Brugg-Windisch ist der grösste Bildungsstandort im Kanton Aargau: mit der Fachhochschule FHNW, der Berufsfachschule Gesundheit und Soziales (BFGS), dem Berufs- und Weiterbildungszentrum (BWZ), der Wirtschaftsschule KV sowie in absehbarer Zeit einer neuen Kantonsschule. An den bestehenden Schulen lernen, forschen und arbeiten bereits heute rund 9 000 Personen – in Zukunft werden es noch mehr sein. Die Schule Gesundheit und Soziales braucht wegen der erwarteten Zunahme der Lernendenzahlen mehr Platz. Dieser ist aber offenbar am Hauptstandort Brugg nicht zu beschaffen. Darum fasst der Regierungsrat vorübergehend einen Ausweichstandort im Hünerwadelhaus in Lenzburg ins Auge. Für die Planung und Bereitstellung der Einrichtungen beantragt er dem Grossen Rat einen Kredit von 1,01 Millionen Franken.
Schülerzuwachs von 270 Prozent
Der Kanton Aargau führt die Berufsfachschule Gesundheit und Soziales seit ihrer Entstehung im Jahr 2006. Sie bietet Ausbildungsgänge auf Sekundarstufe für die Berufe «Fachperson Gesundheit/FaGe» und «Fachpersonen Betreuung/FaBe» sowie für «Assistentinnen und Assistenten Gesundheit und Soziales» an. An der BFGS kann auch die Berufsmatur für Erwachsene (BM II) mit Ausrichtung Gesundheit und Soziales absolviert werden; zudem wird allgemeinbildender Unterricht für die Erwachsenen-Nachholdbildung in Gesundheits- und Sozialberufen erteilt.
Im Schuljahr 2024/25 besuchen 3 020 Lernende die BFGS. Das entspricht gegenüber dem Gründungs-Schuljahr 2006/07 einem Zuwachs von 270 Prozent. Die Lernenden werden von 145 Lehrpersonen unterrichtet. Der Hauptstandort der Schule befindet sich an der Baslerstrasse 43/45 in Brugg. Es sind die Gebäude der 1901 erbauten und unter Denkmalschutz stehenden früheren Landwirtschaftlichen Schule («Härdöpfel-Universität») sowie die in den 1970er Jahren errichteten Gebäude für die Frauenfachschulen, die ehemaligen Kindergarten-, Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerinnen-Seminare.
Diese Liegenschaften verfügen über 36 Unterrichtszimmer, eine Aula, eine Mensa, eine Einfachturnhalle und einen Gymnastikraum. Weitere 17 Unterrichtsräume befinden sich in der Gewerbeliegenschaft Im Steiger an der Badstrasse 45 in Brugg. Diese Räume wurden 2010 vom Kanton angemietet und zu Schulzwecken ausgebaut. Zudem ist die BFGS mit fünf FaGe-Abteilungen im Berufsbildungszentrum Fricktal in Rheinfelden eingemietet.
Am Hauptstandorte der BFGS an der Baslerstrasse weist aktuell vor allem das Gebäude-Ensemble der einstigen Frauenfachschulen einen hohen Erneuerungsbedarf auf. Mit der Planung einer Gesamtinstandsetzung könne jedoch erst nach Abschluss der im April 2024 initiierten Standort-Evaluation für die langfristigen Anlagen der BFGS begonnen werden, schreibt der Regierungsrat in seinem Bericht an den Grossen Rat. Nach dem bis 2026 erwarteten rechtskräftigen Standortentscheid werde die Zukunft der Liegenschaft an der Baslerstrasse näher bestimmt.
Was geschieht in Brugg?
In Brugg wird man sich fragen müssen, was die eingeleitete Standort-Evaluation bedeutet. Behält die Schule ihren bisherigen Hauptstandort? Wird dieser erneuert und erweitert? Ist das am bisherigen Platz möglich oder wird ein anderer Ort gesucht? Oder wird die Schule in Zukunft stärker dezentralisiert? Den Zweigstandort Fricktal/Rheinfelden gibt es bereits. Jetzt soll – als vorübergehende, rasche Lösung der Platznot – zusätzlicher Unterrichtsraum in Lenzburg angemietet werden. Dieser hat den Nachteil, dass keine Halle für den eigentlich vorgeschriebenen Sportunterricht an Berufsschulen zur Verfügung steht. Aber wird Lenzburg vielleicht ein künftig definitiver dezentraler Standort der BFGS?
Vor zwei Jahren wurden auch verschiedene Varianten für ein Provisorium auf dem eigenen Areal an der Baslerstrasse in Brugg geprüft. Eine Machbarkeitsstudie und mehrere Gespräche mit der Bauverwaltung Brugg hätten gezeigt, schreibt der Regierungsrat, dass die Bewilligungsfähigkeit und somit auch die Realisierbarkeit der notwendigen Bauvolumen, einerseits aufgrund des Bundesinventars der schützenswerten Ortsbilder, anderseits wegen eines erhöhten Risikos von Einsprachen aus der Nachbarschaft, innert der erforderlichen Frist nicht gesichert waren. Das tönt ziemlich defätistisch.
Eine Campus-Idee
Das Departement Bildung, Kultur und Sport führte im Auftrag des Regierungsrates zur Anmietung von zusätzlichem Schulraum für die BFGS im Hünerwadelhaus in Lenzburg vom Juli bis September eine öffentliche Anhörung durch. Eingeladen waren sämtliche politischen Parteien sowie ausgewählte Verbände aus dem Gesundheits- und Sozialwesen und auch Institutionen aus dem Bildungsbereich. Es gingen neun Rückmeldungen ein, davon von acht Parteien: SVP, FDP, SP, Mitte, EVP, Grüne, GLP und EDU sowie der Verband Organisation der Arbeitswelt Gesundheit und Soziales Kanton Aargau.
Sechs Parteien erklärten sich mit dem Vorhaben «völlig einverstanden», SP und Grüne sagten «Ja mit Vorbehalt». Die SP hätte sich aus betrieblichen Gründen lieber eine Anmietung in der Nähe der bestehenden BFGS-Standorte gewünscht. Sie findet zudem das Fehlen von Sporthallen grundsätzlich nicht akzeptabel. Aus der Sicht der Grünen ist langfristig eine Campus-Lösung mit der BFGS und der HFGS (Höhe Fachschule Gesundheit und Soziales) am selben Standort anzustreben. Die HFGS hat ihren Sitz in Aarau. Hoffentlich behalten der Stadtrat Brugg sowie die Repla Brugg, die sich der Förderung der Region annehmen sollte, die Campus-Idee und ihre möglichen Perspektiven für der Standort Brugg im Auge. Denn die Berufsfachschule Gesundheit und Soziales ist ein wichtiger Teil des Bildungsstandortes Brugg.
Diese vorsorgliche Anmerkung ist im Blick auf ein anderes Schulprojekt begründet. So hat es die Region Brugg nicht geschafft, die Bezirksschule Schinznach-Dorf, die für das Schenkenbergertal eine wichtige Rolle spielt, zu erhalten. Die «Bez», die heuer ihr 150-jähriges Bestehen feiert, wird mit dem Schuljahr 2028/29 in die Bezirksschule Möriken-Wildegg integriert, weil sie die Mindestschülerzahl durch den Wegzug der Bezirksschüler von Schinznach-Bad und Villnachern nach Brugg nicht mehr erreicht. Eine rechtzeitige Vereinbarung über die regionale Schulort-Zuteilung hätte das verhindern können.