Zwei Jahre hat Sabine Gisiger an ihrem cineastischen Werk «Jelmoli – Biografie eines Warenhauses» gearbeitet. Entstanden ist ein faszinierender Film, der nicht nur die langjährige Geschichte des legendären Warenhauses zeigt, sondern auch ein Spiegel der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen ist, die über die Jahrhunderte stattfanden. Wer hätte gedacht, dass der Italiener Giovanni Pietro Gulielmoli, der 1833 als Einwanderer nach Zürich kam, mit seinen Modewaren einmal den Grundstein für eine der bedeutendsten Warenhausketten der Schweiz legen würde? Und bestimmt hätte in den 80er-Jahren kein Mensch geglaubt, dass das damals boomende Unternehmen mit 231 Standorten und 5200 Angestellten einmal endgültig schliessen muss, wie es jetzt der Fall ist.
Bereits in den 90er-Jahren mussten sämtliche Filialen wieder weichen. Und per Anfang 2025 geht nun auch das Mutterhaus in Zürich zu. Die Liegenschaft nahe der Bahnhofstrasse wird umgebaut und einer neuen Nutzung zugeführt. Onlineshopping, die wachsende Globalisierung und die Konzentration auf andere Märkte und Konkurrenzdruck haben den Betrieb letztlich in die Knie gezwungen und das klassische gehobene Warenhausmodell obsolet gemacht. Gisiger durchforstete im Stadtarchiv Zürich als Erste die unzähligen Dokumente zur Jelmoli-Vergangenheit. «Wir wollten den Film jetzt zeigen, weil dieses Ende viele Leute beschäftigt», meint die Dokumentarfilmerin.
Selbstständigkeit für Frauen
Im Odeon Brugg waren zur Präsentation von «Jelmoli – Biografie eines Warenhauses» auch ehemalige «Jelmolianerinnen» und «Jelmolianer» anwesend. Einer davon: Hans Bolt aus Windisch. Der heute 90-Jährige war von 1953 bis 1999 im legendären Kaufhaus in Zürich tätig und avancierte vom Verwaltungsangestellten zum Vizedirektor. Er baute seinerzeit das frisch geschaffene Kreditkartenwesen aus und kommt im Film mehrmals zur Sprache. Jelmoli leistete immer wieder Pionierarbeit. Das Unternehmen stieg bereits 1834 in den Versandhandel ein und setzte als erstes Geschäft fixe Preise für seine Waren fest. Ebenfalls ein Novum war der Versandkatalog. 1897 erschien die erste Ausgabe und entwickelte sich über die Jahre zum absoluten Renner. Eine Zeit lang war der Jelmoli-Katalog nach dem Telefonbuch der zweitgrösste Druckauftrag in der Schweiz. Auch die ersten Ratenzahlungen und der Ausverkauf wurden im Haus eingeführt. Vor allem aber ermöglichte Jelmoli Frauen schon früh, ihr eigenes Geld zu verdienen.
Schmunzeln musste das Publikum bei Bolts Schilderungen über Kunden, die kostbare Perserteppiche zur Auswahl mit nach Hause nahmen (das war damals möglich) und nach wenigen Tagen wieder zurückbrachten. Sie gaukelten Kaufinteresse vor, wollten aber in Tat und Wahrheit mit dem edlen Bodenbelag nur kurzfristig den Besuch beeindrucken, den sie über das Wochenende empfingen. Sophia Loren, die iranische Kaiserin Farah Diba, Claudia Schiffer und viele andere Prominente liessen es sich nicht nehmen, dem Zürcher Konsumtempel ihren Besuch abzustatten. Das Warenhaus war auch eine Projektionsfläche von zahlreichen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die im äusserst spannenden Film thematisiert werden. Er zeigt, wie das Unternehmen von italienischen Einwanderern an eine jüdische Familie, den Verleger Ringier, Walter Fust und Autoerbe Georg von Opel ging. Heute ist es im Besitz der Immobiliengesellschaft Swiss Prime Site, die jetzt die Jelmoli-Tore in Zürich definitiv zumacht. 850 Personen verlieren damit die Stelle.
Das Traditionshaus im Wandel der Zeit
Die «Beerdigung» des einstigen Traditionshauses tut Hans Bolt weh. «Eine Institution der Stadt fällt nun definitiv weg», bedauert der agile Senior und meint zum Ende dieser Ära: «Nicht nur Jelmoli, sondern zahlreiche andere Warenhäuser in der ganzen Welt haben existenzielle Schwierigkeiten.» Und auch in Brugg gab es eine Jelmoli-Filiale. Sie wurde 1959 eröffnet und machte Schlagzeilen, weil sie die erste Rolltreppe im Kanton Aargau hatte. Die gelernte Papeteristin Anita Huismann (Jahrgang 1939) arbeitete dort zwei Jahre im Verkauf, bevor sie eine Familie gründete. «Jelmoli war ein wunderbarer Arbeitgeber, ich war sehr gern dort, und der Zusammenhalt unter den Angestellten war gross», erinnert sie sich. 1996 ging das Warenhaus in Brugg zu. 2002 folgte die Neupositionierung der Immobilie als «Brugger City-Galerie». Per März 2025 findet diese Ära ein Ende. Im Sommer 2027 soll die Wiedereröffnung des Entwicklungsprojekts «Neue Galerie Brugg» folgen. Geplant sind 40 Wohnungen, 2450 Quadratmeter Gewerbefläche und eine unterirdische Einstellhalle in nachhaltiger und CO2-sparender Bauweise.
Dokumentarfilm:
Donnerstag, 28. November, 16.15 Uhr
Freitag, 29. November, 13 Uhr
Sonntag, 1. Dezember, 13 Uhr
Samstag, 7. Dezember, 11 Uhr
Cinema Odeon, Brugg