Strategie angepasst, und ich hatte die Chance, diese als damals neuer künstlerischer Direktor umzusetzen. Wir haben das Theater für alle geöffnet: Es gibt diverse soziokulturelle Projekte, die nun schon sehr erfolgreich viele Jahre laufen und damals aufgegleist wurden.
Können Sie einige Beispiele nennen?
Hier gibt es beispielsweise «Kids in Dance», wo Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren einmal in der Woche unter professioneller Anleitung im Proberaum trainieren und im Frühjahr ihr Stück auf der grossen Bühne zeigen. Oder den «Spielclub», der sich in Zusammenarbeit mit dem Theater im Kornhaus an junge Menschen zwischen 16 und 24 Jahren wendet und der ebenfalls alle zwei Jahre im Kurtheater eine Premiere feiert.
Noch einmal zu Ihrem Vermittlungsziel …
Also: Eine Botschaft ist sicher, dass wir Theater für und mit allen machen wollen. Es soll keine Schwellenangst geben, die Stücke sollen gut zugänglich sein. In der Hoffnung, auch wieder mehr junge Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund mit dem Theatervirus zu infizieren. Des Weiteren können wir mit den Eigenproduktionen Stücke realisieren, die nach unserer Ansicht am Puls der Zeit sind, wie zum Beispiel das Me-too-Drama «Prima Facie» in dieser Saison. Das Kurtheater-Programm soll im besten Sinne zeitgenössisch sein, unterhalten und den Leuten etwas mit auf den Weg geben – etwas, worüber man noch länger diskutieren kann.
Welche Herausforderungen sehen Sie in der aktuellen Theaterlandschaft, und wie geht das Kurtheater damit um?
Eine zentrale Herausforderung ist sicher, wie wir langfristig neue Zuschauerschichten erschliessen können. Das Kurtheater hat zwar seit Corona wieder steigende Besucherzahlen. In der vergangenen Saison 2023/2024 lag die Auslastung bei immerhin 81 Prozent. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir permanent gefordert sind, unser Programm gut zu kommunizieren und neues Publikum zu gewinnen.
Wie bedeutsam sind Kooperationen mit anderen Theatern oder Kunstschaffenden für Ihre Programmgestaltung?
Sie sind sehr wichtig, sie verschaffen dem Kurtheater zum einen internationale Ausstrahlung, wenn wir mit renommierten Künstlerinnen und Künstlern wie Martin Zimmermann aus der Schweiz, Thorsten Lensing aus Deutschland oder Guy Nader und Maria Campos aus Spanien koproduzieren. Deren Aufführungen kommen dann in ganz Europa auf wichtigen Festivals auf die Bühne, und der Name des Kurtheaters wird damit überall auf dem Kontinent und teilweise darüber hinaus bekannt gemacht. Zum anderen pflegen wir die Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Gruppen wie dem Theater Marie und fördern damit aktiv das Aargauer Kulturleben.
Ob ein Stück ankommt oder nicht, ist oft nicht vorhersehbar. Wie reagieren Sie auf das Publikum
und dessen Feedback?
Das ist wahr. Ich nehme das Feedback aus dem Publikum sehr ernst. Glücklicherweise gibt es selten extrem negative Reaktionen. Es gab vor einigen Jahren ein Stück, das akustisch schwer verständlich war. Dazu bekamen wir – zu Recht – einige Rückmeldungen. Ich habe dann mit dem betreffenden Theater Kontakt aufgenommen und diese Reaktionen gespiegelt. Ab und zu gibt es aber auch sehr positive Reaktionen wie Standing Ovations beim Schlussapplaus – ein solches Feedback nimmt einen natürlich sehr für das betreffende Theater ein und beeinflusst sicherlich künftige Programmentscheidungen.