Kultur-Karussell für die Kleinsten

Die «Regionale 2025» fördert Ideen und präsentiert Projekte. Darunter ist das «Kultur-Karussell» von Alma Jongerius.
Das «Kultur-Karussell» von Alma Jongerius wurde als zukunftsweisendes Projekt für das Limmattal ausgewählt. (Bild: isp)

Das Projekt «Kultur-Karussell, Kultur für die Kleinsten» von Alma Jongerius und dem Familienzentrum Karussell wurde von der «Regionale 2025» als zukunftsweisendes Projekt für das Limmattal ausgewählt. «Ich bin schon etwas stolz», sagt die 65-Jährige erfreut, «denn das Projekt ist einzigartig. Kultur für die Kleinen und ihre Familien ist eher rar in unseren Breitengraden.» Das Projekt erlaubt den Kleinsten und ihren Angehörigen Erfahrungen und Begegnungen mit unterschiedlichen Kultursparten. Zusammen mit dem Familienzentrum entsteht ein leicht zugängliches und breites Kulturangebot mit Musik, Tanz, Theater, Figurentheater oder bildender Kunst. Alles ist in Form von Vorstellungen und Konzerten oder als Workshop im Programm zu finden. So gibt es zum Beispiel Klanggeschichten und Babykonzerte mit klassischer Musik, Tanz- und Bewegungsworkshops sowie Erzähl- und Figurentheater.

Spielwiese erweitert den künstlerischen Radius
Und das Wunderbare am «Kultur-Karussell» ist, dass Kulturschaffende ihrerseits Erfahrungen mit der eher unbekannten Zielgruppe «Kinder ab 0 Jahren» sammeln und in ihre eigene Arbeit einfliessen lassen können. Das Projekt heisst «Spielwiese». Das Familienzentrum Karussell stellt Veranstaltenden dafür Probe-Try-out- und Auftrittsmöglichkeiten zur Verfügung und unterstützt mit Fachwissen. Kunstschaffende aller Sparten öffnen sich dabei den ganz Kleinen und spüren so, ob das etwas ist, das sie in ihre eigenen Projekte einbauen könnten. Ein Experimentierfeld sozusagen. Denn das Arbeiten mit kleinen Kindern kann manchmal herausfordernd sein und liegt nicht allen. Wobei die Arbeit mit den ganz Kleinen sehr inspirierend und motivierend sei, wie Alma Jongerius findet.

Regionale 2025
Bis September 2023 gingen 65 Projektideen bei der «Regionale 2025» ein, und jede Projektidee durchläuft ein Auswahl- und Qualifizierungsverfahren. Der Prozess garantiert, dass nur zukunftsweisende und für die Region wichtige Projekte an der «Regionale 2025» gezeigt werden. Ein Auswahlgremium der «Regionale 2025» – bestehend aus Lenkungsausschuss und Fachbeirat – beurteilt die Projektideen. Fällt die Beurteilung positiv aus, wird die Projektidee dem Vorstand zur Weiterverfolgung empfohlen. Wenn das Projekt in Richtung Umsetzung weiter vertieft und qualifiziert ist, kann es das Label «Ein Projekt der ‹Regionale 2025›» erlangen und wird an der Projektschau 2025 präsentiert. «Ich habe gehofft, dass mein Projekt gut ankommt», sagt Alma Jongerius. Sie habe nämlich erkannt, dass kulturell viel zu wenig für ganz junge Kinder gemacht werde.

Es ist erwiesen, dass alle Kinder den Drang verspüren, ihre Umwelt zu erforschen, und zwar mit allen Sinnen. Neben der Gestaltung mit den Händen sind Musik, Theater oder Sprache kreative Entdeckungsfelder und Ausdrucksmöglichkeiten für den Nachwuchs. Kathrin Burger, Kommunikationsverantwortliche des Familienzentrums Karussell, Baden, freut sich sehr über die konstruktive Zusammenarbeit mit Alma Jongerius. «Eine Bereicherung für das Familienzentrum Karussell», schwärmt sie. «Wir wissen, dass wir mit Alma Jongerius eine gewissenhafte und auf Qualität bedachte Künstlerin im Boot haben. Seit Jahren läuft die schöne Zusammenarbeit engmaschig und ist sehr inspirierend.»

Alma Jongerius, Theaterpädagogin und freischaffende Theaterfrau, Regisseurin, Schauspielerin und Lehrbeauftragte. (Bild: isp)


Die 1959 im niederländischen Utrecht geborene Alma Jongerius ist seit Jahren als Theaterpädagogin, Regisseurin, Schauspielerin und Lehrbeauftragte unterwegs. Zu ihrem neuesten Erfolgsprojekt hat sie der «Rundschau» einige Fragen beantwortet.

Alma Jongerius, wie kamen Sie darauf, eine Plattform für kulturelle Veranstaltungen, die sich an Kleinkinder richten, ins Leben zu rufen?
Ich arbeite sehr gern mit Kindern oder mit Personen, die mit Kindern arbeiten. Denn das Arbeiten mit jungen Menschen ist äusserst lebendig, inspirierend und höchst bereichernd. Ich staune immer wieder über die Fantasie der Kinder. Sie können sich wirklich alles vorstellen und sich in alles hineinversetzen.

Sind Sie schon lang in diesem Bereich unterwegs?
Ja, ich habe bereits Zirkustheater mit Profis und mit Laien gemacht, mit Jugendlichen gearbeitet, mehrere Chorinszenierungen und riesengrosse Schultheaterprojekte geleitet. In Brugg-Windisch leite ich die Insieme-Theatergruppe für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. Wir haben vor den Sommerferien unsere zehnte Produktion gefeiert. Ebenfalls seit Jahren unterrichte ich das Fach Theater an der Schule Kappelerhof in Baden, was mich sehr befriedigt. Schweizweit bekannt wurde ich mit der Produktion «Stadtwandeling».

Worum ging es?
Im Rahmen von «Stadtwandeling» haben wir – zwei Niederländerinnen – Leute durch ihre eigenen Städte geführt und dabei Details offenbart, die sie selbst noch nicht wussten. Eigentlich war die fantasievolle Produktion ursprünglich vor allem für Kinder gedacht. Es kamen jedoch hauptsächlich Erwachsene. Meine Herzensprojekte sind aber tatsächlich die Produktionen für Kleinkinder, die ich selbst entwickle und in der Schweiz und im Ausland spiele, sowie die Stücke für Kleinkinder, bei denen ich Regie führe.

Beschreiben Sie ihren kreativen Prozess.
Ich arbeite mit den Ideen, Wünschen und Vorstellungen der Gruppe. Ich sammele «Material», also Ideen für Figuren, Ereignisse, Geräusche und so weiter, und versuche, diese so zusammenzustellen, dass verrückte, originelle, ungewohnte und spezielle Ideen entstehen. Dann stelle ich daraus den Ablauf oder eine Geschichte zusammen, die dann zur Basis des Stücks wird.

Wo spielen Sie am liebsten?
Ich spiele sehr gern draussen. Das Arbeiten in der Natur oder in einer historischen Kulisse ist für mich sehr inspirierend. Das Stück «Stadtwandeling» spielte beispielsweise auf Strassen und Plätzen. Auch auf der Ruine Stein in Baden, vor dem Lateinschulhaus in Brugg oder im Steinbruch Hundsbuck habe ich bereits inszeniert. Meine aktuelle Kleinkinderproduktion «Zwergensafari» spielt ebenfalls in der Natur: in einem Park oder im Wald. Ich versuche stets, alles möglichst einfach zu halten. Ich reise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, Auto habe ich keines. Das ist für mich ein Vorteil, weil ich nicht so viel mitnehmen kann und mich deshalb einschränken muss. Weniger ist mehr. Im Theater heisst das vor allem: mehr Fantasie, sowohl auf der Bühne als auch beim Publikum. Das ist mein Ziel.

Können Sie ein Highlight Ihrer langjährigen Arbeit nennen?
Es gibt sehr viele berührende Momente bei meiner Arbeit. Wenn ich zum Beispiel erlebe, wie Kinder sich durch das Theaterspielen plötzlich öffnen, originelle Ideen äussern oder zusammen Spass haben, dann schlägt mein Herz höher. Jede Produktion ist ausserdem in sich ein Highlight. Ich treffe öfter auf junge Erwachsene, die als Kinder in einem meiner Stücke mitgespielt haben. Viele empfinden das im Nachhinein als wichtiges Erlebnis. Das Theaterspielen ist wirklich etwas Nachhaltiges.

Das klingt sehr erfüllend.
Das ist es, auf der anderen Seite sind die Produktionen für mich immer mit einem gewissen Leistungsdruck verbunden. Meine Arbeit muss stets top sein. Zudem ist extrem viel Herzblut dabei, sonst funktioniert es nicht. Zum Glück vergisst man die Strapazen beim Applaus meistens wieder, sonst würde man diesen Beruf nicht aushalten.

Sind Kunst und Kultur für Kinder besonders wichtig?
Kunst und Kultur sind allgemein enorm bereichernd. Sie bringen Farbe und Freude ins Leben und sind unsere geistige Nahrung. Kultur zu geniessen, hebt die Stimmung, inspiriert und regt zum Reflektieren an.

Haben alle Kinder einen Drang zum Spielen?
Spielen ist lernen, und jedes Kind ist sozusagen aufs Spielen programmiert, damit es möglichst viele Erfahrungen macht, die es im Leben braucht. Ab dem Alter von ungefähr zwei Jahren kommt das Rollenspiel hinzu: Kinder spielen Szenen aus ihrem Umfeld wie beispielsweise Haushaltstätigkeiten, Autofahren oder Arztbesuche nach. Dadurch lernen sie Abläufe kennen, können Erlebtes verarbeiten oder Erfahrungen im Zusammenspiel mit anderen Kindern machen. An dieses Spiel knüpfe ich in meinen Theaterworkshops an. Weil das Spielen für die Entwicklung von Kindern so wichtig ist, sollten wir ihnen viele Gelegenheiten dazu geben.

Haben sich Kinder Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren verändert?
Ich glaube nicht, dass sich die Kinder verändert haben, aber die Gesellschaft hat sich gewandelt, und das hat grossen Einfluss auf die Kindheit. Statt draussen mit anderen zu spielen und dabei wichtige Erfahrungen zu machen, sitzen Kinder heute oft allein vor einem Bildschirm. In meinen Theaterstunden in der Schule bemerke ich, wie die Kinder das Spielen quasi nachholen wollen.

Sie sind 65-jährig. Eigentlich könnten Sie sich jetzt pensionieren lassen.
(Lacht). Künstler kennen kein Verfallsdatum. Ich habe schon sehr viel von dem realisiert, was ich mir vorgenommen hatte, und bin jetzt in der komfortablen Lage, dass ich mir die Arbeiten auswählen kann, die mir wichtig sind. Was ich auf jeden Fall weiterverfolgen will, sind das «Kultur-Karussell» und die Theaterarbeit für die Allerkleinsten.