Seit dem Umbau der Löwenscheune 2008 dient das Gebäude während der Schulzeit als Mensa für die Kantonsschule Wettingen. Während in den fünf übrigen Kantonsschulen im Aargau Catering-Anbieter am Werk sind, entschied man sich in Wettingen für das gut funktionierende Genossenschaftsmodell. Für die dazumal gegründete Genossenschaft Kanti Wettingen steht die gemeinnützige Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Wettingen durch die Gewährleistung einer unter ernährungswissenschaftlichen Gesichtspunkten gesunden, ausgewogenen und erschwinglichen Kost in einem familiären und erzieherischen wertvollen Umfeld ohne Alkoholausschank und ohne Konsumationszwang im Vordergrund.
Vom bunten saisonalen Salat über regionale Klassiker bis zu internationalen Spezialitäten sorgt das Mensateam der Kantonsschule Wettingen für Abwechslung auf dem Teller. Die Bedürfnisse der Klientel werden ernst genommen, und so gibt es neben einem Fleisch- und vegetarischen Mittagsmenü auf Anmeldung auch vegane, gluten- oder laktosefreie Mahlzeiten. Einmal pro Woche wird bewusst ganz auf Fleisch verzichtet.
«Reservierte Tische müssen weg»
Derzeit besuchen knapp 1300 Schülerinnen und Schüler, die von etwa 160 Lehrkräften unterrichtet werden, die Kantonsschule Wettingen. Der in den vergangenen Jahren markante Anstieg der Schülerinnen und Schüler führte dazu, dass im ehemaligen Wirtschaftsgebäude des Klosters, der denkmalgeschützten Löwenscheune, eine Mensa mit 220 Sitzplätzen und im Erdgeschoss eine Cafeteria, in der 130 Plätze zur Verfügung stehen, realisiert wurden. Aufgrund des grossen Andrangs in der Cafeteria wurden 2020 im angrenzenden Gebäude des «Alten Löwen» rund 50 zusätzliche Sitzplätze mit einer hohen Aufenthaltsqualität realisiert.
Total stehen über 600 Essensplätze zur Verfügung. Gerade in der kalten Jahreszeit ist dieses Platzangebot über Mittag knapp. Dass in der Cafeteria seit über einem Jahr 50 Prozent der Tische für Personen, die das Mittagessenangebot der Mensa in Anspruch nehmen, reserviert werden, hat dazu geführt, dass der 17-jährige Schüler und SP-Jungpolitiker Fabio Blazevic unter dem Titel «Die reservierten Tische müssen weg» eine an die Verwaltung der Mensa-Genossenschaft gerichtete Petition lanciert hat, die innert weniger Tage von über 500 Personen unterzeichnet wurde. Begründet hat er das unter anderem mit der Aussage, dass Schülerinnen und Schüler, wenn sie kein Essen kauften, in der Cafeteria auf dem Boden sitzen müssten. Laut seinen Ausführungen fördert das die soziale Ungleichheit und verstösst gegen Artikel 3 der Mensa-Genossenschaftsstatuten, die explizit keinen Konsumzwang erlauben. Schülerinnen und Schüler sollen durch die Reservierung von Tischen nicht gezwungen werden, auf dem Boden zu sitzen.
Politik ist ebenfalls gefordert
In einem ausführlichen Gespräch hält Paul Zübli, Rektor der Kantonsschule Wettingen, fest, dass es wegen der hohen Auslastung der Schule während der Mittagszeit zu Engpässen komme. «Ich habe bis anhin nie erlebt, dass Schülerinnen und Schüler gezwungen sind, ihr mitgebrachtes Essen auf dem Boden sitzend zu essen.» Da das Mensaessen im Aargau – anders als in anderen Kantonen – nicht vom Kanton subventioniert und aktuell für 10.90 Franken abgegeben wird, ist es verständlich, dass ein Teil der Tische zahlenden Gästen vorbehalten ist. Man ist sich seitens der Schulleitung bewusst, dass aufgrund der hohen Auslastung in der Mittagszeit Engpässe nicht ausgeschlossen werden können. «Neben der Schaffung zusätzlicher Essensplätze in anderen Gebäuden, wo Mikrowellengeräte zur Verfügung stehen, um mitgebrachtes Essen zu wärmen, wurde eine dritte Mittagsschicht eingeführt», so Paul Zübli weiter.
Gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass mit der Inbetriebnahme der sich im Bau befindenden Erweiterung des Westflügels, in dem Schulzimmer sowie multifunktionale Räume geschaffen werden, das Platzproblem während der Essenszeit nicht aus der Welt geschaffen werden kann. Ursache für die durchschnittliche Auslastung der Kantonsschulen von 114 Prozent ist das Bevölkerungswachstum, denn die Kantonsschulen rechnen mit einer konstanten oder höchstens leicht steigenden Maturitätsquote. Zurzeit besuchen im Aargau ungefähr 6500 Jugendliche eine Kantonsschule. Im Jahr 2050 könnten es 8300 sein. Zwar sagte der Grosse Rat Ja zu zwei neuen Kantonsschulen in Lenzburg und Windisch, noch sind die Kredite für deren Bau aber nicht gesprochen, und mit der Eröffnung einer der beiden neuen Schulen kann nicht vor 2035 gerechnet werden. Um das Platzproblem und die daraus resultierenden Engpässe bei den Essensplätzen zu beheben, ist demzufolge auch die Politik gefordert.
Petition als Forderung lanciert
Jede Person, unabhängig von Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Wohnort, kann eine Petition lancieren und unterschreiben. Gegenstand der Eingabe kann jede Tätigkeit oder jedes Thema des Alltags sein. Die Petition kann als Bitte, als Forderung oder als einfache Anregung formuliert werden. Unterschriften werden häufig auf der Strasse, aber auch online gesammelt. Es besteht weder eine Frist, innerhalb deren die Unterschriften gesammelt werden müssen, noch eine Mindestzahl an Unterschriften. Die Behörde, an die sich die Petition richtet, muss davon Kenntnis nehmen. Sie ist jedoch nicht verpflichtet, sie zu behandeln oder zu beantworten, wobei Letzteres in der Regel aber geschieht.
Fabio Blazevic bestätigt, dass er in der Schülerinnen- und Schüler-Organisation (SO) der Kantonsschule Wettingen mitwirkt, in der aktuelle Themen rund um das Schulleben behandelt werden. «Ich habe diese Aktion getrennt von meinem Engagement im Vorstand der SO gestartet und mich für die Lancierung der Petition entschieden», so Fabio Blazevic. Das hat zur Folge, dass die Verwaltung der Genossenschaft Kanti Wettingen den Dialog mit ihm nicht weiterführt. In einer telefonischen Anfrage brachte Fabio Blazevic klar zum Ausdruck, dass die Lancierung der Petition für ihn der richtige Weg gewesen sei, um auf das Platzproblem, das ebenfalls an anderen Kantonsschulen bestehe, aufmerksam zu machen. Distanziert hat er sich von den ungerechtfertigten Kommentaren auf der Petitionsplattform, die er mittlerweile gelöscht hat. Darin wurde das Mensapersonal zum Teil kritisiert und persönlich angegriffen. Bleibt zu hoffen, dass an der Bildungsstätte auf der Klosterhalbinsel wieder Ruhe einkehrt.